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Sonntag, 14. August 2016

Unter dem Banner des Kreuzes - Astrid Fritz

Die Kreuzzüge sind immer wieder Thema von historischen Romanen. Im Gleichklang fallen dann Namen und Orte wie zum Beispiel: König Richard Löwenherz. Saladin, Jerusalem, der Heilige Gral usw. Nach mehreren verlustreichen Kreuzzügen, die faktisch als verloren und unsinnig feststehen, waren die Königshäuser Europas, der Adel und die einfachen Ritter eher unmotiviert, noch einmal das Kreuz zu nehmen und nach der Maxime „Gott will es so“ gen Jerusalem zu reisen. Die wenigen Menschen, die von den Kreuzzügen zurückkehrten, waren traumatisiert und wollten nichts mehr von Gottes Willen und dem großherzigen Erlassen von Sünden hören.

Nach diesen desaströsen Verlusten und einer Ernüchterung ging die Kirche in Rom davon aus, dass das Grab Christi nicht mit Waffengewalt zurückerobert werden kann.

Im Jahre 1212 sammelten sich um den einfach Hirtenjungen Nikolaus Hunderte von Kindern, Jugendliche und jungen Erwachsenen. Ihm  sei ein Engel erschienen, der ihm aufgefordert haben sollte, dass Heilige Grab von den ungläubigen Sarazenen zu befreien.

Die in Stuttgart lebende Autorin Astrid Fritz erzählt in ihrem aktuellen Roman: „Unter dem Banner des Kreuzes“ die Geschichte des Kinderkreuzzuges.  In Freiburg schließen sich mehrere, verzweifelte Jugendliche, darunter auch die 17-jährige Anna den Heerscharen junger Leute an, deren Ziel ist, das heilige Jerusalem zu befreien. Unter fröhlichen Gesang biblischer Lieder und Gebeten zieht der Kreuzzug gen Mittelmeer. Hier so prophezeit der junge idealische Führer Nikolaus, dass sich das Meer vor den frommen  Pilgern teilen soll und diese der Weg ins Gelobte Land sei.

Als Mensch im 21. Jahrhundert ist man oftmals sprachlos, wenn man von solcher Naivität und blinden Glauben liest. Zu fremd und schwer nachvollziehbar lassen sich die Gedankengänge und Motivationen der Pilger begreiflich machen. Doch die Menschen im 13 Jahrhundert, insbesondere die arme Bevölkerung, hatte neben einem festen Glauben, einen gehörigen Respekt, gar Angst vor der Hölle und dem Fegefeuer. Gerade die sozial schwachen Menschen, die Ausgegrenzten, hilflosen und bettelarmen – für sie waren solch prophetische Aussagen und Parolen Gottes Gesetz. Sie glaubten daran, dass Gott ihre Sünden durch einen Kreuzzug erließ und sie ins paradiesische Himmelreich führte. So weit, so verklärt gut.

Die Autorin beschreibt sehr eindrucksvoll, welche Gefahren und Entbehrungen, diese „Kinder“ eingingen. Ohne viel Proviant, oder Kleidung zum wechseln, ohne Decken und Vorräte einzig allein geführt durch ihren festen Glauben machte sie sich auf. Auch wenn vielerorts die Menschen in Städten und Dörfern die Pilger durch Essen und Unterkunft unterstützten, so ist es nachvollziehbar, dass solche eine Reise mit Opfern zu beklagen ist. Hunger, Krankheiten, Unfälle – es müssen viele gestorben sein. Die historischen Quellen alleine geben allerdings nicht viel Auskunft über diese Unternehmung.

„Unter dem Banner des Kreuzes“ erzählt von dem Aufbruch, der Reise und der Rückkehr der Kinder, denn natürlich weiß ein jeder, dass das Meer sich nicht geteilt hat. Genua war also das Ende dieser kindlichen Expedition ins Gelobte Land.

Astrid Fritz erzählt die Handlung aus der Perspektive einer kleinen Gruppe aus Freiburg. Einige Kinder, ein Knappe und Beschützer von Nikolaus und Konrad, ein angehender Priester mit deutlich kritisierender und mahnender Stimme sind die Hauptfiguren des Romans.

Astrid Fritz erzählt sehr deutlich und vor allem eindringlich, dass es Menschen gab, die dieser Unternehmung mehr wie kritisch gegenüberstanden, viele hielten die Kinderschar für verrückt, beschimpften Ihren „göttlichen“ Führer und forderten sie auf, schnellsten umzukehren.

„Unter dem Banner des Kreuzes“ ist kein Kreuzzugroman, in dem viel gekämpft und getötet wird. Hier gibt es nur sehr wenige Kapitel in der zum „Schwert“ gegriffen wird, und bekanntlich kommt man dann ja um. Doch die Autorin deutet den Leser recht schnell darauf hin, dass Wörter zu „Waffen“ werden können. Die Handlung konzentriert sich auf die situativen Entscheidungen der kleinen Gruppe, um Hilfs- und Opferbereitschaft und nicht zuletzt dem Eingeständnis: Zum Teufel, was haben wir nur getan!?

Ohne wilden Aktionismus, verfügt der Roma über eine dichte Atmosphäre, die sensibel und kristallklar aufgebaut ist. Der Leser pilgert quasi in der Handlung mit und fiebert, wer denn wohl dieses Kapitel von „The Walking Dead“ überlebt.

Fazit

„Unter dem Banner des Kreuzes“ ist ein anderer, aber ein besonderer Kreuzzugroman. Ohne viel Krach und Gewalt – aber mit viel Leid und Nächstenliebe erzählt Astrid Fritz von einer großen Katastrophe mit kleinen Menschen.

Die Autorin gibt diesem Roman viel individuelle Tiefe mit. Die historische Quellenlage ist sprichwörtlich schon versiegt. Feinfühlig, wie die Autorin es schon in ihren letzten Romanen gezeigt hat, ist „Unter dem Banner des Kreuzes“ ein kleiner Aufschrei und ein kluger Fingerzeig, nicht allen Parolen und Befehlen religiöser Fanatiker Folge zu leisten. Ein Buch für stille Stunden – aber mit nachhaltiger Stimme. Bravo.

Michael Sterzik