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Freitag, 10. Dezember 2021

Die Mission des Kreuzritters - Ulf Schiewe


Das Heilige Land – die Kreuzzüge in denen Fürsten, Ritter, Soldaten und einfache Menschen den Aufruf der Kirche „Gott will es so“ folgten und kämpften. Unzählig viele ließen ihr Leben im gelobten Land. Die Operation „Heiliges Grab“ versprach neben dem Sündenerlass, viel Macht und Einfluss und die Gier nach irdischen Reichtümern ließen das Gewissen und Gottes Gebote ignorieren. Juden, Moslems und Christen – drei Religionen, deren Menschen nicht in Frieden leben konnten – eine große Schuld trugen die Kreuzfahrer. Von der katholischen Kirche sanktioniert, wurde der Kampf um Jerusalem erbittert geführt. So entstanden viele kleinere und größere Kreuzfahrerstaaten und damit viele Krisenherde. Die Grenze zwischen einem Kaltem Krieg und immer wieder aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen war mitunter fließend.

Es entstanden einige geistliche Ritterorden – einer der berühmtesten war der Templerorden. Die „Arme Ritterschaft Christi“ war einflussreich, und „Reich“ im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre Kämpfer kamen aus ganz Europa, einfache Ritter, adelige – desillusionierte Menschen, die danach strebten, Gottes Werk auf Erden zu schaffen, indem sie Pilger schützen, sich aber auch sehr aktiv an Kriegen beteiligten. Als großartige und fähige Kämpfer waren sie gefürchtet, aber auch bei Feinden respektiert. Doch sie waren nicht nur im Outremer ansässig, sondern auch in vielen Städten, die militärisch, politisch und wirtschaftlich von beträchtlicher Bedeutung waren.

Der Münchner Autor Ulf Schiewe hat in seinen mittelalterlichen Romanen  - „Der Bastard von Tolosa“, „Die Hure Babylon“ u.a. diese Thematik höchst spannend und absolut unterhaltsam aufleben lassen. Diese Titel gehören mit zu den besten, historischen Romanen in diesem Genre.

Nun schlägt der erfolgreiche Autor mit seinem neuesten Roman „Die Mission des Kreuzritters“ eine Brücke zu seinen früheren Romanen.

Jerusalem, 1129. Als älteste Tochter des Königs soll Melisende einst die Krone erben und über das Heilige Land herrschen. Den von ihrem Vater ausgesuchten Bräutigam lehnt die eigenwillige junge Frau jedoch vehement ab. Heimlich verlässt sie mit einer Eskorte die Stadt. Doch sie kommt nicht weit. Ihre Reisegruppe wird überfallen, ihre Wache getötet, sie selbst als Geisel verschleppt. Um sie zu retten, schickt König Baudouin den Tempelritter Raol de Montalban aus. Bald merkt er: Gefahr droht von mehr als einer Seite ...(Verlagsinfo)

Ulf Schiewes schriftstellerisches Talent offenbart sich in genau diesen Romanen, in denen er uns das Mittelalter und das untergeordnete Thema der Kreuzzüge so bildgewaltig, detailreich und spannend erzählt. „Die Mission des Kreuzritters“ unterscheidet sich dennoch von den anderen Titeln dieser Reihe. Er ist weniger actionreich konzipiert – aber verliert zu keinem Zeitpunkt seinen Unterhaltungswert.

Der Konflikt zwischen den Kreuzfahrerstaaten, und zwar in seiner politischen und militärischen Brisanz ist der Fokus. Als Faustpfand fungiert die historisch verbürgte Melisande – die Prinzessin des Königs von Jerusalem. Ein „wahrer“ Schatz – aber ein intelligenter, abenteuerlicher Charakter, der sehr selbstbewusst nach Emanzipation schreit und wenig Interesse hat, sich einen Ehemann unterzuordnen.

Ulf Schiewe geht insgesamt sehr kritisch ins Gericht mit dem (Un)Sinn der Kreuzzüge. Die Dialoge sind großartig wenn Raol de Montalban vom Töten und sterben spricht und sich selbst sehr kritisch dabei reflektiert. Ulf Schiewe bewertet hier aber keine Religion und befindet sich weiterhin diesbezüglich auf einer neutralen Ebene – doch die Botschaft ist unmissverständlich und unüberhörbar.

Die Entführung und Rettung von Melisande hat historisch nicht stattgefunden. Ulf Schiewe nutzt diese fiktiven Situationen, um seine Erzählung zu positionieren. Die Spannung findet man also nicht nur bei Schwertkämpfen wieder, die gibt es auch – doch die Konzentration verlagert sich eindeutig auf tolle, inhaltlich informative Dialoge, die auch sehr sensibel, feinfühlig und tiefgründig sind. Und in der vertrauten Atmosphäre erzählt der Tempelritter auch von zu Hause, der Motivation sich dem Orden anzuschließen, seinen Glauben an Gott und die Sehnsucht nach seiner eigentlichen Familie in Europa.

Die „Liebe“ ist hier neben den beiden Protagonisten auch ein Hauptdarsteller. Aber wie wir alle wissen, offenbart sich die Liebe auch zu einem Vater, zu einer Schwester, seinem Land, seiner Vergangenheit und vieles mehr. Die Liebe ist halt die Antwort auf (viele) alle Fragen. Ein philosophisches Ambiente ist hier allgegenwärtig.

„Die Mission des Kreuzritters“, erzählt vom Suchen und Finden seiner eigenen Bestimmung. Vom Mut auszubrechen, vor Traditionen wegzurennen, sich selbst zu begegnen und um vielleicht sein Schicksal anzuerkennen.

Für alle Action-Junkies ist gesorgt, und auch für die romantisch veranlagte Zielgruppe gibt es Herz-Schmerz-Passagen. Allerdings und das ist wichtig, wirkt nichts davon deplatziert, überzeichnet, oder verfängt sich in Klischees. Historische Personen kommen natürlich auch vor, und Ulf Schiewe geht darauf souverän in seinem Nachwort darauf ein.

Die Charaktere sind besonders stark und zugleich schwach entworfen. Wobei genau das ihre Stärke ist – die menschliche Fehlbarkeit und den Willen sich und ggf. auch andere zu verändern. Nicht zu jedem Preis, aber mit vollem Einsatz.

Fazit

Ein großartiges Buch – dass neben der Spannung auch philosophische und moralische Vorstellungen vermittelt. In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. Ein (un)kriegerischer Roman, der liebevoll beschreibt, was wichtig ist.

Michael Sterzik

Sonntag, 14. August 2016

Unter dem Banner des Kreuzes - Astrid Fritz

Die Kreuzzüge sind immer wieder Thema von historischen Romanen. Im Gleichklang fallen dann Namen und Orte wie zum Beispiel: König Richard Löwenherz. Saladin, Jerusalem, der Heilige Gral usw. Nach mehreren verlustreichen Kreuzzügen, die faktisch als verloren und unsinnig feststehen, waren die Königshäuser Europas, der Adel und die einfachen Ritter eher unmotiviert, noch einmal das Kreuz zu nehmen und nach der Maxime „Gott will es so“ gen Jerusalem zu reisen. Die wenigen Menschen, die von den Kreuzzügen zurückkehrten, waren traumatisiert und wollten nichts mehr von Gottes Willen und dem großherzigen Erlassen von Sünden hören.

Nach diesen desaströsen Verlusten und einer Ernüchterung ging die Kirche in Rom davon aus, dass das Grab Christi nicht mit Waffengewalt zurückerobert werden kann.

Im Jahre 1212 sammelten sich um den einfach Hirtenjungen Nikolaus Hunderte von Kindern, Jugendliche und jungen Erwachsenen. Ihm  sei ein Engel erschienen, der ihm aufgefordert haben sollte, dass Heilige Grab von den ungläubigen Sarazenen zu befreien.

Die in Stuttgart lebende Autorin Astrid Fritz erzählt in ihrem aktuellen Roman: „Unter dem Banner des Kreuzes“ die Geschichte des Kinderkreuzzuges.  In Freiburg schließen sich mehrere, verzweifelte Jugendliche, darunter auch die 17-jährige Anna den Heerscharen junger Leute an, deren Ziel ist, das heilige Jerusalem zu befreien. Unter fröhlichen Gesang biblischer Lieder und Gebeten zieht der Kreuzzug gen Mittelmeer. Hier so prophezeit der junge idealische Führer Nikolaus, dass sich das Meer vor den frommen  Pilgern teilen soll und diese der Weg ins Gelobte Land sei.

Als Mensch im 21. Jahrhundert ist man oftmals sprachlos, wenn man von solcher Naivität und blinden Glauben liest. Zu fremd und schwer nachvollziehbar lassen sich die Gedankengänge und Motivationen der Pilger begreiflich machen. Doch die Menschen im 13 Jahrhundert, insbesondere die arme Bevölkerung, hatte neben einem festen Glauben, einen gehörigen Respekt, gar Angst vor der Hölle und dem Fegefeuer. Gerade die sozial schwachen Menschen, die Ausgegrenzten, hilflosen und bettelarmen – für sie waren solch prophetische Aussagen und Parolen Gottes Gesetz. Sie glaubten daran, dass Gott ihre Sünden durch einen Kreuzzug erließ und sie ins paradiesische Himmelreich führte. So weit, so verklärt gut.

Die Autorin beschreibt sehr eindrucksvoll, welche Gefahren und Entbehrungen, diese „Kinder“ eingingen. Ohne viel Proviant, oder Kleidung zum wechseln, ohne Decken und Vorräte einzig allein geführt durch ihren festen Glauben machte sie sich auf. Auch wenn vielerorts die Menschen in Städten und Dörfern die Pilger durch Essen und Unterkunft unterstützten, so ist es nachvollziehbar, dass solche eine Reise mit Opfern zu beklagen ist. Hunger, Krankheiten, Unfälle – es müssen viele gestorben sein. Die historischen Quellen alleine geben allerdings nicht viel Auskunft über diese Unternehmung.

„Unter dem Banner des Kreuzes“ erzählt von dem Aufbruch, der Reise und der Rückkehr der Kinder, denn natürlich weiß ein jeder, dass das Meer sich nicht geteilt hat. Genua war also das Ende dieser kindlichen Expedition ins Gelobte Land.

Astrid Fritz erzählt die Handlung aus der Perspektive einer kleinen Gruppe aus Freiburg. Einige Kinder, ein Knappe und Beschützer von Nikolaus und Konrad, ein angehender Priester mit deutlich kritisierender und mahnender Stimme sind die Hauptfiguren des Romans.

Astrid Fritz erzählt sehr deutlich und vor allem eindringlich, dass es Menschen gab, die dieser Unternehmung mehr wie kritisch gegenüberstanden, viele hielten die Kinderschar für verrückt, beschimpften Ihren „göttlichen“ Führer und forderten sie auf, schnellsten umzukehren.

„Unter dem Banner des Kreuzes“ ist kein Kreuzzugroman, in dem viel gekämpft und getötet wird. Hier gibt es nur sehr wenige Kapitel in der zum „Schwert“ gegriffen wird, und bekanntlich kommt man dann ja um. Doch die Autorin deutet den Leser recht schnell darauf hin, dass Wörter zu „Waffen“ werden können. Die Handlung konzentriert sich auf die situativen Entscheidungen der kleinen Gruppe, um Hilfs- und Opferbereitschaft und nicht zuletzt dem Eingeständnis: Zum Teufel, was haben wir nur getan!?

Ohne wilden Aktionismus, verfügt der Roma über eine dichte Atmosphäre, die sensibel und kristallklar aufgebaut ist. Der Leser pilgert quasi in der Handlung mit und fiebert, wer denn wohl dieses Kapitel von „The Walking Dead“ überlebt.

Fazit

„Unter dem Banner des Kreuzes“ ist ein anderer, aber ein besonderer Kreuzzugroman. Ohne viel Krach und Gewalt – aber mit viel Leid und Nächstenliebe erzählt Astrid Fritz von einer großen Katastrophe mit kleinen Menschen.

Die Autorin gibt diesem Roman viel individuelle Tiefe mit. Die historische Quellenlage ist sprichwörtlich schon versiegt. Feinfühlig, wie die Autorin es schon in ihren letzten Romanen gezeigt hat, ist „Unter dem Banner des Kreuzes“ ein kleiner Aufschrei und ein kluger Fingerzeig, nicht allen Parolen und Befehlen religiöser Fanatiker Folge zu leisten. Ein Buch für stille Stunden – aber mit nachhaltiger Stimme. Bravo.

Michael Sterzik