Kinder können mitunter grausam sein, ihre Ehrlichkeit und ihre Naivität lassen dies entschuldigen. Auch weil sie gerade dabei sind „Grenzen“ zu erforschen – ihre eigenen, die ihrer Eltern und Angehörigen und natürlich auch ihren Freunden. Diese „Grenzerfahrungen“ verletzen alle – und die Kinder können deren Konsequenzen nur bedingt berechnen. Ganz anders verhält es sich mit den „Eltern“ – als erwachsene, schon von der Zeit und deren Erfahrungen geformte, intelligente Menschen – können sie die Konsequenzen ihrer Handlung gewissermaßen berechnen – doch Ur-Instinkte – das Beschützen ihrer Kinder, kann eine solche Dynamik entwickeln, dass diese einen emotionalen Tsunami auslöst.
Liebe ist leidenschaftlich – und die Liebe hat auch ihre
tödlichen Seiten. Im vorliegenden Roman : „Lügen können töten“ von Harriet Tyce
befasst sich die britische Autorin mit grausamen, aber mitunter realistischen
Liebesbeziehungen, die manipulativ, grausam und mörderisch sein können. Es
handelt sich nicht um die klassische Variante einer Liebesbeziehung einer Mann
und einer Frau – sondern um eine sehr destruktive Liebesform.
Sadie ist kürzlich in das alte, efeubewachsene Haus ihrer
verstorbenen Mutter in London gezogen. Ihre Tochter soll in der Stadt eine
exklusive Schule besuchen. Diese Eliteeinrichtung ist extrem begehrt, unter den
Schülern – und deren Eltern – herrscht Konkurrenz. Während Sadie versucht,
ihrer Tochter die Eingewöhnung möglichst leicht zu machen, will sie
gleichzeitig ihre Stelle als Anwältin in ihrer alten Kanzlei zurückbekommen.
Tatsächlich hat sie die Möglichkeit, den Angeklagten in einem skandalösen, lügendurchzogenen
Fall zu vertreten. Sie setzt sich für ihren Mandanten ein – fast schon zu sehr
– und läuft Gefahr, ihre professionelle Distanz zu verlieren. Und auch in ihrem
Privatleben durchschaut Sadie kaum noch, was Lüge und was Wahrheit ist. Doch
diese Erkenntnis kommt zu spät …(Verlagsinfo)
„Lügen können töten“ von Harriet Tyce ist zwar sehr
authentisch entworfen, doch eine wirklich kontinuierliche Handlung besitzt
dieser nicht. Die Handlung, bzw. die Botschaft, die die Autorin hier für die
Leser bereithält, ist völlig überladen von überflüssigen Szenen und Dialogen. Erst
im letzten Drittel des Romans steigt nicht nur die Unterhaltung, sondern man
findet auch einen Weg durch das Intellektes Dickicht der Autorin. Auf diesen
schwerfälligen Weg verpasst Harriet Tyce so manche Ausfahrt um die Handlung
aufleben zu lassen.
Eindimensional ist leider auch die Perspektive der
erzählenden Person „Sadie“ – die autark die Handlung beschreibt. Andere Personen
und deren Motive – nicht mal die der Tochter von Sadie, werden gar nicht
behandelt. Das ist mit einer der entschiedensten Kritikpunkte. Spannend wird es,
wenn die Konflikte der Mütter untereinander an die Oberfläche gelangen – diese
Atmosphäre ist nicht nur authentisch, sie ist geradezu erschreckend aufgesetzt.
Neben dieser Haupthandlung ist der Fall vor Gericht, den sie als Nebenanwältin
betreut spiegelbildlich überflüssig, nahezu ersichtlich.
Befasst man sich mit den Protagonisten, so sind diese überwiegend
überzeichnet. Es dreht sich alles um die Konfrontationen dieser Helikopter-Mütter,
deren Liebe so überaus krass beschrieben wird. Die Erwartungshaltung der Mütter
gegenüber ihren Töchtern ist krankhaft, auch aggressiv und vernichtend für alle
die nicht in ihr einfältiges Weltbild passen.
„Lügen können töten“ empfindet man, als ein Buch das
orientierungslos entworfen wurde. Insgesamt unterhaltsam – doch entsteht der
Eindruck das Harriet Tyce selbst nicht wusste, wohin sie will und was sie mit
dem Roman ausdrücken wollte.
Als Schriftstellerin hat sie durchaus Talent, wenn auch
hier die Struktur absolut vermisst wird.
Fazit
„Lügen können töten“ ist ein solider Thriller, der
unterhaltsam, aber wenig spannend ist. Eindimensionale Erzählung, viele Chancen,
die nicht genutzt wurden. Trotzdem hat die Autorin noch viel Potenzial – also warten
wir noch auf das was kommen mag.
Michael Sterzik