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Sonntag, 29. September 2019

Nichts wird Dir bleiben - Christian Kraus


Im Verlag Droemer ist soeben der Psychothriller „Nichts wird Dir bleiben“ von Christian Kraus veröffentlicht worden.

Der Psychoanalytiker Thomas Kern ist geschockt, als er den Freitod einer jungen Patientin mit ansehen muss, ohne eingreifen zu können, und er macht sich Vorwürfe, weil er der jungen Frau nicht helfen konnte. Doch es kommt noch schlimmer: Wenige Tage nach dem Selbstmord erhält er Besuch von der Polizei. Ihm wird vorgeworfen, das Mädchen missbraucht und so erst in den Tod getrieben zu haben. Auf seinem Computer finden sich scheinbar Beweise dafür. Thomas' Frau setzt ihn vor die Tür, Freunde und Kollegen wenden sich ab, seine Tochter Natascha will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Erst als Thomas herausfindet, dass Nataschas neuer Freund Mitglied in einer gefährlichen Sekte ist, ahnt er, welches perfide Netz sich da Stück für Stück um ihn zusammenzieht. Erst langsam wird ihm jedoch klar, vor welch finsterer Macht er seine Familie und sich beschützen muss. (Verlagsinfo)

Der Roman fasst viele Themen an: psychologische Manipulation, strategische Rufmordkampagnen, Rache, sektenähnliche Vereinigungen.

Alles in allem interessant. Der Roman ist auch durchweg spannend – aber allzu oberflächig erzählt. Das fängt bei allen Charakteren an, schließt sich dem Storytelling an, die Handlung weist viele logische Lücken auf  und wirkt dadurch nicht wirklich realistisch konzipiert. Schade eigentlich – denn der Grundtenor stimmt. Gerade die psychologische Manipulation erzählt der Autor Christian Kraus sehr gut und spannend, leider zu wenig. Ebenfalls bleibt die Schilderung und Erklärung dieser sektenähnlicher Vereinigung unter dem Radar – daraus hätte man viel mehr machen können, denn das Thema ist nicht nur interessant, sondern ggf. auch aktuell und spannend hochwertig formbar.

Es gibt auch wenige wendige Überraschungen, vieles kennt man schon aus anderen Titeln und viele Entwicklungen sind vorhersehbar.

Positiv gibt es zu sagen, dass der Autor ein wirkliches Talent hat, eine spannende Story zu konstruieren. Wenn der Roman deutlich „tiefer“ erzählt wäre, mit vielleicht 200 Seiten mehr an Hintergründen, charakterlichen Ausarbeitungen, sowie Rückblenden in die Vergangenheit – wäre der Roman sehr, sehr stark gewesen. Und in dem vorliegenden Roman: „Nichts wird bleiben“ zeigt sich das auch – gerade die Rückblicke in die Vergangenheit sind spannender erzählt, wie die in der Gegenwart geschilderten Ereignisse – aber auch hier „zu wenig“.

Der in Hamburg lebende Autor ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Es wäre vorteilhaft, hier einen literarischen Ansatz für einen wirklichen „Psychothriller“ zu finden. Das „Böse“ zeigt sich ja gerne in Maskerade – und die Bühne einer manipulierenden Sektenähnlichen Vereinigung birgt doch Stoff für eine ganze Reihe von verqueren, spannenden Ideen, die es zu erzählen gibt. Psychologische Ablenkungsmanöver, Fürsorgepflicht im Tarnanzug....ach, da fällt mir eine Menge ein.

Das Problem in diesem Roman ist nicht die Spannung, denn die ist ja gut positioniert. Es ist die Struktur der gesamten Geschichte und der Emotionen seiner Charaktere, die ebenfalls nur oberflächig gezeigt wurden.

Fazit

„Nichts wird Dir bleiben“ ist ein guter Thriller. Psychologisch gesehen noch im Wartezimmer der Praxis sitzend. Der Autor allerdings versteht es gut zu erzählen – nur bitte mit mehr Tiefgang.

Christian Kraus sollte man sich dennoch merken. Ich glaube, da wird es mit der Zeit, noch viele gute Romane geben. Schreiben kann er – Spannung kann er – auf in die tieferen Gewässer und Abgründe der menschlichen Psychologie. Trauen Sie es ruhig zu – Sie können das.

Michael Sterzik