Posts mit dem Label Der Schnitter und der Löwe werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Der Schnitter und der Löwe werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 9. Juli 2022

Der Schnitter und der Löwe - Toni Garber

 


Von 1618 bis 1648 verwüstete der Dreißigjährige Krieg weite Teil Deutschlands. Der Konflikt begann als Religionskrieg in Europa und endete schließlich als Krieg um verschiedene Territorien. Protestanten und die Katholische Liga kämpften verbissen um die Vorherrschaft auf dem Kontinent Europa. Das Heilige Römische Reich, wie auch die protestantische Union führten einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg. Ganze Städte und Dörfer wurden ausgelöscht, die Brutalität der marodierenden Söldner, die auch immer wieder die Seiten wechselten, kannte keine Grenzen.

Ein Menschenleben war in dieser Epoche nichts wert. Viele Menschen wurden in den Anfängen des Krieges geboren und starben inmitten dieser Zeit. Einen „Frieden“ kannten diese nicht. Das Sterben, die Angst, das Töten, der Verlust der Familie und Freunde wurden fester Bestandteil manchen kurzen Lebens. Der Dreißigjährige Krieg ist das Urtrauma der deutschen. Doch auch „ausländische“ Herrscher trachteten nach Macht und Einfluss: Schweden, Spanien, Österreich, Niederlande und Dänemark – verwandelten Europa in eine blutgetränkte Trümmerlandschaft.

Im vorliegenden historischen Roman „Der Schnitter und der Löwe“ kommt auch eine historische Figur vor: die des schwedischen Königs - Gustav ll. Adolf, auch genannt, der Löwe aus Mitternacht. Eine charismatische Figur – ein Anführer, der selbst auf dem Schlachtfeld unter seinen Soldaten kämpft. „Der Schnitter“ ist ein junger Mann, der einen „Dämon“ in sich trägt und vortrefflich mit seinem Sarazenenschwert auf dem Schlachtfeld einen Tanz des Todes aufführt. Respektiert und gefürchtet – vergisst er auf dem Schlachtfeld seine Menschlichkeit und verstümmelt und tötet schnell und effektiv. Erst nach der Schlacht – gelingt es seiner eigenen Persönlichkeit – wieder die Oberhand zu gewinnen. Zurückbleibt ein schwer traumatisierter junger Mann – der sich seiner Taten schämt, aber als Kind des Krieges nichts anderes kennt als die Gewalt.


Heiliges Römisches Reich, 1631
Man nennt ihn den Schnitter, weil er von einem Dämon besessen ist. Er ist jung und dennoch bereits eine Legende unter den Handwerkern des Todes. In den Wirren des Krieges ist der junge Söldner auf der Jagd nach einem Serienmörder, um zu beweisen, dass nicht sein Dämon die Schuld daran trägt. Könnte das Mädchen, das er liebt, das nächste Opfer sein? (Verlagsinfo)

Toni Garber, der sich literarisch in vielen Genres bewegt, konzentriert sich nun, mit seinem aktuellen Roman, auf den historischen Sektor. „Der Schnitter und der Löwe“ ist eine höchst temporeiche Geschichte, der die Leser inmitten des Dreißigjährigen Krieges katapultiert. Toni Garber erzeugt wenig Spannung in seinem Roman – primär interpretiert stehen hier die Grausamkeiten des Krieges im Fokus Es wird getötet, verstümmelt und gestorben – erzählerisch sehr detailreich und auch wenn diese Brutalität auf den Leser verstörend wirken sollte – die Realität des Lebens und Sterbens in diesem Vernichtungskrieg, diesen Schrecken kann man mit Worten wahrscheinlich nicht transportieren.

Dabei versteht es Toni Garber vortrefflich nicht nur vom Töten zu erzählen, sondern erzählen die Protagonisten von einem Leben vor dem Krieg, von zerstörten Familien, von Kleinigkeiten in „früheren“ Leben, an die sich die vernarbten Seelen der Mörder verzweifelt klammern. Es zeigt ein wenig die Menschlichkeit, die in diesem Konflikt faktisch nur wenig Raum eingenommen hat.

Unter Mördern einen „Mörder“ zu suchen und zu finden – ist in etwa so wie eine bestimmte Nadel im Nadelhaufen zu ermitteln. Dieser kleine Kriminalfall ist aber nicht der Mittelpunkt des Geschehens – sondern eher alte Rechnungen, Rache und Aufarbeitungen, die letztlich der Tod abschließt.

Der Roman mit einer Seitenstärke von knappen 300 Seiten lässt nicht viel Raum, um die Figuren eine erzählerische Tiefe zu geben. Schade – denn genug Potenzial wäre vorhanden. Die Hauptfiguren haben zwar Gelegenheit sich zu erklären, aber das gelingt nur sehr oberflächlich. Schade -denn Toni Garber hat großartiges Talent seinen Figuren eine „Seele“ zu geben und auch eine Geschichte zu erzählen, die perfekte Unterhaltung bietet. Es ist ein wenig so, als wäre „Der Schnitter und der Löwe“ ein erster Versuch – ein persönlicher Prototyp, um selbst zu ermitteln, ob er das Genre beherrscht. Toni Garber – sollte sich ruhig auf dieses Genre konzentrieren und sich weiter ausprobieren.

„Der Schnitter und der Löwe“ ist leider kurzweilig, aber verdammt gut und sehr, sehr unterhaltsam erzählt. In puncto erzählerische Qualität hält sich Toni Garber nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Seine bildhafte, kompromisslose und vor allem konsequente Sprache vom Töten, Sterben und (Über)leben zu schreiben, ist sehr gut.

Neben dem Tod – kommt auch die Liebe und Dramatik nicht zu kurz, wird aber im Schatten von Gewalt und Angst nicht romantisiert. „Der Schnitter und der Löwe“ ist als Einzelband gedacht – schade eigentlich, denn die Figuren würde ich gerne in weiteren Teilen sehen.

Probieren Sie sich bitte weiter aus, Herr Garber. Ihre Art uns inmitten einer Epoche zu werfen, die Europa geprägt hat, in einer Welt der Grausamkeiten, aber auch der Hoffnung, konnte mich gut überzeugen. Lassen Sie also den Schnitter und seine Freunde die Gelegenheit, sich noch mehr als „Mensch“ zu zeigen – mit allen Risiken und Nebenwirkungen.

Fazit

Ein kurzweiliger, aber sehr, sehr guter Roman – der beispiellos konzentriert den Dreißigjährigen Krieg präsentiert. Schnell – brutal – authentisch und hochunterhaltsam. Ein Roman den ich sehr, sehr empfehlen kann. Unbedingt lesen.

Michael Sterzik