Sonntag, 11. Juni 2017

Odins Söhne - Harald Gilbers

Haralds Gilbers lässt seinen charismatischen, jüdischen Kommissar Oppenheimer in „Odins Söhne“ zum zweiten Mal nach dem Titel „Germania“ auftreten.
Der Zweite Weltkrieg neigt sich dem Ende zu. Die alliierten Truppen stehen vor oder auch schon innerhalb der Grenzen des „Dritten Reiches“. Die Gewalt und Willkür auch auf Seiten des Nazi Regimes schlagen sich in dumpfe und verzweifelte Handlungen nieder. Die Bombardements der Alliierten hat die Luftwaffe des deutschen Regimes nichts mehr entgegenzusetzen und in den Städten, so auch in Berlin werden die letzten Reserven, an älteren Männern, Kindern und Jugendlichen vorbereitet, sich an der letzten, entscheidenden Schlacht zu beteiligen. Kanonenfutter, allemal dafür da wenige Minuten, oder Stunden zu gewinnen, damit sich die Nazi-Größen der Politik auf Rattenlinien flüchten können. 
Längst schon sprechen die zermürbten Berliner, nicht mehr vom Endsieg, sondern von einer Befreiung. Sie haben es spät verstanden, viel zu spät und müssen nun, bedingt durch den verzweifelten Terror des Regimes unter anderem einen hohen, manchmal persönlichen Preis zahlen. Diese Menschen, die offen, oder auch versteckt die Lage und den Führer kritisieren, gelten als Feinde, Verräter, Defätisten, die durch die Volks- und Gerichtshöfe schnellstmöglich zum Tode in Plötzensee verurteilt werden.
Der ehemalige Kommissar Richard Oppenheimer, der zudem als Jude durch die Heirat mit Lisa, einer deutschen Lehrerin geschützt war, ist nun untergetaucht. Eine alte Freundin, Hilde von Strachwitz, eine regimekritische Ärztin soll ihren Mann umgebracht haben. Oppenheim beginnt zu ermitteln und stößt auf eine Gruppe von arischen Verschwörern...
Harald Gilbers Roman „Odins Söhne“ ist augenscheinlich ein Krimi mit inzwischen historischen Elementen. Doch der Krimi, geht mit den Schilderungen, des täglichen Grauens unter. Der Autor erzählt verdammt realistisch, in einer düsteren Atmosphäre von den letzten Kriegsmonaten im zerstörten Berlin. Harald Gilbers beeindruckt durch die Beschreibungen der Bombardements Berlin und die Stunden darauf, einen Schrecken, der uns begreifen lässt, welches Grauen unsere Ur-Großväter und Mütter erleiden mussten. Trotz alledem versuchen die Berliner, den Mut nicht zu verlieren. Ein Alltagsleben im Krieg – so bizarr und eigentlich unmöglich zu begreifen.
Genau diese Erzählungen lassen beim Leser einen bleibenden Eindruck. Es ist für uns nicht einfach zu begreifen, wie ein ganzes Volk sprichwörtlich versagen konnte. Das Tragische an dieser Entwicklung ist allerdings, dass der Schrecken, der totale Krieg, nun in einer totalen Zerstörung mündete. Dass die Verantwortlichen dieses desaströsen politischen und militärischen Regimes, sich feige versteckten und ihre Flucht planten, ist abgrundtief verachtenswert.
Harald Gilbers der mit dem Ehemann Hildegards von Strachwitz die Figur eines kriminellen und menschenverachtenden KZ Arztes in Spiel bringt, trägt ebenfalls maßgeblich dazu bei, das Grauen noch eine Nuance zu steigern. Der Autor beschreibt einige Beispiele von medizinischen Versuchen an KZ Häftlingen, u.a. auch Kindern.
Krimi oder historischer Roman? Der zentrale Dreh- und Angelpunkt sind die historischen Elemente, die den Kriminalfall und damit auch einen großen Teil der Protagonisten verdrängen. Harald Gilbers hat einen großartigen Roman verfasst, allerdings dabei ggf. auch nicht gewollt, den roten Faden einfach mal total verloren.
Manchmal bleibt dadurch die Spannung etwas auf der Strecke, doch das atmosphärische Grauen beeinflusst und prägt die gesamte Handlung.

Inzwischen gibt es mit dem Titel „Endzeit“ den dritten Titel und dieser spielt in den letzten Tages des Krieges, und den ersten Tagen einer neuen Epoche.

Die Figur des Richard Oppenheimer ist interessant, vielschichtig und sie kann sich noch entwickeln. Ich bin gespannt, welche Ansatz der Autor Harald Gilber nun in einem vierten Teil gehen wird.

Michael Sterzik




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