Mit „Feindesopfer“ von Max Seeck, geht die Jessica Niemi – Reihe in den dritten Akt. Die beiden Vorgängerromane „Hexenjäger“ und „Teufelsnetz“ sind wahre Spannungsgaranten. Der finnische Autor Max Seeck überzeugte mit seinem individuellen Stil im Genre Thriller. Teils war die Story mystisch aufgebaut und die Konzeption der Protagonisten umfing ebenfalls eine Aura von Geheimnissen, bzw. verschiedenen Vergangenheiten mit versteckten Leichen im Keller.
In den beiden Titeln vor „Feindesopfer“ war die Handlung alleinig um die Kommissarin Jessica Niemi aufgebaut. Ihre Kollegen spielten zwar souverän ihre Karten aus, und bewegten sich sicher in der zweiten Reihe – doch im vorliegenden Roman dreht sich diese Rollenverteilung.
Auch geht es nun weniger mystisch – aber nicht weniger dramatischer. Ein solider Fall, der flankiert wird von Jessica Niemis posttraumatischen Erlebnissen.
Zettorberg, ein erfolgreicher Geschäftsmann, wird in seinem Haus in Helsinki tot aufgefunden. Er hatte zuvor harte Maßnahmen und Entlassungen angekündigt und sich so unzählige Feinde gemacht. Das Mordmotiv scheint klar, als Jusuf die Ermittlungen übernimmt. Der findet jedoch heraus, dass Zetterborg noch ganz andere Feinde hatte. Auf einem Foto, das man in seinem Haus findet, sind neben dem Ermordeten zwei Männer zu sehen, deren Gesichter vom Täter ausgekratzt wurden. Wer sind diese zwei Männer? Sind sie weitere Opfer? Jusufs Kollegin Jessica Niemi, noch geschwächt von ihrem psychischen Zusammenbruch, wird durch dieses Foto gezwungen, sich erneut den Dämonen der Vergangenheit zu stellen (Verlagsinfo)
Wie schon angedeutet, steht Jessica Niemi in „Feindesopfer“ nicht im Mittelpunkt der Story. Nicht mal unbedingt in der zweiten Reihe. Ihr spezieller Auftritt zeigt sich im überraschenden Finale und zeigt mal wieder ihr Talent für Details, für Spuren und Veränderungen, die ihre ermittelnden Kollegen nicht wahrnehmen. Ihre Kombinationsgabe erinnert sehr an „Sherlock Holmes“. Ebenfalls ihr Talent sich unmittelbar und fast schon selbstverständlich in Lebensgefahr zu bringen – sie ist und bleibt eine unberechenbare Soziopathin.
Genie und Wahnsinn – zeigt sich in ihrem Charakter nicht immer von der besten Seite. Als Kriminalbeamtin ist nicht tragbar – aber ihr Alleinstellungsmerkmal der Kombinationsgabe hebt ihren persona non grata -Status wieder auf.
Das die ehemaligen Nebenfiguren nun zu Hauptfiguren werden, ist von Max Seeck originell aufbereitet. Ihre charakterlichen Schwächen zeichnen sich im Team indessen als „Stärke“ aus. Ohne Kapitän Niemi schwimmen sie sich in den Untiefen eines komplexen Mordfalls, der sich munter multipliziert, frei. Dabei legt der Autor auch viel Wert darauf, ihre verletzliche private Seite zu zeigen. Diese Schaffung von Sympathie ist absolut authentisch und zeigt, dass Max Seeck sich nicht nur auf einen spannenden Kriminalfall konzentriert.
Der Kriminalfall offenbart sich als eine Tragödie mit viel Shakespeare-Potenzial. Wenn der Leser überraschende Wendungen erwartet, wird er tatsächlich überrascht sein – dass Max Seeck das mehr wie nachhaltig erfüllt. Es gibt nicht einen „Showdown“ es gibt gleich mehrere und jedes Mal, wenn man denkt, es ist alles aufgelöst – kommt eine weitere Aha-Szene um die Ecke und man steht erfreut sprachlos dar.
Leider ist diese Tragödie fast schon zu eindimensional beschrieben. Die Vergangenheit wird in Rückblenden aufgearbeitet, doch bleibt dieser Personenkreis in seiner geschlossenen Gegenwart-Vergangenheit unter sich. Schade – dass hätte der Story noch wesentlich mehr tiefe gegeben.
Ist diese Reihe nun beendet? Tja….eigentlich schon und ich hoffe, dass es schlussendlich auch so sein wird.
Fazit
„Feindesopfer“ ist der brillante Abschluss einer Reihe die einfallsreich, originell und anders ist. Max Seecks Romane sind ein Garant für spannende Unterhaltung. Allerdings habe ich das Gefühl, dass er noch nicht all sein Können ausgespielt hat.
Michael Sterzik