Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Sieg gegen Nazideutschland, den die Russen auch den großen vaterländischen Krieg nannten, begann für das russische Volk eine Ära der Gewalt, des Schreckens, des Terrors unter Stalins Herrschaft. Seine bösartige Willkürlichkeit legitimiere Verbrechen im Namen des Staates. Niemand war in dieser Diktatur sicher, ein falsches Wort, eine kritische Anmerkung, eine Intrige konnten den Tod, oder das Arbeitslager im Gulag bedeuten. Dabei wurden ganze Familien vernichtet, ohne Rücksicht zu nehmen auf unschuldige Kinder. Die stalinistische Herrschaft bedeutete für ca. 9 Millionen Menschen den Tod.
Ben Creed ist das gemeinsame Pseudonym von Chris Rickaby
und Barney Thompson. „Der kalte Glanz der Newa“ ist der erste Band um den
Ermittler Revol Rossel und ist ein wirklich überzeugender Thriller.
Die Atmosphäre des Titels ist besonders. Die Story spielt
in Leningrad – und die Stimmung hat etwas von einer Stadt in Sünde. Dunkelheit,
Verzweiflung, Angst – ein eisiger Winter und nicht nur dieser ist
erbarmungslos. Auch die Menschen sind es, ohne viel Hoffnung, ernüchternd
davon, dass nach dem großartigen Krieg gegen Hitler-Deutschland alles hätte
besser sein sollen
Leningrad im eisigen Winter 1951: Wie auf Notenlinien
wurden fünf grausam verstümmelte Leichen zwischen drei Bahngleisen arrangiert –
ein Anblick, der selbst die hartgesottenen Militärpolizisten um Leutnant Revol
Rossel zutiefst erschüttert. Könnte Stalins gefürchtetes Ministerium für
Staatssicherheit dahinterstecken?
Leutnant Rossel glaubt, dass er seit dem Krieg und
einem Zusammenstoß mit der Geheimpolizei nichts mehr zu verlieren hat – doch
als er während der Ermittlungen mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert
wird, muss er erkennen, wie viel für ihn noch immer auf dem Spiel steht.(Verlagsinfo)
Das Autorenduo vermengt Fiktion mit Faktion und
dramatisiert die Handlung sehr unterhaltsam. Wie schon oben beschrieben ist das
eigentlich böse, ggf. nicht der Mörder, der grausame Taten begangen hat,
sondern lässt den Staat unter Josef Stalin stellvertretend als Erzbösewicht
dastehen. Unabhängig von der Handlung interpretiert, war es auch so. Diese
atmosphärische Stimmung schwingt auf jeder Seite mit. Die Verzweiflung der
Ermittler, der einfachen Menschen zeichnet sich aus durch Willkür, Angst, einer
Bespitzlung, der immer gegenwärtigen Gefahr verhaftet und gefoltert zu werden.
Diese Stimmung verfestigt sich auch bei allen agierenden
Charakteren. Insgesamt also sehr melancholisch, nahezu melodramatisch, wenn es
zu Rückblicken in die Vergangenheit kommt. Alte Kriegsgeschichten,
leidenschaftliche Beziehungen die in Verrat endeten und der Hauptfigur Revol
Rossel geht es nicht besser. Der ehemalige, begnadete Musiker wurde denunziert,
verhaftet und gefoltert, sodass er niemals mehr seine eigentliche Berufung als
Geigenspieler ausüben kann. Physisch und psychisch gebrochen passt er sich
mehr, oder minder an. Sein Überlebenswillen wurde noch nicht gebrochen.
Historisch gesehen wird hier dramatisiert –
Momentaufnahmen einer Schreckensherrschaft, die aber gut in Szene gesetzt
wurde. Spannung entsteht durch die Ermittlungsarbeit, die Duelle mit dem
Geheimdienst um möglichst schnell einen Täter zu identifizieren und zu
verhaften – mit einer Wahrheit geht man eher locker um. Spannende Themen sind
auch die Erzählungen von Leben und Sterben in Arbeitslagern – von
eintätowierten Symbolen die die Laufbahn, dass Schicksal und auch die Zukunft
der Häftlinge zeigten. Ein „König der Diebe“ – eine Nebenfigur, die
interessant, aber leider zu wenig Raum gegeben wurde.
Die Story spielt nur in Leningrad und dieser entwickelt
sich wie gesagt zu einem Spielplatz des Bösen – anscheinend stellvertretend für
die übrige Sowjetunion. Das die beiden Autoren, diese Epoche kritisch sehen,
spürt man auf jeder Seite. Etwas stereotypisch – aber dienlich für den
spannenden Unterhaltungswert.
Die Autoren, die sich hinter dem Pseudonym Ben Creed
verstecken haben, mit „Der kalte Glanz der Newa“ einen sehr, sehr spannenden
Thriller geschrieben. Es ist auch kritischer Polit-Thriller, der die Verrohrung
des Regimes an den Pranger stellt. Verbrechen findet statt – werden durch
Mitglieder des Politbüros gedeckt – auch keine wirklich neue Idee – aber wie
sie erzählt wird, ist schon großartig.
Die Theatralik spielt in dem vorliegenden Roman eine
wesentliche Rolle und manchmal dreht diese gegen Ende der Story frei. Dies ist
der erste Band der Reihe, die fortgesetzt wird und ich freue mich auf den zweiten
Band, der „Leningrad-Trilogie“.
Fazit
Insgesamt gesehen ein höchst spannender Titel mit einer
tollen Figurenzeichnung. Leningrad als Stadt der Sünde – viele Themen die
polarisierend sind, aber die spannende Unterhaltung ist garantiert und die
Stimmungsmelodie des Titels höre ich noch immer. Absolut zu empfehlen.
Michael Sterzik
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