Im Verlag Droemer ist soeben der Psychothriller
„Nichts wird Dir bleiben“ von Christian Kraus veröffentlicht worden.
Der Psychoanalytiker Thomas Kern ist geschockt, als er den
Freitod einer jungen Patientin mit ansehen muss, ohne eingreifen zu können, und
er macht sich Vorwürfe, weil er der jungen Frau nicht helfen konnte. Doch es
kommt noch schlimmer: Wenige Tage nach dem Selbstmord erhält er Besuch von der
Polizei. Ihm wird vorgeworfen, das Mädchen missbraucht und so erst in den Tod
getrieben zu haben. Auf seinem Computer finden sich scheinbar Beweise dafür.
Thomas' Frau setzt ihn vor die Tür, Freunde und Kollegen wenden sich ab, seine
Tochter Natascha will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Erst als Thomas herausfindet,
dass Nataschas neuer Freund Mitglied in einer gefährlichen Sekte ist, ahnt er,
welches perfide Netz sich da Stück für Stück um ihn zusammenzieht. Erst langsam
wird ihm jedoch klar, vor welch finsterer Macht er seine Familie und sich
beschützen muss. (Verlagsinfo)
Der Roman fasst viele Themen an: psychologische
Manipulation, strategische Rufmordkampagnen, Rache, sektenähnliche
Vereinigungen.
Alles in allem interessant. Der Roman ist auch
durchweg spannend – aber allzu oberflächig erzählt. Das fängt bei allen
Charakteren an, schließt sich dem Storytelling an, die Handlung weist viele
logische Lücken auf und wirkt dadurch
nicht wirklich realistisch konzipiert. Schade eigentlich – denn der Grundtenor
stimmt. Gerade die psychologische Manipulation erzählt der Autor Christian
Kraus sehr gut und spannend, leider zu wenig. Ebenfalls bleibt die Schilderung
und Erklärung dieser sektenähnlicher Vereinigung unter dem Radar – daraus hätte
man viel mehr machen können, denn das Thema ist nicht nur interessant, sondern
ggf. auch aktuell und spannend hochwertig formbar.
Es gibt auch wenige wendige Überraschungen,
vieles kennt man schon aus anderen Titeln und viele Entwicklungen sind
vorhersehbar.
Positiv gibt es zu sagen, dass der Autor ein
wirkliches Talent hat, eine spannende Story zu konstruieren. Wenn der Roman
deutlich „tiefer“ erzählt wäre, mit vielleicht 200 Seiten mehr an
Hintergründen, charakterlichen Ausarbeitungen, sowie Rückblenden in die
Vergangenheit – wäre der Roman sehr, sehr stark gewesen. Und in dem
vorliegenden Roman: „Nichts wird bleiben“ zeigt sich das auch – gerade die
Rückblicke in die Vergangenheit sind spannender erzählt, wie die in der
Gegenwart geschilderten Ereignisse – aber auch hier „zu wenig“.
Der in Hamburg lebende Autor ist Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie. Es wäre vorteilhaft, hier einen literarischen
Ansatz für einen wirklichen „Psychothriller“ zu finden. Das „Böse“ zeigt sich
ja gerne in Maskerade – und die Bühne einer manipulierenden Sektenähnlichen
Vereinigung birgt doch Stoff für eine ganze Reihe von verqueren, spannenden
Ideen, die es zu erzählen gibt. Psychologische Ablenkungsmanöver,
Fürsorgepflicht im Tarnanzug....ach, da fällt mir eine Menge ein.
Das Problem in diesem Roman ist nicht die
Spannung, denn die ist ja gut positioniert. Es ist die Struktur der gesamten
Geschichte und der Emotionen seiner Charaktere, die ebenfalls nur oberflächig
gezeigt wurden.
Fazit
„Nichts wird Dir bleiben“ ist ein guter
Thriller. Psychologisch gesehen noch im Wartezimmer der Praxis sitzend. Der
Autor allerdings versteht es gut zu erzählen – nur bitte mit mehr Tiefgang.
Christian Kraus sollte man sich dennoch merken.
Ich glaube, da wird es mit der Zeit, noch viele gute Romane geben. Schreiben
kann er – Spannung kann er – auf in die tieferen Gewässer und Abgründe der
menschlichen Psychologie. Trauen Sie es ruhig zu – Sie können das.
Michael Sterzik