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Samstag, 1. Juni 2024

Stay away from Gretchen - eine unmögliche Liebe. von Susanne Abel


Deutschland im Zweiten Weltkrieg - ein totaler Krieg, der auch unter der Zivilbevölkerung viele Opfer forderte. Bombenangriffe der Alliierten, Flucht und Vertreibung, aber auch Verfolgung und Vernichtung durch das totalitäre NS-System. Für viele Familien bedeutete die Nachkriegszeit den Aufbau einer völlig neuen Existenz. Hunger und Wohnungsnot, traumatisierte Soldaten, die ihre Erlebnisse aus der Kriegsgefangenschaft nicht verarbeiten konnten. Der lange Wiederaufbau für ein kleines Stück Glück. Die Entstehung der Bundesrepublik, aber auch in dieser Nachkriegszeit wurde das Thema soziale Ausgrenzung zu einer düsteren Grundstimmung in der Bevölkerung.

Susanne Abel greift in ihrem Roman viele Themen auf, deren Echo mit den Jahren zwar leiser geworden, aber noch lange nicht verstummt ist. „Stay away from Grechen - Eine unmögliche Liebe ist eine sehr einfühlsame und hoch emotionale Geschichte, die uns die Herausforderungen während und nach dem Zweiten Weltkrieg drastisch vor Augen führt.

Der bekannte Kölner Nachrichtenmoderator Tom Monderath macht sich Sorgen um seine 84-jährige Mutter Greta, die immer mehr vergisst. Als die Diagnose Demenz im Raum steht, ist Tom entsetzt. Bis die Krankheit seiner Mutter zu einem Geschenk wird: Erstmals erzählt Greta aus ihrem Leben – von ihrer Kindheit in Ostpreußen, den geliebten Großeltern, der Flucht vor den russischen Soldaten im eisigen Winter und ihrer Zeit im besetzten Heidelberg. Als Tom jedoch auf das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler Haut stößt, verstummt Greta. Zum ersten Mal beginnt Tom, sich eingehender mit der Vergangenheit seiner Mutter zu befassen. Nicht nur, um endlich ihre Traurigkeit zu verstehen. Es geht auch um sein eigenes Glück.(Verlagsinfo) 

Die Geschichte gliedert sich in einen Blick auf die Gegenwart, in der Tom Monderath und seine Mutter Gretchen sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. Diese Rückblenden spielen in der Zeit des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und in der Nachkriegszeit.

Im Mittelpunkt des Romans steht der Rassismus, der sich in diesem Werk in vielfältiger Weise manifestiert. Gretchens Liebe zu einem afroamerikanischen Soldaten in Heidelberg führt zu einem Kind. Gretchen wird als Ami-Flittchen und Negerhure beschimpft, verliert das Sorgerecht und ihre kleine Tochter wird als Adoptivkind in die USA "abgeschoben". Diese braunen Babys kamen tatsächlich in die USA, die deutsche Gesellschaft hatte wenig Platz und noch weniger Geduld für nicht arische Kinder. Es ist leider nicht zu glauben, aber es ist eine Tatsache.

Die Autorin geht aber noch weiter und erzählt auch vom Rassenhass, der den afroamerikanischen Soldaten auch in der Armee entgegenschlägt, aber auch von einer Freiheit im besetzten Deutschland. Sie werden zwar stigmatisiert, genießen aber in der Besatzungszone Freiheiten, die sie in den Vereinigten Staaten niemals hätten genießen können.

Auch die zum Zeitpunkt der Handlung aktuellen Themen wie die Flüchtlingspolitik, Angela Merkel und ihr Statement dazu, aber auch die Ablehnung von Menschen, die vertrieben wurden, greift Susanne gekonnt und stilsicher auf. Alles in allem handelt es sich um einen Roman, der sehr politische und gesellschaftliche Themen aufgreift - und das auf eine sehr einfühlsame und spannende Art und Weise. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz und sogar die Herausforderungen, die eine Demenz und die Alzheimer-Krankheit im Alter mit sich bringen, werden thematisiert. Die Herausforderungen, mit denen die Hauptfigur Tom Monderath konfrontiert wird, führen dazu, dass er sein bisheriges und zukünftiges Leben aus einer anderen Perspektive betrachtet und sich völlig neu aufstellt. So führt eine Krise am Ende doch noch zu etwas Gutem - auch wenn der Weg dorthin alles andere als einfach ist.

Ich bin überrascht und fasziniert von der Feinheit der Dialoge, die die Autorin in diesem Buch zu schildern vermag. Zwischen Drama und Selbstfindung erzählt Susanne Abel eine historische Geschichte mit Gegenwartsbezug, die man lesen muss.

Fazit

Jedes Kapitel geht unter die Haut - das Jonglieren mit vielen Emotionen wird von ihr so selbstverständlich und authentisch erzählt - dass man dieses Buch auf jeden Fall gelesen haben muss.


Michael Sterzik