Das Heilige Land – die Kreuzzüge in denen Fürsten, Ritter, Soldaten und einfache Menschen den Aufruf der Kirche „Gott will es so“ folgten und kämpften. Unzählig viele ließen ihr Leben im gelobten Land. Die Operation „Heiliges Grab“ versprach neben dem Sündenerlass, viel Macht und Einfluss und die Gier nach irdischen Reichtümern ließen das Gewissen und Gottes Gebote ignorieren. Juden, Moslems und Christen – drei Religionen, deren Menschen nicht in Frieden leben konnten – eine große Schuld trugen die Kreuzfahrer. Von der katholischen Kirche sanktioniert, wurde der Kampf um Jerusalem erbittert geführt. So entstanden viele kleinere und größere Kreuzfahrerstaaten und damit viele Krisenherde. Die Grenze zwischen einem Kaltem Krieg und immer wieder aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen war mitunter fließend.
Es entstanden einige geistliche Ritterorden – einer der
berühmtesten war der Templerorden. Die „Arme Ritterschaft Christi“ war
einflussreich, und „Reich“ im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre Kämpfer kamen aus
ganz Europa, einfache Ritter, adelige – desillusionierte Menschen, die danach
strebten, Gottes Werk auf Erden zu schaffen, indem sie Pilger schützen, sich
aber auch sehr aktiv an Kriegen beteiligten. Als großartige und fähige Kämpfer
waren sie gefürchtet, aber auch bei Feinden respektiert. Doch sie waren nicht
nur im Outremer ansässig, sondern auch in vielen Städten, die militärisch,
politisch und wirtschaftlich von beträchtlicher Bedeutung waren.
Der Münchner Autor Ulf Schiewe hat in seinen
mittelalterlichen Romanen - „Der Bastard
von Tolosa“, „Die Hure Babylon“ u.a. diese Thematik höchst spannend und absolut
unterhaltsam aufleben lassen. Diese Titel gehören mit zu den besten,
historischen Romanen in diesem Genre.
Nun schlägt der erfolgreiche Autor mit seinem neuesten
Roman „Die Mission des Kreuzritters“ eine Brücke zu seinen früheren Romanen.
Jerusalem, 1129. Als älteste Tochter des Königs soll
Melisende einst die Krone erben und über das Heilige Land herrschen. Den von
ihrem Vater ausgesuchten Bräutigam lehnt die eigenwillige junge Frau jedoch
vehement ab. Heimlich verlässt sie mit einer Eskorte die Stadt. Doch sie kommt
nicht weit. Ihre Reisegruppe wird überfallen, ihre Wache getötet, sie selbst
als Geisel verschleppt. Um sie zu retten, schickt König Baudouin den
Tempelritter Raol de Montalban aus. Bald merkt er: Gefahr droht von mehr als
einer Seite ...(Verlagsinfo)
Ulf Schiewes schriftstellerisches Talent offenbart sich
in genau diesen Romanen, in denen er uns das Mittelalter und das untergeordnete
Thema der Kreuzzüge so bildgewaltig, detailreich und spannend erzählt. „Die
Mission des Kreuzritters“ unterscheidet sich dennoch von den anderen Titeln
dieser Reihe. Er ist weniger actionreich konzipiert – aber verliert zu keinem
Zeitpunkt seinen Unterhaltungswert.
Der Konflikt zwischen den Kreuzfahrerstaaten, und zwar in
seiner politischen und militärischen Brisanz ist der Fokus. Als Faustpfand
fungiert die historisch verbürgte Melisande – die Prinzessin des Königs von
Jerusalem. Ein „wahrer“ Schatz – aber ein intelligenter, abenteuerlicher
Charakter, der sehr selbstbewusst nach Emanzipation schreit und wenig Interesse
hat, sich einen Ehemann unterzuordnen.
Ulf Schiewe geht insgesamt sehr kritisch ins Gericht mit
dem (Un)Sinn der Kreuzzüge. Die Dialoge sind großartig wenn Raol de Montalban
vom Töten und sterben spricht und sich selbst sehr kritisch dabei reflektiert.
Ulf Schiewe bewertet hier aber keine Religion und befindet sich weiterhin
diesbezüglich auf einer neutralen Ebene – doch die Botschaft ist
unmissverständlich und unüberhörbar.
Die Entführung und Rettung von Melisande hat historisch
nicht stattgefunden. Ulf Schiewe nutzt diese fiktiven Situationen, um seine
Erzählung zu positionieren. Die Spannung findet man also nicht nur bei
Schwertkämpfen wieder, die gibt es auch – doch die Konzentration verlagert sich
eindeutig auf tolle, inhaltlich informative Dialoge, die auch sehr sensibel,
feinfühlig und tiefgründig sind. Und in der vertrauten Atmosphäre erzählt der
Tempelritter auch von zu Hause, der Motivation sich dem Orden anzuschließen,
seinen Glauben an Gott und die Sehnsucht nach seiner eigentlichen Familie in
Europa.
Die „Liebe“ ist hier neben den beiden Protagonisten auch
ein Hauptdarsteller. Aber wie wir alle wissen, offenbart sich die Liebe auch zu
einem Vater, zu einer Schwester, seinem Land, seiner Vergangenheit und vieles
mehr. Die Liebe ist halt die Antwort auf (viele) alle Fragen. Ein
philosophisches Ambiente ist hier allgegenwärtig.
„Die Mission des Kreuzritters“, erzählt vom Suchen und
Finden seiner eigenen Bestimmung. Vom Mut auszubrechen, vor Traditionen
wegzurennen, sich selbst zu begegnen und um vielleicht sein Schicksal
anzuerkennen.
Für alle Action-Junkies ist gesorgt, und auch für die
romantisch veranlagte Zielgruppe gibt es Herz-Schmerz-Passagen. Allerdings und
das ist wichtig, wirkt nichts davon deplatziert, überzeichnet, oder verfängt
sich in Klischees. Historische Personen kommen natürlich auch vor, und Ulf
Schiewe geht darauf souverän in seinem Nachwort darauf ein.
Die Charaktere sind besonders stark und zugleich schwach
entworfen. Wobei genau das ihre Stärke ist – die menschliche Fehlbarkeit und
den Willen sich und ggf. auch andere zu verändern. Nicht zu jedem Preis, aber
mit vollem Einsatz.
Fazit
Ein großartiges Buch – dass neben der Spannung auch
philosophische und moralische Vorstellungen vermittelt. In der Liebe und im
Krieg ist alles erlaubt. Ein (un)kriegerischer Roman, der liebevoll beschreibt,
was wichtig ist.
Michael Sterzik