Das geteilte Berlin war in der Vergangenheit ein Karussell der östlichen und westlichen Geheimdienste. Inmitten des Kalten Krieges und Jahre später als Michail Gorbatschow von Perestroika und Glasnost wurde der Fall der Berliner Mauer und der Zusammenschluss beider deutscher Staaten zu einem Symbol der Freiheit.
Diese Reformen veränderten die perspektivischen, idealistischen Grundsätze von Meinungs- und Pressefreiheit und sie ließen die DDR in ihren Grundfesten erschüttern. „Wir sind das Volk“ – den Parteigrößen der DDR, war es sehr wohl bewusst, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Die Nato - Europa und die wirtschaftlichen Verbindungen mit den USA haben den Kommunismus in die Schranken verwiesen. Alle wussten sie es, alle verdrängten die Tatsache, dass man Menschen auf Dauer nicht in ein staatliches Gefängnis einsperren kann, und der Schrei nach Freiheit nicht innerhalb der Staatsgrenzen der DDR blieb.
Im dritten Band der hervorragenden Trilogie von Titus Müller – Der letzte Auftrag – springt die Handlung ins Jahr 1989. Der Widerstand der DDR gewinnt deutlich an Kraft und wieder einmal spielt die ehemalige Spionin Ria Nachtmann eine Rolle.
1989. Ria Nachtmann hat ihre große Liebe geheiratet und sich als Spionin zur Ruhe gesetzt. Ihre Tochter Annie verfolgt derweil einen gewagten Plan: Sie will eine Doku des DDR-Widerstands drehen und sie in den Westen schmuggeln. Als sie und ihr Freund Michael dabei versehentlich zwei Männer einer KGB-Geheimoperation filmen, gerät alles außer Kontrolle. Der in Dresden stationierte russische Agent Wladimir Putin hängt sich an ihre Fersen. Mutter und Tochter stehen bald zwischen allen Fronten und müssen erkennen, dass es um nichts weniger geht als um den Sturz der DDR-Regierung und die Zukunft Deutschlands. (Verlagsinfo)
Titus Müller jongliert in „Der letzte Auftrag“ mit vielen historischen Themen, dem Widerstand und den innenpolitischen Krisen in der DDR, das letzte Aufbegehren der Staatsorgane und letztlich auch, die ersten Weichenstellungen eines Wladimir Putin, der als Außenagent in Dresden schon längst verstanden hat, die Weichen für seine persönliche Zukunft zu stellen.
Als KGB-Agent, und als Jurist erkennt er die Möglichkeiten sein Russland neu zu gestalten und kompromisslos und konsequent entwickelt er sich zu einer Machtfigur. Sein geheimdienstliches Netzwerk erweist sich als ein „Sesam öffne Dich“.
Ria Nachtmann spielt allerdings in diesem Roman nur eine Nebenrolle. Sie nutzt ihre alten Kontakte zum BND, um ihrer Tochter und ihrem Freund dabei zu helfen, den Widerstand in der DDR zu unterstützen. Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt und Annie sich in Schwierigkeiten befindet, liegt auf der Hand. Sie ist nicht weniger impulsiv und einfallreich wie ihre im Westen lebende Mutter.
Es gibt viele weniger geheimdienstliche Aktivitäten als in den beiden Bänden zuvor. Hier übernehmen die politischen und sozialen Brennpunkte die Handlung. Ein Erich Honecker, die noch immer in seiner DDR-Blase lebt und sich seinen Rücktritt stellen muss. Die Kommunalwahlen der DDR, die zweifelsfrei keinesfalls „frei“ sind, und dessen Ergebnisse schon vor der eigentlichen Wahl feststanden. Und es gibt auch Menschen innerhalb der Politik und des Staatsschutzes, die sich jetzt die elementare Frage stellen: wozu das alles noch? Müssen die Demonstrationen mit Waffengewalt beendet werden. Die Grenzen und Reisewege nach Prag wieder geschlossen werden? Es ist der Anfang vom Ende und der Beginn der Wiedervereinigung.
Titus Müller romantisiert das Schicksal seiner Figuren nicht. Es gibt keine Herz-Schmerz-Story zwischen feindlichen Agenten, oder anderen Menschen. Die Emotionen zeigen sich in der Wut, der Verzweiflung, der Angst und auch der Hoffnung von Menschen, denen es bewusst wird, dass es zu einem Wendepunkt kommt. Diese Flucht nach vorne – das ist die Botschaft des Buches – der Schrei nach Freiheit.
Interessant ist die Perspektive und die Erklärung der Figur Wladimir Putins. Glaubt man den Quellen, so schildert Titus Müller diesen erzählerischen Part als sehr authentisch. Doch es geht hier nicht in eine persönliche Analyse über. Der Autor zeigt nur auf, wie der Plan des Mannes aussieht, der Jahrzehnte später für einen Krieg in Osteuropa verantwortlich ist.
Spannend und unterhaltsam ist die Story, wenn auch diese nicht an die beiden vorherigen Teile dieser tollen Reihe herankommen.
Mit dieser Reihe beweist sich Titus Müller als ein sehr, sehr guter Historiker, der unserer Vergangenheit eine Stimme gibt. Ich würde mich freuen, wenn Titus Müller ggf. eine weitere Reihe schreiben würde, z.B. wie kommen die Stasi-Mitarbeiter mit ihrer Vergangenheit klar? Welche posttraumatischen Erlebnisse dürften diese haben? Gerade in dem Bewusstsein, dass sie gedroht, gefoltert und ggf. auch getötet haben? Wie machen sich solche Erlebnisse in einem Leben in „Freiheit“ bemerkbar?
Fazit
Der Schrei nach Freiheit – aufs Papier gebracht. Ein historisches Echo, dass wir noch heute hören. Eine Grenzerfahrung, die eine Tragödie war, und deren Auswirkungen noch immer spürbar sind.
Eine Reihe – die man gelesen haben sollte – wenn man sich für die Deutsch-Deutsche Geschichte interessiert.
Michael Sterzik