Wir alle kennen aus der Geschichte „Helden“, die sich im Krieg durchgesetzt haben. Die waghalsige, großartige Schlachten durch ihre Entscheidungen gewonnen haben. Ein Krieg fordert immer Opfer - Soldaten, Offiziere, Zivilisten - der Blutzoll ist immer zu hoch - aber es gibt auch Kämpfe, die man führen muss, um sein Land und seine Bevölkerung vor einem Aggressor zu schützen.
Kapitäne und Admiräle auf Kriegsschiffen entscheiden über Leben und Tod, jede Entscheidung hat Konsequenzen und kann Leben zerstören, aber auch retten. Sie sind Alleinherrscher, kleine Götter - ihr Wille ist Gesetz. Dass dabei Menschlichkeit, Moral und Ethik auf Kollisionskurs geraten können, liegt auf der Hand. In vielen, auch älteren Biographien wird der Mensch weniger geschildert, seine Taten werden zwar nicht immer glorifiziert, aber die Bandbreite der Wahrheit ist recht groß und manchmal zu eindimensional.
Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt - das stimmt fast. Und doch darf die Menschlichkeit gegenüber dem Feind nicht ausgeschaltet werden. Solche Befehlshaber nennt man dann „Helden“ - weil sie trotz aller Gewalt nicht vergessen haben, was es heißt, Mensch zu sein.
Mac P. Lorne hat in dieser Fortsetzung Großartiges geleistet, indem er Admiral Nelson als großen Führer, aber auch als sensiblen und fehlerhaften Menschen darstellt.
Während Horatio Nelson dank seines taktischen Geschicks der Flotte Napoleons eine vernichtende Niederlage zufügt, wird er selbst schwer verwundet. In Neapel wird der Konteradmiral mit allen Ehren gefeiert – und aufopferungsvoll von Emma Hamilton gesundgepflegt. Der unglücklich verheiratete Nelson verliert endgültig sein Herz an die Frau des britischen Botschafters, die er seit ihrer ersten Begegnung nicht vergessen konnte.
In Englands Oberschicht und am Königshof sorgt die skandalöse Liebesgeschichte dafür, dass Nelson in Ungnade fällt. Doch dem Vereinigten Königreich droht nach wie vor Gefahr, und es braucht seinen größten Seehelden bald mehr als je zuvor …(Verlagsinfo)
Wer sich mit der historischen Figur des Admirals Horatio Nelson beschäftigen möchte, dem seien diese beiden Bände von Mac P. Lorne empfohlen. Geschichte muss nicht nur nüchtern und sachlich ohne Emotionen erzählt werden, sie kann auch hervorragend unterhaltsam, spannend und informativ dargestellt werden. Mac P. Lorne beschreibt den Seehelden und Menschen - mit all seinen Siegen, aber auch seinen persönlichen, privaten Niederlagen und Herausforderungen.
Diese brillante Analyse Nelsons ist wunderbar gelungen und lässt uns an vielen überlieferten Dialogen zwischen Nelson und anderen Personen teilhaben. Mac P. Lorne nimmt sich viel Zeit und Raum, um Nelson auch als Mensch zu zeigen, und so zeigt er einen verletzlichen, arroganten und sich manchmal selbst überschätzenden Nelson auf privater Ebene. Fakt ist - Nelson polarisierte, er war ein eigensinniger Charakter, der sich nicht viel und nicht gerne befehlen ließ. Anweisungen und Befehle waren für ihn wohl manchmal nur akzeptierte und variable Richtlinien.
Was wäre wohl aus Nelson geworden, wenn er nicht so ein großartiger Stratege und Taktiker auf dem Schlachtfeld der Meere gewesen wäre? Um es kurz zu machen - nicht gut! Sein Privatleben, seine Liebe zu Lady Hamilton, war am Hof des Königs, in der Admiralität und auch in der Gesellschaft ein offener Skandal, der ihn ohne seine Erfolge und seine guten Beziehungen zu seinen Vorgesetzten ohne Frage ins gesellschaftliche Abseits gestellt hätte.
Die beschriebenen Seeschlachten werden von Mac. P. Lorne konsequent und kompromisslos erzählt. Die Festungen aus Eichenholz und die Männer aus Stahl, die sie führten, wurden zum Sarg für viele Menschen, für viele Nationen. Es gab kein Entkommen, wenn Kanonenkugeln Decks und Menschen zerfetzten - Überleben war oft Glückssache, eine Laune des Schicksals. Nach der Schlacht erwiesen sich diese Festungen als Schlachthäuser für Sieger und Verlierer.
Mac P. Loren beschreibt in beiden Bänden auch die Menschlichkeit, die sich in der Schlacht zeigen kann, und zeigt Nelson und auch seine Offiziere als Führungspersönlichkeiten, die genau wussten, dass ohne die Mannschaft, für die sie sich verantwortlich fühlten, keine Schlacht zu gewinnen war.
Nelsons Privatleben - die Beziehung zu seiner Frau und seiner Geliebten Lady Hamilton - wird ausführlich dargestellt und vertieft seinen Charakter. Manche seiner Entscheidungen sind selbst für Freunde und Vorgesetzte schwer nachvollziehbar - aber wie heißt es so schön: Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt.
Im letzten Teil des Romans wechselt auch die Erzählperspektive und Napoleon selbst kommt zu Wort. Der kleine Korse nimmt nun die Rolle des Bad Boy ein - der seine imperialistischen Wünsche auf dem Meeresgrund verwirklicht sieht.
„Admiral Nelson - Unter Englands Flagge“ ist eine der besten und spannendsten Biografien, die ich bisher gelesen habe. Spannend, unterhaltsam, vielseitig und perfekt recherchiert ist diese historische Reihe ein Muss, wenn man sich ohnehin für Seekriege und die napoleonische Zeit interessiert.
Fazit
Die Geschichte Nelsons hat die faszinierende Durchschlagskraft einer Kanonenkugel. Militärgeschichte und menschliche Entscheidungen - Karriere und Privatleben eines großen Mannes, der nicht unfehlbar war, aber gerade deshalb so faszinierend auf uns wirkt. Unbedingte Leseempfehlung.
Michael Sterzik