Die Meere wurden in der Vergangenheit immer wieder zum Schlachtfeld der mächtigen Seefahrernationen. Die Handelswege zwischen den Kontinenten waren für England, Frankreich und Spanien und ihre Kolonien von immenser Bedeutung. Seekriege wurden erbarmungslos geführt, ganze Flotten vernichtet und viele Inseln wechselten manchmal im Jahresrhythmus den Besitzer. Viele Piraten und Freibeuter trieben ihr Unwesen auf den bekannten Seewegen. Meist waren es ehemalige Soldaten, die ihren Idealismus längst verloren hatten, der Kriegsdienst war für Matrosen und Soldaten nicht nur lebensgefährlich, sondern immer wieder auch die Hölle - nicht zuletzt durch die Kapitäne dieser Schiffe, die wie Götter mit eiserner Hand über dieses schwimmende Reich herrschten.
Aus dieser Zeit sind legendäre Seefahrergestalten hervorgegangen, die in Literatur und Film thematisiert wurden. In dem vorliegenden Geschichtsband "Captain Nelson - Unter der Flagge des Königs von Mac P. Lorne" wird genau dieser Hortation Nelson eine Bühne gegeben und seine Lebensgeschichte erzählt.
Dieses Eintauchen in eine spannende Epoche zur Zeit der Napoleonischen Kriege ist dem Autor hervorragend gelungen. Dem Kapitän und späteren Vizeadmiral Horatio Nelson wird damit ein literarisches Denkmal gesetzt, wie es ohnehin schon überall auf den britischen Inseln Denkmäler und Bilder gibt.
Nelson wird nicht nur als der pflichtbewusste Offizier dargestellt, der er war. Er wird auch als eine fehlerhafte, aber nicht unsympathische Persönlichkeit dargestellt.
1784 erhält der junge Captain Horatio Nelson den Auftrag, das Handelsverbot zwischen den englischen Kolonien in Westindien und den abtrünnigen USA zu überwachen. Die verbotenen Geschäfte sind allerdings höchst lukrativ, weshalb der britische Gouverneur von Antigua beide Augen zudrückt. Bald hat sich der ebenso charismatische wie pflichtbewusste Nelson in der Karibik zahlreiche Feinde gemacht.
Es werden nicht die letzten sein: Als im Zuge der Französischen Revolution ein neuer Krieg mit Frankreich ausbricht, wird Nelson ins Mittelmeer entsandt. In Neapel soll er die Verbündeten Englands um Unterstützung bitten und lernt dabei die Liebe seines Lebens kennen: die schöne Emma Hamilton . Doch sie ist bereits die Frau des britischen Botschafters ...(Verlagsinfo)
Das Buch beginnt nicht mit der Geburt von Horatio Nelson, sondern mit seinem Kommando in den Gewässern von Antigua, wo der junge Kapitän die strikte Einhaltung des Navigation Act durchsetzen muss. Die in den Augen des britischen Empires abtrünnigen amerikanischen Provinzen durften keinen Handel mit den britischen Kolonien treiben. So schrieb es das britische Gesetz vor - doch zwischen Theorie und Praxis lagen noch viele Interessen und persönliche Motivationen, die das Gesetz eher als Richtlinie und damit etwas freier interpretierten.
Allein dieser Teil zeigt uns einen britischen Offizier - Captain Nelson - der pflichtbewusst und idealistisch sehr ehrgeizig seine Karriere vor Augen hatte und mit seinem Ego überall aneckte, nicht zuletzt bei seiner eigenen Admiralität, die ihn dann auch für fünf Jahre praktisch auf Eis legte.
Diese Charakteranalyse ist nicht nur spannend, sondern auch lehrreich und zeigt uns seinen ganz eigenen Führungsstil, der zwar hart und konsequent ist, aber dennoch zeigt, dass man auch „Mensch“ sein kann. Beliebt bei seinen Offizieren und Besatzungen - beneidet von anderen Kapitänen der Flotte - polarisiert er sehr.
Menschlich gesehen war der „Held“ eine Figur seiner Zeit. Natürlich erhoffte er sich durch eine Heirat sozialen Aufstieg, finanzielle Mittel und ein gutes Netzwerk für seine weitere Karriere. Über Umwege gelang es ihm auch, diese Ziele zu erreichen. Dass er auf seinen Seereisen die eine oder andere Geliebte in den Häfen hatte, ist zwar ein maritimes Klischee... passt aber zum Lebensstil dieser Männer, die unter Gefahr und auch Einsamkeit auf einem einfachen Schiff, wenig Liebe und Zuneigung erfuhren.
Mac P. Lorne entführt den Leser auch in wilde Seeschlachten. Der Schrecken, den die Seeleute und Soldaten erleben mussten, wird gut wiedergegeben. Der Autor erzählt auch von Ehrgefühl und Ritterlichkeit gegenüber Freund und Feind.
Die Geschichte ist absolut spannend, authentisch und lässt erahnen, wie es auf einem Kriegsschiff räumlich und atmosphärisch zuging.
Der Roman ist eine kleine Biographie des britischen Kriegshelden, die nicht nur seine (heldenhaften) Taten erklärt, sondern uns auch einen Einblick in seine interessante Persönlichkeit gibt.
Mac P. Lorne hat seinen bisher vielleicht besten Seekriegsroman geschrieben. Sein Stil, seine historische Genauigkeit, sein Spannungsaufbau werden immer besser, so dass ich mich schon sehr auf den zweiten Band dieser Reihe freue, der zugleich der letzte sein wird.
Fazit
Man hört, riecht und spürt die Atmosphäre auf dem Kriegsschiff. Beim Klabautermann - ein ganz starker historischer Roman.
Michael Sterzik