Posts mit dem Label Regime werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Regime werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 23. März 2022

Geheimdienstmorde - Christopher Nehring

 


Wer Krimis und Thriller liest, oder natürlich auch Filme sieht, wird unweigerlich mit dem Thema „Geheimdienstmorde“ konfrontiert. James Bond mit der Lizenz zum Töten, ist mit tödlicher Sicherheit das Paradebeispiel eines Agenten/Spions der im Auftrage des britischen Geheimdienstes töten darf. Wenn das auch weniger „geheim“ ist. Es tummeln sich medial viele (Anti)Helden auf den Kinoleinwänden oder im heimischen TV-Stream. Allerdings sprechen die gegenwärtigen Fakten sich dafür aus, dass selbst noch in unserer zivilisierten Zeit Geheimdienste munter morden. Manchmal wird dieser „nasser Job“ erfolgreich realisiert und die Medien bekommen von dieser Geheimdienstarbeit wenig mit, doch es passieren auch Pannen, menschliche Fehler, Zufälle usw. die diese alte Todsünde „Mord“ in die Nachrichten bringen, die dann mitunter Krisen auslösen (können).

Mit der Wahrheit ist das ja so eine komplizierte Angelegenheit. Wen, oder was kann man glauben? Warum greifen Staatsoberhäupter ein und verurteilen Menschen ohne Gerichtsurteil, Verteidigung oder Stellungnahme zum Tode? Wer sind diese Staaten und was sind deren Motive und Motivation.

Der Autor dieses Buches „Geheimdienstmorde“ Christopher Nehring räumt mit vielen Märchen, Legenden und spektakulären Vorurteilen auf. Leider ist die Wirklichkeit schlimmer als wir es uns ggf. vorstellen können, in jeden Fall sind die „Morde“ leiser – der Prozess und die Ausführung können aber genauso dramatisch sein. Das wenig Überraschende dabei ist auch der Gedanke: Über wie viele Opfer reden wir eigentlich? Damit springt dann die Vokabel „Geheim“ auf die Bühne. Wir wissen, so vermute ich nur einen Bruchteil, die Spitze des Eisberges über dieses Thema, aber noch mehr als vor 20 Jahren. Dem Internet, dem mutigen Investigativen Journalismus sei gedankt.

Spektakuläre Morde und Mordversuche im Auftrag von Geheimdiensten beherrschen immer wieder die Schlagzeilen: der Anschlag auf Alexej Nawalny 2020, der „Tiergarten-Mord“ an Zelimkhan Khangoshvili 2019 in Berlin oder die Ermordung Jamal Khashoggis 2018 in Istanbul ... Sie muten wie Relikte aus Zeiten des Kalten Krieges an und erinnern an die fiktiven Welten von James Bond, Jason Bourne oder John Le Carré. Die neue Welle von Geheimdienstmorden in Europa wirft zahlreiche Fragen auf: Sind die uns bekannten Fälle nur die Spitze des Eisbergs? Wer gerät ins Visier von Geheimdiensten, wer sind die Täter? Wie werden die Morde organisiert und was sind ihre Konsequenzen? Der ebenso erschreckende wie spannende Bericht des Geheimdienstexperten Christopher Nehring bringt Licht in eine mysteriöse Welt im Schatten der Mächtigen. Nehring rekonstruiert über 120 Fälle, vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart, und deckt die mörderische Seite der Geheimdienste vieler Nationen wie Russland, USA, Israel, Saudi-Arabien und Nordkorea auf. Dabei bringt er Verblüffendes zu Tage: zum Beispiel, dass die Welt der Geheimdienste ungeschriebenen Gesetzen unterliegt, dass Giftmorde von höchster symbolischer Bedeutung sind und Emotionen als Mordmotiv eine viel größere Rolle spielen, als man vermuten würde …(Verlagsinfo)

Christopher Nehring befasst und erzählt sehr plakativ und transparent von diesem Thema. Diese Ehrlichkeit birgt aber auch etwas Schreckliches, wenn man von Giftanschlägen liest, von Tötungsbefehlen, einer Desinformationskampagne, der medialen Zerstörung des Opfers, und das Schweigen und Lügen der verantwortlichen Regierungen, die diese Tötung im „legal“ in Auftrag gaben.

Russland ist einer dieser Staaten in denen die Ermordung von Journalisten, Regimegegnern, unangenehmen Oligarchen und abtrünnigen Agenten zum traditionellen, mörderischen und selbstverständlichen Prozess gehört. Das ist faktisch bewiesen. Und an dieser Stelle fragt man sich dann, warum haben wir die ganzen Jahre nichts dagegen unternommen? Der Autor beschreibt hinreichend, dass Geheimdienstmorde von der Regierung, dem amtierenden Staatsoberhaupt genehmigt, bzw. auch selbst angeordnet werden. Also lässt man in Mütterchen Russland gerne Regimekritiker und laute Journalisten endlich mundtot machen. Erschreckend, wenn man darüber näher nachdenkt.

Es ist ein kaltblütiges und paranoides Politikverständnis und es kommt noch schlimmer, wenn liest, warum und mit welcher Motivation der Geheimdienst mordet: Angst – Hass – Rache – dürften wohl die offensichtlichsten Argumente sein. Eine Psychologie des Mordens die verstört. Im Grunde lassen wir uns, als durch Emotionen dazu leiten jemanden ins Jenseits zu befördern.

Es ist spannend und informativ zu lesen und die Welt der Geheimdienste ist mit dem Kapital dann auch präsenter, aber auch wenig sympathischer. Der Mossad tötet aus Rache, die Amerikaner köpfen damit verantwortliche Personen, die sich dem Terror zugewendet haben und die Russen, na ja…die Morden einfach, weil sie ein Regime der Angst sind und Angst in die Köpfe der Menschen bringen wollen.

Besonders erschreckend sind die wortwörtlichen Dialoge, die sich herausreden, entschuldigen, argumentativ andeuten, oder schlichtweg Verräter als Dreckspack titulieren. Oder noch schlimmer – wir stellen das Mordopfer als Kriminellen dar, als Bestie, als Verbrecher usw. Diskreditierung par excellence.

Wer sich für das übergeordnete Thema also interessiert, wird hier spannend und informativ bedient. Kurzweilige Informationen – auf Fakten basierend, die kristallklar beschrieben wird. Es ist aber auch ein Titel, über deren Inhalt man dann nachdenkt, gerade darüber, dass es geduldet – selbstverständlich – und noch nicht einmal illegal ist.

Fazit

„Geheimdienstmorde“ von Christoper Nehring zeigt ein drastisches, offensives und ehrliches Bild der Geheimdienste, die mörderisch unterwegs ihre Ziele erreichen wollen. Der Leser springt hier über eine Klinge von Informationen, die erschreckend sind. Man hat es vermutet – doch die Wahrheit ist manchmal spannender als jede fiktive Geschichte. Sehr zu empfehlen.

Michael Sterzik

Sonntag, 4. Juli 2021

Die Spur des Bären - Martin Cruz Smith

 


Die Verfilmung des Bestsellers „Gorki Park“ von Martin Cruz Smith, katapultierte den Autor in einen höheren Bekanntheitsgrad. Die Hauptfigur des russischen Ermittlers Arkadi Renko wurde im Genre Thriller durchaus zu einer charismatischen Kultfigur. Spielte der Roman noch im Kalten Krieg der Großmächte so ging doch der Autor mit Arkadi Renko auf eine Reise durch die letzten fast schon vierzig Jahre – eine Reise der Sowjetunion durch verschiedene Krisen, durch eine prägende Entwicklung die nun in der Gegenwart angekommen ist. Martin Cruz Smith erzählt sehr bildgewaltig und vom Verfall der Sowjetunion und dem Aufbau einer russischen Weltmacht, die natürlich auch Wladimir Putin und seinen Staatsapparat kritisch zeigen.

Der vorliegende Roman ist der neunte Band der Arkadi-Renko-Reihe. Er kann als Einzelband gelesen werden, doch es wäre vorteilhaft, wenn man zuvor schon einige Bänder gelesen hat, und somit die Handlungen und Motive eines Arkadi Renkos verstehen kann. Auch seine charakterliche Entwicklung ist natürlich nicht in 40 Jahren stehengeblieben.

Der legendäre Moskauer Ermittler Arkadi Renko ist in größter Sorge um seine ehemalige Geliebte Tatjana. Die mutige Enthüllungsjournalistin ist nicht planmäßig aus Sibirien zurückgekehrt. Dort wollte sie den politischen Dissidenten Kusnezow porträtieren – einen charismatischen, aber auch skrupellosen Mann, der das ehrgeizige Ziel verfolgt, die Dauerherrschaft Putins zu brechen. Getrieben von bösen Vorahnungen, aber auch rasender Eifersucht, begibt sich Renko auf eine riskante Reise. Er merkt schnell, dass in der unwirtlichen, eisigen Natur Sibiriens ganz eigene Gesetze herrschen. Doch erst eine grausame Bärenjagd, von der er sich wichtige Insider-Informationen verspricht, führt ihm vor Augen, in welche gefährlichen politischen Fänge Tatjana geraten ist …(Verlagsinfo)

Interessant ist es das Martin Cruz Smith sich selbst treu bleibt und sich auf das politische, kulturelle und wirtschaftliche Russland konzentriert, mit all seinen Subthemen und Herausforderungen. Im Grunde ist es ein regimekritisches Buch, handelt es doch um Oligarchen, um einen politischen Dissidenten und mit der Figur der Journalisten Tatjana um die Pressefreiheit.

„Die Spur des Bären“ kommt auch ohne technischen Firlefanz aus, ohne Hightech deren sich die Ermittler bedienen können. Arkadi Renko ist anders – für ihn zählt der Faktor Mensch und dessen ausgesprochenen Talent Fehler zu begehen. Klassische Ermittlungsarbeit in einem autoritären System. Wie immer bringt sich aber Arkadi Renko in Lebensgefahr – Scharfschützen und wilde Bären hinterlassen durchaus psychische und physische Spuren bei dieser Figur.

Der Hauptteil der Geschichte spielt nicht in der Metropole Moskau – die natürlich prädestiniert wäre für politische, kulturelle und wirtschaftliche Ereignisse und Handlungen. Es geht recht fix in die Taiga – in einer Umgebung die grausam, schön und brutal gefährlich sein kann.

Die Stärken des Romans sind auch gerade die Dialoge, die innerhalb der spannenden Handlung fein geschliffen sind, besonders dann, wenn Arkadi Renko sich mit seiner typischen sarkastischen, ironischen Sprache Gehör verschafft. Es ist verwunderlich, dass er mit seiner spitzen Zunge überlebt hat, oder vielleicht auch gerade deswegen, weil er weiß wie er diese auch als intellektuelle Waffe einzusetzen vermag.  

„Die Spur des Bären“ ist ein spannender und kurzweiliger Thriller. Ausdrucksstark und so munter und frech mit seinen Dialogen, dass die Handlung eigentlich nur wie ein Nebendarsteller wirkt. Die Figuren des Romans sind aufgestellt wie auf einem Schachbrett, und die Nebenfiguren besitzen einen sehr intelligenten, vorwitzigen Charme.

Die Handlung weist auch Action Elemente auf und teilt sich gezielt immer wieder im Wechsel mit großartigen Dialogen die Bühne. Es gibt nichts zu kritisieren – vielleicht wäre es ggf. an der Zeit diese Reihe abzuschließen, denn Arkadi Renko ist als Figur nicht unsterblich und folgt man der Reihe – so hat natürlich sein Schöpfer Martin Cruz Smith mit seinem „Alter“ geschummelt.

Fazit

„Die Spur des Bären“ ist ein bärenstarker Kriminalroman. Grandios erzählt – mit viel Humor und einer spannenden Handlung, ist er absolut überzeugend. Klare Leseempfehlung.

Michael Sterzik