Freitag, 20. September 2019

Messer - Jo Nesbo


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Skandinavien ist ja inzwischen bekannt für seine gegenwärtige, mordsmäßige Kriminalliteratur. Jo Nesbo gehört dem literarisch-kriminalistischen Hochadel an. Warum wir so gerne Thriller und Krimis aus Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen lesen ist noch nicht abschließend gelöst. Doch Indizien sprechen dafür, dass uns die Autoren aus den skandinavischen Ländern mit ihrem Schreibstil, der mitunter eine muntere psychologische Note bedient, absolut überzeugen.

Jo Nesbo lässt seine Kultfigur im zwölften Band der Harry-Hole-Reihe – „Messer“ leiden. Wer Hauptkommissar Harry Hole schon aus anderen Bänden kennt, weiß dass dieser ein brillanter Ermittler ist, aber privat immer auf dem „Road to Nowhere –Trip“ unterwegs. Sein Kompass ist immer mal wieder auf „Selbstzerstörung“ ausgerichtet und „Glück“ und „Liebe“ erkennt er zwar, aber flüchtet kurze Zeit wieder mit seinem Freund „Jim Beam“ in seinen von Alkohol getränkten Gedankenpalast. Angst vor Enttäuschung, vor sich selbst, vor zu viel Nähe lassen sein Privat- und Berufsleben immer vollständig kollabieren.  

Kommissar Harry Hole ist am Boden. Seine Ehe und seine Karriere hat er aufs Spiel gesetzt. Und verloren. Nach einer durchzechten Nacht erwacht er ohne jede Erinnerung. Seine Kleidung ist voller Blut. Und nun beginnt für ihn der wahre Albtraum. (Verlagsinfo)

Ist Harry Hole ein Mörder?! Er hatte schon einige Black-outs – doch ist in dieser Nacht alles eskaliert? Hatte sich der Polizist und Mensch nicht mehr unter Kontrolle?

Harry Holes privater und beruflicher Kosmos ist ein Katastrophengebiet. Alte Feinde tauchen auf, alte Freunde drängen sich in den Mittelpunkt seines Ground Zero. Doch wer möchte helfen und wer will alles zerstören? Aus welchen Gründen überhaupt, aber da gibt es ja sowieso eine ganze Menge an Kandidaten. Harry Hole ist ein Einzelgänger, weder diplomatisch, noch mit sozialer Empathie versehen. Brillant analytischer Geist, aber der Körper leider auch völlig labil.

Der zwölfte Band der Reihe ist mitunter einer der persönlichsten. Es gibt einige Nebengeschichten, die im Grunde aber auch keine sind – sondern später ineinander fließen. Die Erzählperspektive konzentriert sich nicht nur auf Harry Hole, sondern auch auf viele andere Protagonisten und darüber offenbart sich dann die Spannung. Als Leser vermutet man mal dieses und mal welches, aber so abgefahren komplex eine Story mit Szenen, Situationen und Informationen aufzubauen, nur um dieses Konstrukt mit einem Knall explodieren zu lassen – dazu gehört schon einiges. Als Navigator eine Katastrophe – als Spannungsgarant ein Meister.

Jo Nesbo lässt uns auch einen Blick auf die  menschliche norwegische Kulturlandschaft werfen. Getrunken wird ja gerne mal – gesellig in Pups, bei Musik die Harry Hole aussucht. Auch norwegische Soldaten, die in Afghanistan und dem Irak schreckliches erlebt haben, können posttraumatische Erinnerungen vorweisen und geben Beschützerinstinkte einen völlig neuen Auftritt.

Spannend ist die Story allemal. Harry Hole ist ein Überlebenskünstler, der allerdings in dieser Story psychisch und physisch an seine Grenzen kommt. Selbst Schuld könnte man hier sagen, aber gerade die Schwäche des Ermittlers, lässt Sympathien zu. Wissen wir doch am Ende, dass Harry Hole es wahrscheinlich überleben wird – klar, ein paar neue Narben kommen dazu, doch letztlich hat Harry Hole professionell alles im Griff.


Harry Hole ist auch nicht gerade zartbesaitet. Wenn er töten muss, dann ist dem so. Auch in „Messer“ ist das so – doch er wechselt hier auch immer mal die Lager – mal Opfer – mal Täter. Dabei zeigt sich auch, dass Harry Hole „Eiskalt“ sein kann und Menschen orchestriert steuert.

Nach den Ereignissen in „Messer“ wird sich das (Über)Leben von Harry Hole völlig ändern. Welche Richtung bleibt ein Geheimnis. Es wird ein neuer Lebensabschnitt sein – ein „Messer“ ist sozusagen der Auslöser für diesen schmerzhaften „Schnitt“.

Neben Harry Hole begegnen uns wie gesagt noch einige Figuren aus den letzten Bänden. Doch auch alte Weggefährten tragen Geheimnisse, Traumas durch sein und ihr Leben. Man fühlt sich wie familiär gut aufgenommen, abgesehen von der einen, oder anderen Leichen im Keller.

Fazit

Jo Nesbo geht in „Messer“ aufs Ganze. Auf „Messers“ Schneide tanzen alte Feinde und neue Freunde. Nicht jeder überlebt diese Abgründe. So und genauso muss ein Thriller sein. Überraschend! Grandios – Pageturner.

Michael Sterzik




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