Nach dem ersten Teil der
Wikingersaga um dem Norwegischen König Harald Hardrada ist nun auch der zweite
Teil: „Odins Blutraben“ von Ulf Schiewe im Münchner Verlag Knaur erschienen.
Erzählte der erste Roman
noch vom Fall seiner königlichen Familie und seiner Flucht ins Exil mit einigen
seiner Freunde und Krieger, ist nun Harald erwachsen geworden. Bei einem
Großfürsten der Rus erkämpfe sich der junge Wikingerfürst den Ruf eines
kompetenten Söldnerführers. Mitsamt seinen Nordmännern die außer dem
Kriegshandwerk nicht gelernt haben, wird dieser nach Kiew beordert. Die große
Stadt befindet sich in enormer Gefahr. Ansässige Steppenreiter, Tausende von
ihnen bedrohen die Region und die Stabilität des Reiches. Als der Großfürst
wenig später familiäre Bande mit Harald schließen möchte und ihm die Hand
seiner Tochter anbietet, treibt den jungen Mann die Gier, nach Reichtümern, ins
ferne Konstantinopel. Ebenfalls als
Söldner bekämpft er die Piraten und befriedet das Mittelmeer, doch seine
Vergangenheit holt ihn immer wieder ein, und als er als Spielfigur in die
Machtkämpfe um den Thron einbezogen wird, findet er sich in einer mörderischen
Schlangengrube wieder...
Der erste Teil der Trilogie
hatte seine inhaltlichen Schwächen – atmosphärisch überzeugte er mich nicht
unbedingt. Der zweite Teil ist neben seinem Hauptprotagonisten erwachsen
geworden. Starke positive Entwicklung, keine überzeichneten Charaktere mehr und
eine spannende Atmosphäre die nicht abfällt, sondern anhält. Auch wenn der
Dreh- und Angelpunkt natürlich der spätere König Harald ist – so ist er seinen
frechen Flegeljahren entwachsen und stellt sich seinen Herausforderungen. Ein
selbstbewusster starker Anführer einer kleinen, aber effektiven Armee von
Nordmännern. „Band of Brothers“ des Nordens.
Stärke hin oder her – auch
Harald ist ein verletzbarer Mensch und auch in diesem Roman wird er persönlich leiden
und an seine Grenzen stoßen. Betrachten wir die vorherrschenden Charaktere, so
sind diese überschaubar positioniert und bilden einen engen Kreis. Allerdings
gibt es in „Odins Blutraben“ keine Nebengeschichten – Figuren ja und eine Menge
an Statisten, aber Ulf Schiewe konzentriert sich maßgeblich auf zwei
Handlungsstränge – die Kämpfe um Kiew und zu guter Letzt die Unruhen in
Konstantinopel, die in bürgerkriegsähnliche Zustände eskalieren.
Ein besonderes Verhältnis
entsteht allerdings zu seinem Erzfeind und zeitweisen verbündeten Sigurd – dito
ein Wikinger, verschlagen, grausam und verdammt unberechenbar. Augenzwinkernd
nicht unbedingt der personifizierte Bad Guy, doch interessant und vielschichtig
konzipiert. Natürlich darf sich das tragische Rad der Liebe auch mal drehen,
aber Romantik sollte man nicht erwarten.
Der Autor befasst sich in
diesem Roman nicht intensiv mit der Lebensart der Wikinger. Über die klassische
Erwartungshaltung der wilden Männer aus dem Norden kommt man nicht hinaus, also
wenige internes über die einflussreichen räuberischen und rauen Gesellen. Man
vermisst das allerdings auch zu keinem Zeitpunkt.
Ulf Schiewe wandelt ein
wenig auf den Spuren des erfolgreichen britischen Autors Bernard Cornwell, der
mit seiner eigenen Wikingersaga Uthred eine Beachtungswerte Reihe erschaffen
hat. Atmosphäre und detailreich bei der Darstellung von kriegerischen
Auseinandersetzungen wird sich nichts geschenkt. Es geht brutal und blutig
zugange – aber das erwartet man ja auch. Packend lässt Ulf Schiewe die
Brutalität des Schlachtfeldes aufleben.
Doch es gibt auch ein
Gewissen – das Harald und die starken Männer lenkt und antreibt. Als Söldner
kämpft und tötet man fürs Geld – aber es gibt noch mehr für das man kämpfen
mag. Diese leisen Töne und Dialoge die Ulf Schiewe hier präsentiert sind sehr
gut und auch dieser Part ist wie die Verteidigung von Kiew und die Geschehnisse
in Konstantinopel historisch mit Quellen belegt.
„Odins Blutraben“ ist ein
historischer Roman – natürlich nimmt sich ein Autor immer etwas künstlerische
Freiheit heraus, aber Ulf Schiewe hat perfekt anhand vieler Quellen und
Überlieferungen recherchiert und geschichtliche Lücken passgenau interpretiert.
Fazit
„Odins Blutraben“ ist ein
historischer Roman mit vielen Gesichtern. Außerordentlich gut recherchiert,
noch besser erzählt und ungemein spannend, lässt er die rauen Männer auf die
Leser los.
Ich freue mich auf den
Abschluss der Saga um Harald – der Geschichtsinteressierte Leser wird sich mit
seinem Schicksal schon befasst haben, aber der Weg nach Walhalla ist blutig und
verlustreich.
Großartiger, spannender
Roman. Axt und Schwert werden Odins Blutraben weitere Krieger in die nordischen
Hallen schicken müssen.
Michael Sterzik
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