Ich war eine Mafia-Chefin (Giuseppina Vitale mit Camilla Constanzo)
Die Mafia – in Italien so bekannt wie die gute Gastronomie, dass Forum Romanum, Kultur und Geschichte. Na ja, die Mafia ist gleichbedeutend Kultur und Geschichte im Süden Europas und durchdringt nicht nur das gesellschaftliche Leben, sondern natürlich auch die Politik und Wirtschaft.
In Sizilien gehört die Mafia zum Alltag. Oftmals sind es Tragödien die ganze Familien in den Abgrund der Kriminalität, des organisieren Verbrechens reißen, und somit alles in Frage stellen, wofür sie eigentlich leben.
Die Mafia ist für sich eine einzigartige Metropole in denen die „Herrscher“ in den mächtigen Familien, sich wie kleine Könige aufführen. Zumeist sind es Männer die hier in der nicht immer durchsichtigen Hierarchie das sagen haben. Doch was ist mit den Frauen dieser „mächtigen, kriminellen Familien? Wo bleiben sie, wenn die Männer sich auf der Flucht vor der Staatsanwalt in wilden Berggegenden verstecken, oder sich durch Verrat oder Überheblichkeit in einem italienischen Gefängnis wiederfinden?
Es ist ein Kampf der Männer um Geld, Macht, Respekt und Einfluss, doch hin und wieder zieht auch eine Frau die Fäden hinter er Bühne, und organisiert die wenig legalen bis zu hochkriminellen Geschäfte ihrer Brüder oder Ehemänner.
In dem Buch „Ich war eine Mafia-Chefin“ von Giuseppina Vitale mit Unterstützung der Journalistin Camilla Costanzo, erzählt die Autorin von ihrem Leben mit der Mafia und ihrer Rolle in diesem Mordsspiel bei dem es am Ende doch kaum Gewinner gibt.
Inhalt
Giuseppina Vitale wächst in Sizilien auf, als viertes Kind und einzige Tochter ihrer Familie, ist das Leben nicht einfach. Ihr Vater ein Landwirt, dessen Leidenschaft Pferde sind und ihre Mutter die ein strenges Regime führt, sind einfache Menschen die zwar um die Existenz der ehrenwerten Gesellschaft kennen, sich aber distanziert aus allen Geschäften raushalten.
Doch der Vitale-Clan wie er auch später im Buch bezeichnet wird, kann sich nicht verschließen. Giuseppinas ältere Brüder wandeln schnell auf kriminellen Pfaden und verirren sich auch schnell unter den Einfluss von Macht und Gewalt. Diese Gewalt spürt die junge Frau und ihre Eltern am eigenen Leib. Nicht wenig oft, werden sie von den drei Söhnen die nun „Mafiosi“ sind bedroht und verprügelt, selbst von ihrem eigenen Vater haben sie kein Respekt mehr. Was hier noch zählt, ist Ehre und damit verbunden seinen Willen durchzusetzen, mit allen Mitteln und gerne mit Gewalt.
Giuseppina Welt bestimmte 33 Jahre lang die Cosa Nostra. Immer wieder wird sie mit Gewalt konfrontiert, entweder durch ihre Brüder, oder durch ihren Ehemann, sie kann sich nicht frei machen und ihre Wurzeln liegen in Partinco, einer Kleinstadt bei Palermo. Unaufhaltsam werden die Brüder von der italienischen „Krake“ – La Piovra in den hierarchischen Stufen an die Spitze der Ehrenwerten Gesellschaft gezogen, und somit wird die junge Frau immer mehr in die Geschäfte ihrer Brüder involviert.
In ihrem Buch, dass mehr Aufarbeitung und eine Abrechnung ist, beschreibt sie kompromisslos und sehr persönlich ihr Leben. Immer den Schein der Normalität vor sich her tragend beschreibt sie die Brutalität ihrer Brüder, die Verhaftungen und den Besuch in Gefängnissen. Blut ist dicker als Wasser, und hier wurde genau das gelebt, egal wie rücksichtslos ihrer Familie auch zu ihr, geliebt hat sie, sie immer.
Doch auch ihre Brüder zeigen sich „ehrenwert“ ihr Gegenüber und verletzen und beschützen sie mit einer Intensität die man schon als krankhaft bezeichnen kann, und ohne Rücksicht auf andere.
Guiseppina erzählt von der Brutalität der Bosse gegenüber der Politik und der Justiz. In den späten 80er Jahren, wie auch in den 90ern bekämpfen sich die Mafia und der italienische Stadt mit allen Mitteln. Höhepunkte sind die brutalen Morde an Richter Falcone und wenig später an dem Staatsanwalt Boresellino. Erst danach sieht sich der Staat gezwungen zu reagieren und ein Krieg entbrennt um die Macht im Staate. Als ihre Brüder entweder auf der Flucht sind oder sich in Haft befinden, fällt die Befehlsgewalt an die junge Frau und damit wird sie zur Chefin eines ganzes Landkreises, und manchmal ist das gleichbedeutend über Leben und Tod zu entscheiden.
In dem Buch vermittelt die junge Frau eine hervorragende Innenansicht der Clans, der Familien und deren finanzielle und auch emotionalen Machtverhältnisse. Leider können wir mit vielen dort genannten Namen nicht wirklich viel anfangen, bis auf wenige Ausnahmen.
Guiseppina erzählt ihre Geschichte zeitlich chronologisch und das mit einer Offenheit die überzeugend wirkt. Nichtsdestotrotz so erschreckend plausibel ihre Geschichte auch ist, wirkt sie zwar für den Leser aufwühlend, aber noch lange nicht schockierend.
Als großes und vielleicht alles entscheidende Manko ist es, dass die Autorin ihre Kindheit und Jugend im Kreise Familie, also auch im Dunstkreis der Mafia erzählt, erst die letzten Kapitel beschreiben ihre Machtbefugnisse und auch diese sind nur Oberflächlich. Als sie verhaftet wird, und das ist wirklich ihre Rettung, ist sie auf einmal auf sich alleine gestellt. Ihr beiden Kinder vermissend, konfrontiert sie sich mit ihrer Vergangenheit und zieht letztlich einen Schlussstrich der endgültig ist. Ihre Mutter hat nun keine Tochter mehr, und ihre eigenen Brüder wünschen ihr den Tod.
Im Kronzeugenprogramm des Italienischen Staates, der sie ständig unter polizeilichen Schutz stellt, fühlt sie das erste Mal das Glück, alleinige Entscheidungen zu vertreten. Das ist ein Luxus den sie sich all die Jahre nicht leisten konnte.
Fazit
„Ich war eine Mafia-Chefin“ von Giuseppina Vitale ist ein oberflächliches, vielleicht sogar überflüssiges Buch, da es nicht das verspricht was der Leser eigentlich vermutet. Viel neues erfährt der Leser aus dem Buch nicht, weder über die Machtspielchen der Mafia, noch über die Verbindungen die bis in die Politik reichen. Das Buch ist eher eine Abrechnung mit ihrer Vergangenheit, eine Aufarbeitung der Sünden, der Abhängigkeit und des Schmerzes. Die Rolle der Frau eines Mafiosi bleibt fast unangetastet.
Ihre Geschichte ist die Spitze des Eisberges, dass eigentliche Volumen bleibt aus welchen Gründen auch immer im Verborgenen. Vielleicht ist es auch zu schmerzhaft sich tiefer mit ihrer eigenen Psychologie zu befassen, wir werden es nicht erfahren.
„Ich war eine Mafia-Chefin“ ist nur bedingt empfehlbar. Für Italienische Frauen nichts neues, für andere Menschen Europas sowieso nicht nachvollziehbar. Andere Kulturen bergen immer fremde und seltsame Sitten die Außenstehende halt schwerlich begreifen.
Michael Sterzik