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Samstag, 15. April 2023

Der Paria - Der stählerne Bund von Anthony Ryan


Es sind doch die Schurken, die Diebe, die dunklen Gestalten, die uns manchmal mehr faszinieren, als die, sagen wir es ruhig, weichgekochten Helden, die keine Verschmutzung auf ihrer weißen Weste dulden. Die Antihelden und Grenzgänger in der Literatur sind interessant, gerade weil sie oftmals tiefgründig, und vom Leben enttäuscht und desillusioniert sind. Meistens sind es keine extrovertierten Menschen, sie sind still, ruhig, verschlagen und hochintelligent, sie besitzen feine mediale Antennen und bezeichnen sich selbst als Einzelgänger. Sie sind die Ausgestoßenen – nicht weil sie es müssen – sondern weil es ihr eigener Wunsch, vielleicht auch ihre Bestimmung ist. Ihr moralischer Kompass bewegt sich zwischen Gut und Böse, ohne auf eine Seite zu tendieren. Ihr Verständnis für Gerechtigkeit, für Moral und Ethik ist vielleicht der Wahrheit näher als vermutet.

Diese Figuren findet man in jedem Genre der Belletristik natürlich in abgewandelter individueller Form, aber die typische Charakteristik ist wie ein traditionelles Rezept.

Anthony Ryan hat in seinem vorliegenden Titel: „Der Paria – der stählerne Bund“ seiner Hauptfigur Alwyn, die Rolle eines gesetzlosen Ausgestoßenen förmlich auf den Leib geschrieben.

Ein Verrat trifft den Gesetzlosen Alwyn wie ein Blitz und führt auf einen Pfad voller Blut und Rache. Es dauert nicht lange, da findet er sich als Gefangener und Arbeiter in den Erzminen wieder, wo er unter den verwahrlosten Gefangenen Sihlda kennenlernt, eine Frau,die für diesen Ort seltsam gelehrt ist. Sie bringt Alwyn das Lesen und Schreiben bei. Und dann begegnet er auch noch Evadine, einer Frau, die aus ganz anderem Holz geschnitzt ist und an deren Seite er in den Kampf gegen dunkle Mächte ziehen wird. Beides wird ihn und womöglich das ganze Reich von Albermaine für immer verändern. (Verlagsinfo)

„Der Paria“ ist der Auftakt einer neuen Reihe von Anthony Ryan. Ein Fantasy-Roman, der inhaltlich ohne viel „Magie“ und anmutenden, klassischen unmenschlichen Figuren auskommt. Ebenso könnte die Story sich auch im Mittelalter wiederfinden.

Das Setting, die Ortschaften und Regionen – die verschiedenen Fraktionen, all das weist Parallelen zu historischen und uns bekannten Länder und Städten hin. Selbst die kulturellen und religiösen erdachten Erklärungen, könnte man in unserer, realen Welt adaptieren. Eigentlich alles, selbst das wenige, was an „Magie“ seinen Auftritt hat, könnte man als eine alternative, naturelle Medizin bezeichnen.

Es ist eine teilweise dreckige und natürlich ungerechte Welt, die Anthony Ryan hier erschaffen hat. Bürgerkriegsähnliche Konfrontationen – Machtansprüche verschiedener Herrscher, andere Völker und Kontinente – auch all das stellt eine Verwandtschaft zu unserer realen Welt dar.

Also nichts Spektakuläres, oder – aber man täuscht sich schnell. Die eigentliche Faszination zeichnet sich über die hervorragende Aufstellung und Beschreibung der Charaktere. Allen voran natürlich „Der Paria“ selbst – Alwyn ein zu Beginn jugendlicher Dieb und Räuber, der auch tötet, wenn es sein muss. Zwischen anderen Gesetzlosen aufwachsend, ist er einer der wenigen, die anders sind, die sich innerhalb dieser Gruppe distanzieren und ihren eigenen Weg gehen.

Damit konzentriert sich die Handlung überwiegend nicht auf die Schlachten, die später auch stattfinden, als unser „Paria“ gezwungenermaßen den Karriereweg eines Soldaten gehen muss. Die Story fokussiert sich auf das Schicksal verschiedener Figuren, die ihre Welt maßgeblich beeinflussen.

Nach und nach stellt der Autor seine Figuren zu einem stählernen Bund auf. Ein „Paria“ – ein Ausgestoßener, eine Diebin, ein einfaches versehrtes Mädchen, ein ehemaliger Adeliger und Ritter, der desillusioniert seinen eigenen Weg sucht, ein pflichtbewusster Soldat. Also insgesamt sind dies alles Charaktere mit verschiedenen Talenten, die als „Gemeinschaft“ vieles bewirken können.

Sie alle stellen als Symbol interpretiert, das wirklich „Gute“ dar, die Menschen, die im Schatten stehen, die immer ruhelos nach irgendwas suchen, die sich beklagend unter Einsatz ihres Lebens anderen helfen. Das ist, das eigentlich faszinierende an diesem sehr spannenden und tiefgründigen Roman.

Es gibt genug Actionszenen, doch als Auftakt ist dieser Roman eher ruhig, mit doch sehr spannenden Sequenzen. Sehr interessant sind die Dialoge der Figuren untereinander, das Abwägen zwischen den Entscheidungen, die diese entweder entzweien, oder noch näher zusammenbringen können. Gerade letzteres stellt für diese Schattengestalten einen inneren Konflikt dar.

„Der Paria“ ist damit ein sehr, sehr spannender und tiefgründiger Roman mit noch besseren Figuren. Der nachfolgende Band wird viele offene Fragen und die Schicksale dieser Figuren bestimmen. Es werden neue Gemeinschaften entstehen, und es werden wahrscheinlich auch Opfer gebracht werden müssen.

Die Handlung ist spannend, sie ist manchmal als brutal zu bezeichnen, wirkt aber nicht übertrieben. Die erzählerische Perspektive wird aus der Sicht von Alwyn beschrieben. Das Einzige, was mich wirklich sehr gestört hat, dass der Autor das Schicksal einzelner Nebenfiguren schon prophetisch erzählt.

Fazit

Ein Meisterwerk von Anthony Ryan. Unterhaltsame Spannung mit Figuren, die eine nachhaltige Atmosphäre bilden, denen man sich nicht entziehen kann. Ein großartiger Titel, den man lesen muss.

Michael Sterzik

Freitag, 11. Dezember 2015

Der Palast der Meere (Rebecca Gable)


Seit dem historischen Titel: „Das Lächeln der Fortuna“ ist der Name „Waringham“ fast schon so bekannt, wie die Schöpferin dieser Roman Reihe – Lady Rebecca Gable. Der fünfte und wahrscheinlich abschließende Band dieser Saga um die adeligen Ritter, die den Königen Englands für Rat und Tat zur Seite stehen, bildet einen souveränen Abschluss. Obgleich sich die Autorin hier auch die Freiheit nimmt, evtl. noch einen Band folgen zu lassen.

Nach dem Königreich Henry Tudor, regiert nun Elisabeth I., die jungfräuliche Königin. Und diese hat neben der Problematik der eigenen Thronfolge, viele Themen und Konflikte innerpolitischer und außerpolitischer Art zu lösen. Zum einen die Bedrohung und die eskalierenden Konflikte mit dem spanischen Königreich, zum anderen gibt es viel Ärger mit und durch die abgesetzte Königin schon Schottland Mary Stuart. Für die Autorin ist es nun nicht schwer, eine spannende Geschichte rund um die historischen Akteure zu schmieden.

 Die Familienmitglieder der Waringhams finden sich natürlich in unmittelbare Nähe der selbstbewussten Regentin wieder.  Isaac of Waringham, gerade erst 14 Jahre alt, viele jugendliche Flausen im Kopf und nicht bereit sich Familientraditionen anzuschließen und sucht untypischerweise sein Glück nicht auf den Rücken eines Pferdes, sondern als blinder Passagier auf einem Freibeuterschiff. Der Beginn eines unruhigen Abenteuers zur See und auf seinen Fahrten in die Karibik lernt er u.a. den späteren Pirat seiner Königin, Sir Francis Drake kennen.

Seine Schwester Eleanore, ist das „Auge“ der Königin. Engste Vertraute, loyale Freundin, aber auch professionelle Spionin. In „Der Palast der Meere“ nimmt diese den tragenden Teil der Handlung teil – der Grund ist die unmittelbare Nähe zu den historischen Ereignissen, die besten recherchiert, unterhaltsam und spannend erzählt werden.

Und es gibt viele abwechslungsreiche Spannungen, der Königin Liebeleien, die mehrfachen Umsturzversuche von Mary Stuart und die bedrohlichen Konflikte mit Philip von Spanien, der eine Invasion Englands anstrebt.

Es kommt also keine Langeweile und Eintönigkeit auf, auch wenn der Leser manchmal eine stille Lethargie spüren mag, da die Ereignisse in der Regentschaft von Elisabeth I. natürlich bekannt sein dürften. Die Charakterisierung der eigenwilligen Königin hat Rebecca Gable treffend beschrieben und darin besteht ein wesentlicher Schwachpunkt dieses Handlungsstrangs. Aufmerksamer und fast schon interessanter sind die Nebengeschichten, bei der, der König der Diebe zusammen mit dem Auge der Königin eine gute Figur abgeben.

Viel freier wurde hingegen die Handlung um den Seefahrer Isaac aufgebaut. Seine Entwicklung ist oberflächlich und vorhersehbar – eher eine klassische Piratengeschichte, Pardon Freibeuter wie sich nannten. Die unberechenbare raue See, Sklaven und Piraten in der Karibik, Seegefechte und natürlich diese Mantel- und-Degen Atmosphäre lassen den Roman wirklich leben.

Rebecca Gable ist bekannt dafür, dass sie die Vergangenheit weder mit romantischen Klischees ausschmückt, noch einseitig eine schwarz-weiß Welt schildert. Schlichtweg ist sie grundehrlich und entzaubert dabei manchmal auch die eine oder andere historische Persönlichkeit oder historische Szene. In „Der Palast der Meere“ kann man sich von der ehrenhaften Persönlichkeit des bekannten Freibeuters Sir Francis Drake verabschieden. In Nachwort kommt die Autorin darauf zu sprechen.

Alles in allem ist „Der Palast der Meere“ ein Großartiger und vielseitiger Roman. Nicht nur spannend, sondern auch mit viel augenzwinkernden Humor und klug erzählten Dialogen, gehört dieser Roman zu den wirklichen wichtigen im Genre des historischen Romans.

Auch wenn es heißt, dass „Der Palast der Meere“ der Abschluss der Waringham-Saga sein soll, würde es mich diebisch freuen, wenn sich die Autorin, vielleicht einmal mit der kriminellen Seite Londons auseinandersetzen würde. Die Diebesgilde eignet sich vortrefflich.

Michael Sterzik


Dezember 2015-12-11