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Donnerstag, 13. Mai 2021

Ich will dir nah sein - Sarah Nisi


Die Wege der „Liebe“ können mitunter auch extrem dunkel sein. Wir haben alle schon Abweisung erlebt, eine gescheiterte Beziehung, dazu Liebeskummer, Selbstzweifel, ein unsägliches Gefühl völlig verloren sein. Doch wir überleben diesen Verlust und hier spielt auch die Zeit eine elementare Rolle. Doch mitunter hat der eine oder andere es auch schon erlebt, dass sich der Ex-Partner nicht so schnell abschütteln lassen will. Hartnäckig sucht dieser Kontakt, fordert Erklärungen, bittet nach einem Zeichen der Hoffnung – und manchmal wird daraus eine kriminelle Handlung wenn einem die aufgezwungene  „Nähe“ faktisch zu nah. Wir reden hier dann von „Stalking“. Psychologisch gesehen schwierig zu einzuordnen – ob dies schon krankhafte Züge hat, muss man individuell interpretieren. Die Beweggründe sind vielfältig – eine Antriebsfeder ist das Suchen nach Aufmerksamkeit, oder Kontrolle, aber auch das Streben nach Macht oder Rache können die Gründe für derartige Belästigungen sein.

Die Deutsch-Britin Sarah Nisi, in Hildesheim geboren, die aber in der Metropole London lebt, hat ihren ersten Roman im Verlag btb veröffentlicht: „Ich will Dir nah sein“.

Der Psychothriller gehört zu einem der besten Romane, die ich bisher in diesem Jahr gelesen habe. Als Debütroman außerordentlich brillant gelungen und sehr zu empfehlen.

London, Fundbüro des öffentlichen Nahverkehrs. Lester Sharp kümmert sich um herrenlose Fundsachen: Handys, Schlüssel, Portemonnaies – besonders gern um Kleidungsstücke und medizinische Gerätschaften. Er ist auch privat ein Sammler und Sonderling, der sich schwertut mit Frauen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Als er der jungen Erin begegnet, weiß er zunächst nicht, wie er sich verhalten soll – findet aber schon bald eine Möglichkeit, ihr nah zu sein. Näher, als es ihr lieb sein kann...(Verlagsinfo)

„Ich will Dir nah sein“ überzeugt aus vielerlei Gründen. Die tiefe Interpretierung der Charaktere ist perfekt im Einklang mit der Story absolut gelungen. Die Perspektive wird aus drei Perspektiven der Figuren erzählt. Der konzentrierte Fokus orientiert sich auf den Sonderling „Lester Sharp“ – der krankhafte Züge zeigt. Seine Motivation und sein Verständnis für den Begriff Liebe, das Interesse für eine Person und Zuneigung ist gleichbedeutend mit einer desillusionierten, zwanghaften Kontrolle.

Sarah Nisi erzählt die Besessenheit von Lester Sharp mit einer nachhaltigen Wucht, die erschreckt und morbide faszinierend ist. Der Realismus dieser Szenen, die das innerste Selbst von Lester und Erin zeigen ist unsagbar spannend – und zu keinem Zeitpunkt überzogen, oder nicht authentisch genug. Die Atmosphäre des Buches ist Sarah Nisi so intensiv gut gelungen, dass die Story den Leser völlig einfängt.

Die Story baut sich in einer Eskalationsspirale auf, die zwar nicht am Durchdrehen ist, aber zu einem Ende führt, dass man so nicht erwartet hätte. Auch wenn abschließend ein paar Fragen unbeantwortet bleiben, ist „Ich will Dir nah“ sein extrem faszinierend.

Psychologisch gesehen weiß die junge Autorin welche Knöpfe sie in den Köpfen der Leser drücken muss –aber vielen Dank für diese unterhaltsame, literarische Unterweisung.

Sarah Nisi wird sich mit diesem Roman ein gewisses Standing erarbeitet haben. Die Story ist originell, die Figuren brillant mit ihrem Zusammenspiel und den Dialogen lassen eine Geschichte entstehen, die erschreckend gut erzählt ist.

Sarah Nisis Debüt ist mehr wie gelungen und wir dürfen gespannt sein, aber auf die nächsten Romane der Autorin. Dieser vorliegende Roman gilt als inhaltlich abgeschlossen.

Fazit

„Ich will Dir nah sein“ von Sarah Nisi ist ein Pageturner, der unserer Psyche unheimlich nahkommt. Ganz starker Roman – der abgrundtiefe Ängste aufs Papier bringt und über eine hoch spannende Wucht verfügt. Prädikat: Einer der Thriller, die man in diesem Jahr lesen sollte.

Michael Sterzik


Sonntag, 12. Mai 2013

Der Nachtwandler - Sebastian Fitzek


Der Nachtwandler – Sebastian Fitzek

Verlagsinfo

In seiner Jugend litt Leon Nader an Schlafstörungen. Als Schlafwandler wurde er während seiner nächtlichen Ausflüge sogar gewalttätig und deswegen psychiatrisch behandelt. Eigentlich glaubte er geheilt zu sein – doch eines Tages, Jahre später, verschwindet Leons Frau unter unerklärlichen Umständen aus der gemeinsamen Wohnung. Ist seine Krankheit etwa wieder ausgebrochen? Um zu erfahren, wie er sich im Schlaf verhält, befestigt Leon eine bewegungsaktive Kamera an seiner Stirn – und als er am nächsten Morgen das Video ansieht, macht er eine Entdeckung, die die Grenzen seiner Vorstellungskraft sprengt: Sein nächtliches Ich steigt durch eine ihm völlig unbekannte Tür hinab in die Dunkelheit …

Kritik

„Der Nachtwandler“ – das neueste Werk von Sebastian Fitzek unterscheidet sich sehr von den etwas älteren Titeln des Autors wie z.B. „Der Augensammler“, „Der Augenjäger“, „Das Kind“ und viele weiteren.  

Wer von uns hat sich die Frage noch nicht gestellt? Was passiert, wenn ich schlafe? Was passiert mit mir und meiner unmittelbaren Umgebung und dem Menschen, den ich liebe und vertraue?

Der Schlaf ist der Bruder des Todes – so sagt man und in der Wissenschaft und Forschung stecken die Erkenntnisse rund um Schlaf und Traum noch immer in den Kindergartenschuhen. Führt unsere Seele eventuell in unseren Träumen ein ganz eigenes Leben? Losgelöst von allen Zwängen und Ängsten – was erleben wir im Alltag und verarbeiten es in einem Traum?!

Sebastian Fitzek katapultiert den Leser, von Anfang an in eine schier irreale Handlung. Das Tempo in der die Geschichte erzählt wird, hat eine Sogwirkung auf den Leser, allerdings könnte dieser auch in einem Strudel der unrealistischen und überzogenen Szenarien ertrinken. Sebastian Fitzeks Motto war bei diesem Roman anscheinend: Schneller, höher, weiter, weiter, weiter und überholte damit schnell die Charakterzeichnungen seiner Hauptakteure.

Mit Sicherheit mangelt es dem Roman nicht an Spannung, allerdings ist eine derartig überzogene Atmosphäre auch eher hinderlich, da dem Leser einfach keine Gelegenheit gegeben wird darüber nachzudenken, was er denn da gerade gelesen hat! Die Story entwickelt sich völlig abstrus und eskaliert in einer Auflösung, die unrealistischer gar nicht mehr sein kann. Dazu noch eine Menge an logischen Fehlern, die den Protagonisten Leon Nader auch nicht im besten Lichte dastehen lässt. Mehrfach hatte dieser einfach die Möglichkeit aus der Realität oder dem Traum zu flüchten. Purer Aktionismus nur, um der Spannung und dem Mysterium etwas mehr Nahrung zu geben, war hier der völlig falsche Ansatz.


Fazit

„Der Nachtwandler“ ist nicht zu empfehlen. Der Autor hat mit diesem Titel den Bogen überspannt und der Pfeil ist was weiß ich wo gelandet. Ich hoffe, dass der Autor in seinem nächsten Buch den Charakteren wieder mehr Raum gibt, um sich zu entfalten. Der Kern der Geschichte sollte die Figuren sein – und nicht nur eine halsbrecherische Handlung, die sich selbst später nicht mehr ernst genommen fühlt.

Auch einen zweiten Teil möchte ich an dieser Stelle eher nicht empfehlen. Was soll denn auch noch erzählt werden? Für mich gesehen hat sich der Autor mit „Der Nachtwandler“ keinen Gefallen getan. Ich hoffe doch, dass der Autor in seinem nächsten Band weniger Tempo, dafür mehr „Realität“ zulässt.

Michael Sterzik