Freitag, 27. Januar 2023

Jagd nach Vergeltung - J.H. Gelernter

 

Die Erzfeindschaft zwischen England und Frankreich wurde munter auch zur Zeit des kleinen Korsen Napoleon weitergeführt. In Europa besiegte der französische Kaiser und Diktator nach und nach fast alle Gegner und zwang ihnen seinen Willen auf. Doch wenn uns die Geschichte eines zeigt – so ist es, dass alle Tyrannen fallen, und das sehr schmerzhaft. Aber so weit sind wir im Jahre 1803 noch nicht.

Der gerade geschlossene Frieden zwischen England und Frankreich ist nicht wirklich stabil. Zähnefletschend beobachteten sich die beiden Staaten und diese Spannungen führten und das war jedem klar, zu einem weiteren Krieg.

Napoleon Bonaparte plante also eine Invasion, um England letztlich in die Knie zu zwingen. Logistisch, militärisch durchaus eine Herausforderung. An der Kanalküste wurden 150.000 Soldaten zusammengezogen. Transportschiffe sollen Menschen, Waffen und Material über den Kanal bringen – doch England war als Seemacht immer noch äußerst stark und letztlich besiegten sie Frankreich und seinen spanischen Verbündeten in einer Seeschlacht. Eine Invasion wurde also abgesagt.

Man kann sich also gut vorstellen, dass auf beiden Seiten des Kanals die Spione und Agenten beider Länder gut ausgelastet sein dürften. J.H. Gelernter beschreibt in seinem Debütroman „Jagd nach Vergeltung“ diese unruhige Zeit.

England, 1803. Thomas Grey, Kapitän der britischen Marine und Spion im Dienste seiner Majestät, hat sich nach einem schweren Schicksalsschlag zurückgezogen und möchte nach Amerika auswandern. Der kürzlich mit den Franzosen geschlossene Frieden verspricht eine gefahrlose Überfahrt. Plötzlich kommt es jedoch zu einem Feuergefecht mit einem französischen Schiff. Grey überlebt und landet in Portugal, wo er auf einen Anwerber des französischen Geheimdienstes trifft. Dieser bietet dem Spion eine hohe Summe, damit er die Seiten wechselt. Grey willigt ein und gibt sich als Überläufer aus – nicht, um sein Land zu verraten, sondern um die einmalige Gelegenheit wahrzunehmen, sich an seinem schlimmsten Feind zu rächen, der ihm alles nahm …(Verlagsinfo)

„Jagd nach Vergeltung“ ist (k)ein klassischer Seekriegsroman, viel mehr ein actionreicher Spionageroman mit typischen Szenen und Situationen, die auch James Bond 200 Jahre später erlebt hat. Ein Kartenspiel, bei dem Thomas Grey – unsere Hauptperson, mathematisch gekonnt die richtigen Schlüsse und Karten zieht. Ein Duell unter Gentleman, die Infiltration einer französischen, kultivierten Familie usw. Es wird nicht besonders leise, entspannt und langweilig um Thomas Grey – der als Spion hier gleich mehrere Register seines Könnens zieht.

Seine Motivation ist die gute, alte Rache, die man ihn aber nicht unbedingt abnimmt. Er ist kein Soziopath, aber auch nicht meilenweit davon entfernt – selbstbewusst und kaltschnäuzig – verletzlich – aber irgendwie auch körperlich und seelisch kugelsicher. Es gibt zwar keinen Q – aber einfallsreich ist Thomas Grey selbst auch.

Ein kurzweiliger und schneller Titel, dessen Handlung manchmal stark überzogen wirkt. Besonders gut sind die geschichtlichen, kulturellen und militärischen Gegenstände, Prozess usw. eingestreut. Auch dass der Autor einen feinen Humor haben muss, merkt man – allerdings vermisse ich eine starke Dramaturgie. Die Dialoge sind schnell erzählt und bilden mitnichten einen Schwerpunkt.

Der Charakter von Thomas Grey ist der größte Kritikpunkt. Er sieht zwar kein „Rot“ und katapultiert sich unausweichliche Eskalationen, aber ein Mann mit so einer Vita – traue ich nicht unbedingt die Motivation für eine Jagd nach Rache und Vergeltung zu.

Leichen pflastern den Weg nach Vergeltung. Meistens kommt es zu spektakulären Schießereien und manchmal kommt auch der Degen (nicht das Schwert) zum Einsatz. Es scheint Thomas Grey auch völlig egal zu sein, wenn er tötet – und auch das führt nicht unbedingt dazu, den Thomas-Grey-Fanclub um Aufnahme zu bitten.

Auf die Erwartungshaltung kommt es an! Erwartet man einen Spion mit der Lizenz zum Töten – dann viel Spaß mit einem satten Action-Rodeo. Rechnet man mit einer intelligenten Story, so wird man enttäuscht sein.

Alles in allem ein kurzweiliger und schneller Roman, nicht unbedingt spannend, denn man ahnt das Ende schon am Anfang, dafür aber sehr unterhaltsam.

Fazit

J.H.Gelernter muss noch ein bisschen lernen einen historischen Roman zu schreiben. Hier steht die Action im Vordergrund – vielleicht wird aus Thomas Grey noch der Spion, den man liebt – aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Seichte und gute Unterhaltung – nicht mehr – nicht weniger.

Michael Sterzik

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