Das in Bremen lebende Autorenehepaar hat im Gmeiner-Verlag eine neue Thriller-Reihe gestartet. Diesmal ohne klerikalen Touch, also ohne paranormale Elemente in die Story einzubauen. Auch die erzählerische Bühne ist regional auf Berlin begrenzt, nur in kleineren Rückblenden taucht Rom wieder auf, hat aber keine weitere, tiefere Bedeutung. Nichtsdestotrotz findet man Akzente in der Handlung, die bestätigen, dass die Autoren der Kunst, der Kultur, und der Literatur viel Geltung beimessen. Es gehört faktisch zu Ihnen wie ein guter Anzug, oder eine Lieblingsbrille. Das ist auch gut so, denn nur so kann man einer Geschichte viel erzählerische Tiefe geben und sich von anderen manchmal recht oberflächlichen Titeln abgrenzen.
In Best Practice ist „Pietá“ im Aufbau ein ganz klassischer Spannungsroman.
Als an einem Wintermorgen unter dem Brandenburger Tor die blutüberströmte Leiche eines Mannes in den Armen einer Frau entdeckt wird, schrillen bei Ex-Kriminalkommissar Magnus Böhm sämtliche Alarmglocken. Er hat diese Skulptur aus Menschenkörpern schon einmal gesehen, 14 Jahre zuvor in Rom. Die Presse stürzt sich auf den Fall und spricht von der Berliner Pietà. Doch dieses Mal gibt es einen entscheidenden Unterschied: Das weibliche Opfer hat überlebt. (Verlagsinfo)
Viel Aufmerksamkeit und Detailtreue hat sich das Autorenduo den fast schon liebevollen Charakteren gewidmet. Magnus Böhm und seine Assistenten, die noch junge und unerfahrene Kommissarin Annetta Niedlich sind ein tolles, innovatives Team. Die Figurenzeichnung ist toll, vom Alter abgesehen, ergänzen sich beide. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten erkennen beide die jeweiligen Stärken des anderen, sie vertrauen sich langsam und verfolgen das gleiche Ziel – einen offensichtlichen Serienmörder zu finden, bevor dieser erneut morden kann.
Den Ansatz, auch den Täter und seine Opfer perspektivisch erzählen zu lassen, vervollständigt und bekräftigt nur noch die ausgesprochen intensive Atmosphäre. Gemäß unserem jetzigen Zeitgeist wird die Story auch sehr blutig und drastisch beschrieben. Die Autoren sind in der Darstellung und Beschreibung sehr konsequent, aber die Brutalität wirkt nicht zu überdosiert. Der Mörder offenbart sich seinem leserlichen Publikum sehr schnell. Das nimmt aber der Story keinesfalls die Spannung, denn diese konzentriert sich fast ausschließlich auf die junge Frau, die das Martyrium überlebt hat. Als Einzelgängerin und ehemaliges Bandenmitglied ist sie war von den Erlebnissen der Folter traumatisiert – aber ambitioniert genug um Rache zu suchen und ihren Peiniger am besten gleich zu liquidieren.
Ihre Figur ist die stärkste und diejenige die am stärksten verletzt wurde – körperlich, wie auch seelisch.
Es gibt ein paar Nebenschauplätze und da liegt die Konzentration bei Magnus Böhm, der introvertiert und teilweise verbittert aus seinem sozialen Dornröschenschlaf aufgeweckt wird. Sehr sympathischer Charakter, nicht unbedingt eine Vaterfigur für Annetta Niedlich – doch der einsame Wolf mit seiner Erfahrung ist doch in gewisser Weise ein Vorbild. Trotzdem hat Annetta ein starkes Selbstbewusstsein und behauptet sich in dieser dominanten Welt der Männer ganz souverän.
Die Methoden des Mordermittelns sind gut erzählt. Es gibt auch nicht viel Kritikpunkte, ein paar inhaltliche logische Versäumnisse und der erzählerische Part des Mörders hätten stärker ausgebaut werden müssen. Als Auftakt einer neuen Reihe aber absolut gelungen.
Ich freue mich auf weitere Teile dieses neuen Ermittlerduos. Gleichzeitig vermisse ich dann doch den klerikalen Touch – es gibt so viele Geheimnisse um die Kirche, so viele Möglichkeiten – dass ich ein zurück zu den Wurzeln mehr wie sehr begrüßen würde.
Fazit
Keine böhmischen Dörfer und keine niedlichen Szenen, dafür aber ein hohes Maß an Spannung und tolle Figuren, die die Story an allen Ecken und Kanten stärken. Perfekte Unterhaltung, noch leicht ausbaufähig – aber absolut zu empfehlen.
Michael Sterzik
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