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Skandinavien ist ja
inzwischen bekannt für seine gegenwärtige, mordsmäßige Kriminalliteratur. Jo
Nesbo gehört dem literarisch-kriminalistischen Hochadel an. Warum wir so gerne
Thriller und Krimis aus Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen lesen ist
noch nicht abschließend gelöst. Doch Indizien sprechen dafür, dass uns die
Autoren aus den skandinavischen Ländern mit ihrem Schreibstil, der mitunter
eine muntere psychologische Note bedient, absolut überzeugen.
Jo Nesbo lässt seine
Kultfigur im zwölften Band der Harry-Hole-Reihe – „Messer“ leiden. Wer
Hauptkommissar Harry Hole schon aus anderen Bänden kennt, weiß dass dieser ein
brillanter Ermittler ist, aber privat immer auf dem „Road to Nowhere –Trip“
unterwegs. Sein Kompass ist immer mal wieder auf „Selbstzerstörung“
ausgerichtet und „Glück“ und „Liebe“ erkennt er zwar, aber flüchtet kurze Zeit
wieder mit seinem Freund „Jim Beam“ in seinen von Alkohol getränkten
Gedankenpalast. Angst vor Enttäuschung, vor sich selbst, vor zu viel Nähe
lassen sein Privat- und Berufsleben immer vollständig kollabieren.
Kommissar Harry Hole ist am Boden. Seine Ehe und seine
Karriere hat er aufs Spiel gesetzt. Und verloren. Nach einer durchzechten Nacht
erwacht er ohne jede Erinnerung. Seine Kleidung ist voller Blut. Und nun
beginnt für ihn der wahre Albtraum. (Verlagsinfo)
Ist Harry Hole ein Mörder?!
Er hatte schon einige Black-outs – doch ist in dieser Nacht alles eskaliert?
Hatte sich der Polizist und Mensch nicht mehr unter Kontrolle?
Harry Holes privater und
beruflicher Kosmos ist ein Katastrophengebiet. Alte Feinde tauchen auf, alte
Freunde drängen sich in den Mittelpunkt seines Ground Zero. Doch wer möchte
helfen und wer will alles zerstören? Aus welchen Gründen überhaupt, aber da
gibt es ja sowieso eine ganze Menge an Kandidaten. Harry Hole ist ein Einzelgänger,
weder diplomatisch, noch mit sozialer Empathie versehen. Brillant analytischer
Geist, aber der Körper leider auch völlig labil.
Der zwölfte Band der Reihe
ist mitunter einer der persönlichsten. Es gibt einige Nebengeschichten, die im
Grunde aber auch keine sind – sondern später ineinander fließen. Die
Erzählperspektive konzentriert sich nicht nur auf Harry Hole, sondern auch auf
viele andere Protagonisten und darüber offenbart sich dann die Spannung. Als
Leser vermutet man mal dieses und mal welches, aber so abgefahren komplex eine
Story mit Szenen, Situationen und Informationen aufzubauen, nur um dieses
Konstrukt mit einem Knall explodieren zu lassen – dazu gehört schon einiges. Als
Navigator eine Katastrophe – als Spannungsgarant ein Meister.
Jo Nesbo lässt uns auch einen
Blick auf die menschliche norwegische
Kulturlandschaft werfen. Getrunken wird ja gerne mal – gesellig in Pups, bei
Musik die Harry Hole aussucht. Auch norwegische Soldaten, die in Afghanistan
und dem Irak schreckliches erlebt haben, können posttraumatische Erinnerungen
vorweisen und geben Beschützerinstinkte einen völlig neuen Auftritt.
Spannend ist die Story
allemal. Harry Hole ist ein Überlebenskünstler, der allerdings in dieser Story
psychisch und physisch an seine Grenzen kommt. Selbst Schuld könnte man hier
sagen, aber gerade die Schwäche des Ermittlers, lässt Sympathien zu. Wissen wir
doch am Ende, dass Harry Hole es wahrscheinlich überleben wird – klar, ein paar
neue Narben kommen dazu, doch letztlich hat Harry Hole professionell alles im
Griff.
Harry Hole ist auch nicht
gerade zartbesaitet. Wenn er töten muss, dann ist dem so. Auch in „Messer“ ist
das so – doch er wechselt hier auch immer mal die Lager – mal Opfer – mal
Täter. Dabei zeigt sich auch, dass Harry Hole „Eiskalt“ sein kann und Menschen
orchestriert steuert.
Nach den Ereignissen in
„Messer“ wird sich das (Über)Leben von Harry Hole völlig ändern. Welche
Richtung bleibt ein Geheimnis. Es wird ein neuer Lebensabschnitt sein – ein
„Messer“ ist sozusagen der Auslöser für diesen schmerzhaften „Schnitt“.
Neben Harry Hole begegnen
uns wie gesagt noch einige Figuren aus den letzten Bänden. Doch auch alte
Weggefährten tragen Geheimnisse, Traumas durch sein und ihr Leben. Man fühlt
sich wie familiär gut aufgenommen, abgesehen von der einen, oder anderen
Leichen im Keller.
Fazit
Jo Nesbo geht in „Messer“
aufs Ganze. Auf „Messers“ Schneide tanzen alte Feinde und neue Freunde. Nicht
jeder überlebt diese Abgründe. So und genauso muss ein Thriller sein.
Überraschend! Grandios – Pageturner.
Michael Sterzik
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