True Crime“ hat sich in kurzer Zeit im Genre Thriller fest
etabliert. Der Blick in menschliche Abgründe fasziniert die Leser, die das
Grauen aus ihrer Komfortzone mit einem Schaudern verfolgen.
Der Autor Andreas Gößling, der schon mit „Wolfswut“ und in
Zusammenarbeit mit dem Rechtsmediziner Prof. Michael Tsokos eine erfolgreiche
Trilogie verfasste, setzt nur mit „Drosselbrut“ einen weiteren Meilenstein im Genre
„True Crime“.
„Drosselbrut“ basiert auf der Kriminalgeschichte und der Person
des belgischen Mörders und Sexualstraftäter Marc Dutroux. In den 90er Jahren
war Marc Dutroux ein mörderischer Straftäter, der zusammen mit Komplizen und
seiner Ehefrau beispiellos grausame Verbrechen an Kindern verübte. Psychologen stuften
den Täter nicht als Pädophilen ein, sondern als geltungssüchtigen, geldgierigen
und gewalttätigen Psychopathen. Auch wenn Marc Dutroux in mehreren Fällen
überführt wurde, es war noch lange nicht zu Ende. Es gab eine ganze Reihe von
Ermittlungspannen, dass zur Folge hatte, dass einige hochrangige Politiker und
Kriminalbeamte von ihren Ämtern zurücktraten. Der Prozess der 2004 begann
entwickelte sich zu einer Farce.
Marc Dutroux bekräftige vor Gericht immer wieder, dass er
die Entführungen von Kindern auf Befehl eines Netzwerkes von hochrangigen
Persönlichkeiten durchgeführt hätte. War Marc Dutroux nur ein „Bauernopfer“?
Interessant allerdings und diese Fakten gehören leider nicht ins Land der
Fabeln und Legenden, dass 27 Personen – Zeugen, Journalisten, Kriminalbeamten,
Staatsanwälte während des Prozesses ums Leben gekommen sind. Unfälle,
Selbstmorde, plötzliche Tode….alles nur Zufall – oder gibt es wirklich eine
Schattengesellschaft in Europa, die Menschenhandel betreibt und zu ihren
Vergnügen Kinder und Jugendliche entführen, foltern und töten lässt? Belgien
taumelt unter diesem dramatischen und für die Hinterbliebenen Eltern und
Angehörigen Ereignissen. Pannen, Vertuschungen – es gab niemals
Lösegeldforderungen der Entführer. Alles nur ein Zufall? Wenn es einflussreiche
Hintermänner gab, oder noch gibt, wer sind diese?
Andreas Gößling adaptiert die wahre Geschichte des Mörders
Marc Dutroux und lässt seine Handlung in „Drosselbrut“ im jetzigen Berlin
spielen. Wie in den ersten Band „Wolfswut“ spielen die beiden Kommissare Kira Hallstein
und Max Lohmeyer die Hauptrolle in diesem wuchtigen Thriller.
Der Autor lässt das Grauen sehr konsequent und
kompromisslos wirken. Weniger durch brutal geschilderte Szenen, sondern das
Grauen offenbart sich, durch die Erkenntnis – dass es diese „Fürsten der
Finsternis“ wirklich gibt. Diese Erkenntnis löst in Kira Hallstein panikartige
Attacken aus. Sie sieht überall ein Netzwerk der Bruderschaft. Sie vermutet,
dass selbst ihre Chefs kompromittiert sind, ggf. Mitglieder dieses menschenverachtendes
Netzwerkes sind. Ihr Kollege Max Lohmeyer, übernimmt den besonnenen, analytischen
Part der Ermittlungen. Allerdings keinesfalls handelt dieser Emotionslos.
Andreas Gößling erzählt diese emotionsreichen Ermittlungen
nicht nur hochspannend, sondern auch nachhaltig informativ. „Drosselbrut“
entwickelt sich zu einer Eskalationsspirale, die alles mit sich reißt – auch
die Ermittler kommen an ihre physischen und psychischen Grenzen.
Interessant ist es, wenn der Leser nach dem Buch selbst
beginnt zu recherchieren. Die Handlungen, bzw. der Grundgedanke des Autors,
dass es eine Schattengesellschaft geben muss – sind erschreckend und ganz und
gar nicht als abwegig anzusehen. Befasst man sich mit dem Kriminalfall „Marc
Dutroux“ kommt man schnell zu der Erkenntnis, in welche menschlichen Abgründe
sich Andreas Gößling als Autor dieser Reihe bewegen musste. Eine höllische Perspektive,
etwas von Dantes Inferno….das Böse unter der Sonne, im Schatten der Mächtigen,
die alles und jeden töten, oder manipulieren, der sich ihnen gefährlich
nähert!?
„Drosselbrut“ ist brisant – eine Thematik die uns vor Augen
führt, dass es „Fürsten der Finsternis“ wirklich gibt. „Drosselbrut“ ist ein
Stück weit ernüchternd – gerade weil man diesen Roman nicht einfach weglegen
und sich sagen kann: „Tolle Unterhaltung“. „True Crime“ – ist ein Genre, bei
dem man sich bewusst auf eine dunkle Reise begibt.
Die Charakterzeichnung ist insgesamt gut – die Person der
Kira Hallstein allerdings etwas überzeichnet. Sie ist zwar ein
Ermittlungstalent, aber eine wirkliche Nervensäge und selbst kompromittiert –
sodass sie als Ermittlerin eigentlich völlig fehl am Platze ist.
Die Storyline teilt sich in verschiedenen Ebenen, bzw. in
Kriminalfällen auf. Primär allerdings geht es um die Adaption des Kriminalfalls
„Dutroux“.
Fazit
„Drosselbrut“ von Andreas Gößling ist ein dramatischer
Blich in die Abgründe der Finsternis. Harte Handlungen, die nachhaltige Emotionen
hervorrufen, und es ermöglichen eine Perspektive einzunehmen, die man
eigentlich gar nicht wahrhaben möchte.
Hochspannender Thriller – Hart – konsequent – nachhaltig und
brillant.
Michael Sterzik