Sonntag, 11. Februar 2024

Monster - Nele Neuhaus


Ein schweres Verbrechen wie ein Mord ist mit erheblichen und nachhaltigen sozialen Erschütterungen verbunden. Das Leben, das sonst vielleicht stabil gewesen wäre, wird irreparabel beschädigt, und für die Angehörigen wird ihre kleine Welt nicht mehr so sein, wie sie vorher war. Das Trauma verfolgt aber nicht nur die Angehörigen, der Tsunami einer solchen Tat reißt alles mit sich. Die Angehörigen des Täters, die Freunde des Opfers und auch die Ermittler bleiben von solch grausamen Taten nicht unberührt. 

Neben dem ersten Schock, der Verzweiflung und der tiefen Trauer, die man als Angehöriger spürt, ist es sicherlich auch die unbändige Wut auf den Täter, die man empfindet. Kann man nach einem Mord sein Gewissen erleichtern? Wo sind die Grenzen zwischen Verbrechen und Rache? Diese Genugtuung, den seelischen Schmerz zu lindern, bringt aber das Leben des Opfers nicht zurück. Wann wird der Mensch zum „Monster“, das ohne Rücksicht und Gnade weiteres Leid verursacht? 

Die 11 Bände der Reihe Bodenstein/Kirchhoff haben nur sekundär mit dem biblischen Sprichwort Auge um Auge - Zahn um Zahn zu tun, vielmehr wird es unweigerlich politisch. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Es geht auch um Leid, um den Verlust eines Menschen, um den Umgang mit der Presse und um den unvermeidlichen Fingerzeig, dass man nicht vorschnell zum Vorurteil greifen sollte.

Im Feld wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Die 16-Jährige Larissa wurde erdrosselt. Durch eine DNA-Analyse gerät ein abgelehnter afghanischer Asylbewerber, der erst zu einer Haftstrafe verurteilt, aber nach einer Haftbeschwerde auf freien Fuß gesetzt wurde, ins Visier der Polizei. Er kann untertauchen, bevor Pia und Bodenstein mit dem Mann sprechen können.

Auf einer Landstraße im Hintertaunus wird nachts ein Mann von einem Auto erfasst und getötet. Sein Körper ist übersät mit Bisswunden, sein Gesicht entstellt. Der Mann hatte bei einem illegalen Autorennen eine schwangere Frau getötet. Wovor ist er geflohen und wer hat ihn so zugerichtet?  

Pia und Bodenstein stoßen auf immer mehr rätselhafte Todes- und Vermisstenfälle und auf eine Parallele zum Mordfall Larissa. Ohne es zu ahnen, steuern sie auf eine Katastrophe zu. (Verlagsinfo) 

Nele Neuhaus jongliert mit vielen brisanten Themen aus vielen Ressorts. Da geht es um die politische Brisanz eines solchen Mordes, um den Druck der Presse, um die Wut der Menschen, die Migration kategorisch ablehnen, und natürlich auch um Selbstjustiz. 

Keiner dieser thematischen Bälle entgeht der Hand der sympathischen Autorin. Aber es geht nicht nur um diese Themen, die Autorin drückt auch sehr genau die Knöpfe, um uns nicht nur nachdenken zu lassen, sondern auch die Emotionen der anderen zu spüren. Der Schmerz, die Verzweiflung, aber auch das Gefühl, dass ein Team von Polizistinnen und Polizisten Opfer eines Verrats geworden ist, ist sehr spannend. Verrat in den eigenen Reihen, oder hatte man in den Jahren der Zusammenarbeit eine Person übersehen - vielleicht wollte diese Person auch strategisch übersehen werden.

Zur Vertiefung der Charaktere der Hauptfiguren wird das Privatleben der Hauptfiguren immer wieder wohldosiert eingeflochten und lockert die durchgehende Spannung gelegentlich auf. Es bleibt genug Zeit, um Luft zu holen, und die Ausflüge in die Nebenhandlungen sind alles andere als übertrieben. 

Beide Fälle sind nicht miteinander verwoben, das wäre auch zu viel des Guten gewesen. Nele Neuhaus hat die Handlung mit Spannungselementen fast überfrachtet. Es ist ein schmaler Grat zwischen einer authentischen Handlung und einer mit Spannung geladenen Räuberpistole. 

Die Handlung ist auch polarisierend. Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man sie betrachtet. Nele Neuhaus beleuchtet beide Seiten, ohne direkt Partei für eine Seite zu ergreifen. 

Die Geschichte der Figuren ist noch lange nicht zu Ende erzählt, das spürt man und so ist es auch sicher, dass ein weiterer Band folgen wird. Die Reihe ist endlich und sollte es zumindest sein - das kann ruhig noch etwas dauern. 

Fazit 

Maulwürfe sind keine Monster. Monster - das sind Menschen, deren moralischer Kompass in einem Magnetfeld gefangen ist, das von Vorurteilen, von Hass, von Wut und von einer maßlosen Traurigkeit erfüllt ist. „Monster“ ist ein sehr starker Roman, den man auf jeden Fall gelesen haben sollte. 

Michael Sterzik

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