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Mittwoch, 12. März 2025

Im Wind der Freiheit - Tanja Kinkel


Um 1830 waren die Rechte der Frauen außerordentlich eingeschränkt. Ihr Schicksal wurde ausschließlich von Männern bestimmt. Das Recht auf Bildung, auf ein selbstbestimmtes Leben, auf freie Meinungsäußerung, auf freie Berufswahl usw. - für uns heute in den Grundrechten verankert - mussten sich die Frauen damals erst erkämpfen. Und dieser Kampf war für Frauen wie Louise Otto, die unter anderem die Hauptrolle in diesem Roman spielt, mehr als schwierig. 

Politische, kulturelle und sozialkritische Themen wurden immer wieder torpediert, aber auch unterstützt, nicht zuletzt von Männern, deren intellektueller Zeitgeist zur Revolution beitrug. 

Louise Otto war zeitlebens Schriftstellerin, Vorkämpferin für Frauenrechte und später auch Gründerin und Leiterin von Frauenvereinen. 

Der vorliegende Roman “Im Wind der Freiheit“ von Tanja Kinkel greift diese Themen in einem informativen Roman auf.

1848: Die Menschen im Deutschen Bund erheben sich gegen die Macht der Fürsten und der Zensur. Während Deutschland die Morgendämmerung der Demokratie erlebt, finden in den Wirren der Zeit zwei ungleiche Frauen zueinander: Die arbeits- und mittellose Susanne, die sich auf einen gefährlichen Auftrag eingelassen hat – und die mutige Schriftstellerin und unbeirrbare Demokratin Louise Otto. Seite an Seite kämpfen sie für Freiheit und Selbstbestimmung in einer Revolution, die trotz ihres Scheiterns das Land für immer verändern wird. (Verlagsinfo)

Die Französische Revolution war einer der Funken, der diesen Sturm für die Gleichberechtigung der Frauen auslöste. Wir können uns heute nicht mehr vorstellen, wie die Arbeitsbedingungen in den Fabriken waren und welche Abhängigkeiten entstanden. Die Armut trieb viele Frauen in die Prostitution, ein Schicksal, das auch die zweite Hauptfigur Susanne erleidet, deren Weg sich mit dem von Louise Otto verbindet. 

„Der Wind der Freiheit“ ist leider nur ein spannender Luftzug. Der Unterhaltungswert ist eher spröde, die Atmosphäre leidenschaftslos erzählt. Die Emotionen der Frauen werden von der Autorin zwar beschrieben, aber zu nüchtern. 

Das Thema wird informativ und ausführlich erklärt, aber es gleicht eher einem mittelmäßigen Sachbuch mit vielen inhaltlichen Lücken. Man quält sich von Kapitel zu Kapitel durch das Buch, ohne mit den Personen oder dem Thema sympathisieren zu können.

Auch die Erzählweise ist zu eindimensional. Die Perspektive, die Ansichten und Ideale der dominanten Männerwelt werden kaum erzählt. Sie sind eigentlich die Bösen, bekommen aber keine Gelegenheit, sich zu positionieren. 

Die Recherchearbeit von Tanja Kinkel ist wie immer hervorragend, nur der Erzählstil hinkt deutlich hinterher. Auch vermisse ich ein Nachwort der Autorin. Wenn man ein so wichtiges, historisches Thema aufgreift - wo erklärt die Autorin dann Hintergründe etc. Es gibt nur ein kleines, überschaubares Quellenverzeichnis.

Fazit

Ein wichtiges Thema, leider ohne spannende Unterhaltung erzählt. Emotionslos, nüchtern - aber sachlich informativ. 

Wer sich für das Thema und die Hintergründe interessiert, dem empfehle ich ein Sachbuch.

Michael Sterzik

Sonntag, 5. November 2023

Der Jahrhundertcoup - Ein Clan auf dem Beutezug und die Jagd nach den Juwelen aus dem Grünen Gewölbe – Thomas Heise und Claas Meyer-Heuer

 


Es gibt kein perfektes Verbrechen – der Versuch z.B. den perfekten Raub oder Diebstahl durchzuführen, scheitert meistens an Details. Die Kriminaltechnik, die moderne Methodik setzt diesen Plänen und dem Aktionismus Grenzen auf. Kleinste Faserspuren, oder DNA, die man aus Hautschuppen, oder Haaren gewinnen kann, können eine Spur zu den Tätern legen. Aber nicht nur die Wissenschaft macht es Berufsverbrechern unheimlich schwer, meist scheitern diese an ihrer eigenen Überheblichkeit, kleinen Fehlern, kleinen Versäumnissen oder einfach schlichtweg an der Dummheit.

Das vorliegende Buch beschreibt den Einbruch und den Raub der Juwelen im Grünen Gewölbe. Kaltblütig, schnell, gut vorbereitet, wild durchgeführt, nachlässige Spuren hinterlassen – also weit weg davon als ein perfektes Verbrechen eingestuft zu werden.

Die Täter sind der Staatsanwaltschaft und der Polizei seit Jahren wohlbekannt. Ein arabischer Clan, der Berlin seit langem im Griff hat. Polizeibekannt sind viele Familienangehörige, zum Teil sind sie stolz auf ihre Taten. In den Datenbanken des BKA sind viele dieser Berufsverbrecher registriert. Sie haben im Laufe der Jahre aus ihren Fehlern gelernt, sie fühlen sich manchmal unangreifbar. Auch Verbrecher sind durch Gesetze geschützt, sie kennen diese Grauzonen, diese kleinen Lücken, die bewusst ausgenutzt werden.

Das Buch erzählt fast schon minutiös die Planung, die Durchführung des Raubes, die Ermittlungsarbeit und auch die Festnahme der Täter.

Der Raub des sächsischen Staatsschatzes aus dem Grünen Gewölbe in Dresden hielt Deutschland jahrelang in Atem. In der Nacht zum 25. November 2019 verschafften sich sechs schwarz gekleidete Männer Zutritt zu den Räumen des Dresdner Schlosses, schlugen mit Äxten auf die Vitrinen ein und entwendeten Schmuck im Versicherungswert von über hundert Millionen Euro. Die beiden SPIEGEL-Bestseller-Autoren Thomas Heise und Claas Meyer-Heuer sind wie gewohnt hautnah dran am Geschehen! Anhand exklusiver Einblicke in die Ermittlungsakten, zahlreicher Gespräche und Videoanalysen gelingt ihnen nicht nur die minutiöse Rekonstruktion eines Jahrhundertverbrechens. Sondern auch ein detailgenaues Portrait deutscher Polizeiarbeit, die am Ende (nur) zu einem Teilerfolg führt. Verurteilt werden fünf Mitglieder des Rammo-Clans, mit dem sich die Autoren schon seit Jahren beschäftigen. Dieser Fall steht exemplarisch für die um sich greifende Clankriminalität und zeigt eindrücklich, wo die Schwierigkeiten bei der Verfolgung der Verbrechen liegen. True Crime at its best, erzählt am spektakulärsten und dreistesten Einbruch in der Geschichte der Bundesrepublik.(Verlagsinfo)

„Der Jahrhundertcoup“ ist ein Sachbuch, aber liest sich wie ein sehr, sehr guter Kriminalroman. Das Leben erzählt doch die besten Geschichten. „True Crime“ wird hier in einer erzählerischen Perfektion umgesetzt. Es ist auch ein spannendes, informatives Zeitzeugnis geworden. Es zeugt auch von viel Respekt für die SOKO, die brillante Arbeit geleistet hat, um Sachsens Kunstschätze wiederzubekommen, auch wenn ein Teil noch immer verschwunden ist, und womöglich gar nicht mehr im Grünen Gewölbe zurückkehrt.

Die Täter wurden gefasst, durch eine Kettenreaktion von nachlässigen Fehlern. Sie wurden verurteilt, aber es wird den Verbrecherclan nicht aufhalten, weitere Straftaten zu begehen. Dieser kleine Erfolg hat aber auch einen nachhaltigen, üblen Beigeschmack. Die Clankriminalität unter Kontrolle zu bekommen ist wahrscheinlich unmögliche. Die Familie hält zusammen, die Geschäfte laufen weiter, trotz der juristischen Nadelstiche, die zwar schmerzen und dem Clan Geld kosten – aber nicht ihr Prestige kosten und inhaftierte Straftäter werden in diesem kriminellen Netzwerk schnell ersetzt.

„Der Jahrhundertcoup“ ist so spannend und wirft so viele Fragen auf, dass man einerseits entsetzt ist, andererseits motiviert es den Leser sich mit dieser Clankriminalität zu beschäftigen. Weiterhin stellen die Autoren zwischen den Zeilen die richtigen Fragen: „Wie kann man die Clankriminalität zerschlagen?“ Muss man Gesetze und staatliche Befugnisse ändern und erweitern? Schon längst bewegen sich diese Clans innerhalb der Wirtschaft: Korruption und Erpressung sind Werkzeuge, die die Strukturen der Clan schon lange einsetzen. Wie einflussreich diese sind, darüber lässt sich spekulieren. Aber das wäre ein Thema für einen nächsten Titel.

Fazit

„True Crime“ in Perfektion. Ein Juwel in diesem Genre. Sehr gut recherchiert, gute informative Umsetzung und stellt nachhaltig aufrüttelnde Fragen zu unserem Rechtssystem. Sehr zu empfehlen.

Michael Sterzik