Die Hure Babylon – Ulf Schiewe
Sie sprachen vom himmlischen Frieden – und
riefen zum Kreuzzug auf. Sie mahnten zu Mäßigung und Keuschheit – und führten
ein Leben in Verworfenheit. Rom war die biblische Hure Babylon …
Südfrankreich im 12. Jahrhundert: Der junge
Edelmann Arnaut ist verzweifelt, denn wieder hat seine heimliche Geliebte, die
Vizegräfin Ermengarda von Narbonne, ihr Kind verloren – ein Fingerzeig des
Himmels? Arnaut will Buße tun und sich dem Kreuzzug ins Heilige Land
anschließen. Mit dem fränkischen Heer zieht er gen Osten und muss doch bald
erkennen, dass es weniger um Erlösung als um Macht und Eitelkeit der
Herrschenden geht, dass im Namen Gottes Verrat und unvorstellbare Greueltaten
begangen werden. Gefährliche Abenteuer warten auf ihn, Kampf, Intrigen – und so
manche Versuchung …(Verlagsinfo)
Kritik
Nach den beiden Titeln „Der Bastard von Tolosa“
und „Die Comtessa“ von dem Münchner Autor Ulf Schiewe, ist der vorliegende Band
„Die Hure Babylon“ nun der dritte historische Roman, den der Schriftsteller
veröffentlicht.
In dem Band „Die Hure Babylon“ trifft man auf
altbekannte Figuren aus den beiden Vorgängerromanen. Das Adelsgeschlecht der
Montalban bildet den engeren Kreis der beteiligten Personen. Auch Jaufré de
Montalban, der allerdings dem Winter seines Lebens entgegensieht, ist
anfänglich mit von der Partie. Ebenso spielt „Die Comtessa“ eine wesentliche
und nicht unbedeutende Rolle, schließlich ist sie die Person die den Enkel von
Jaufré, Arnaut de Montalban, den Kopf verdreht.
Arnaut de Montalban, geplagt von Schuldgefühlen
tritt in die zu großen Fußstapfen seines Großvaters und verlässt mit dem
fränkischen Heer unter Führung von König Louis und seiner Frau Eleonore von
Aquitanien das Land und begibt sich auf den Kreuzzug ins Heilige Land.
Ähnlich wie in „Der Bastard von Tolosa“ erzählt
Ulf Schiewe, eine dramatische Geschichte von Grausamkeiten im Namen Christis,
von persönlichen Machtkämpfen der Kirchenfürsten und der Bereicherung der adligen
Elite. Dass dabei die ideologischen Vorstellungen des jungen Ritters eine
gnadenlose Niederlage erleben ist brillant erzählt. Als einfach Ritter,
getrieben von der Vorstellung Buße zu tun, wird dieser in eine Welt von Betrug,
politischen Spielchen und brutaler Unmenschlichkeit gegenüber der
Zivilbevölkerung, katapultiert. Seine Welt gerät buchstäblich ins Wanken und
sein Glaube an Gott und der Kirche zerbricht, nicht nur zuletzt durch die
persönlichen Opfer und den Tod von Freunden und Kameraden.
Die Kreuzzüge, die die Europäischen Kaiser und
Könige geführt haben, sind ein dunkles und brutales Kapitel. Im Namen der
Kirche unter dem Zeichen des Kreuzes fanden Hunderttausende von Rittern,
Soldaten, aber auch Frauen und Kindern, die sich anschlossen, den Tod. Sicherlich
waren einige Kirchenfürsten verblendet von dem Gedanken, dass die Operation
„Heiliges Grab“ ein voller Erfolg werden könnte. Doch die Mehrheit des Adels
und der Kirche wusste sehr genau, dass es hier im Grunde nur um Einfluss, Macht
und wirtschaftliche Interessen ging. Diese Themen interpretiert und erzählt der
Autor derartig spannend und nachhaltig, dass jede Seite des Buches wertvoll
ist.
Neben der Spannung bietet der Roman gleich
mehrere hervorragende Geschichtsstunden und beschreibt eindrucksvoll, welche
verqueren Vorstellungen die Herrscher der damaligen Epoche doch hatten. Doch
Ulf Schiewe erzählt in „Die Hure Babylon“ auch von Freundschaft, Liebe und
Aufopferung. Er berichtet von Menschlichkeit und Akzeptanz und baut eine Brücke,
um auch zu zeigen, dass es durchaus Persönlichkeiten gegeben haben muss, die
Mitleid, Mitgefühl und wirkliche Ehre kannten. Alle Eigenschaften, die in einer
Welt voller Blut, Trauer und Leid einzigartige Oasen sein dürften.
Den Mittelpunkt dieses Romans bilden nicht nur
die gut eingebauten Actionszenen, sondern die große Stärke der Geschichte, sind
die Protagonisten. Aus der Perspektive von Arnaut erleben wir unglaubliche gut
erzählte Szenen, nicht nur spannende, das wäre zu einfach, sondern auch tief gehende
Dialoge, die abwechslungsreich und informativ eingebettet sind.
„Die Hure Babylon“ ist ein gut gewählter Titel
und interpretiert die Gräueltaten und Grausamkeiten der Kreuzzüge. Neben den
fiktiven Figuren des Romans gibt es eine ganze Reihe von historischen
Persönlichkeiten, auf die sich der Leser freuen kann. Das zeugt von sehr guter
und intensiver Recherche, die mich ebenso fasziniert hat wie die Story selbst.
Die Spannung der Geschichte ist allzu
gegenwärtig und Ulf Schiewe konzentriert sich dabei auf das Wesentliche, so
dass auch kleinere Nebengeschichten nicht übermäßig viel Raum einnehmen und
nicht vom eigentlichen Geschehen ablenken. Es gibt zwei Handlungsebenen, einmal
aus der Perspektive Arnauts und des Weiteren, aus der Sicht der Vizegräfin
Ermengarda von Narbonne.
„Die Hure Babylon“ von Ulf Schiewe ist kein
historisch verklärter Liebesroman. Sicherlich spielt die „Liebe“ an sich eine
Rolle, denn wie so oft, ist sie eine treibende Kraft, doch die Liebe wird hier
nicht nur über zwei sich liebende Charaktere interpretiert. Die Liebe hat viele
Gesichter, auch das zeigt uns der Autor.
Ebenso lässt der Autor seine Figuren leiden,
lernen und lieben und er scheut sich auch nicht davor, den einen oder anderen
sympathischen Charakter, quasi über die Klinge springen zu lassen.
Am Ende des Romans beweist der Autor seine
dramaturgische Stärke und überrascht sehr einfallsreich und abschließend durch
eine eindrucksvolle Szene.
Das ohnehin schon sehr positive Bild des Romans
wird perfekt abgerundet durch die Anmerkungen des Autors, ein Glossar und ein
ausführliches Personenverzeichnis der historischen Figuren.
Fazit
„Die Hure Babylon“ ist einer der intensivsten
und spannendsten Romane aus der Epoche der Kreuzzüge. Ulf Schiewe beweist
damit, dass es nicht darauf ankommt, viele historische Romane zu schreiben,
sondern durch Qualität zu überzeugen.
Eine authentische Atmosphäre und Spannung
sorgen für Unterhaltung auf höchstem Niveau.
„Die Hure Babylon“ – ein Roman zur Zeit der
Kreuzzüge ist Zeugnis und Mahnung, dass Religion ein Mittel der Macht ist und
über Ozeane der Zeit hinweg, die ganze Welt bis zum heutigen Zeitpunkt geprägt
hat.
Grandiose, spannende Momente inmitten von
Liebe, Leid und Kämpfen sind überzeugend dargestellt. Mehr davon Herr Schiewe.
Danke!
Michael Sterzik
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