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Sonntag, 28. September 2025

Mörder unter uns - Hariett Drack


Hariett Drack entführt uns in ihrem neuesten Werk "Mörder unter uns" in eine Welt, in der das Böse oft ein vertrautes Gesicht trägt. Der nette Nachbar von nebenan, die langjährige Freundin, der eigene Partner – Menschen, die wir zu kennen glauben, entpuppen sich als Protagonisten düsterer Dramen. Drack beleuchtet die rätselhaften Facetten unserer Existenz, jene Momente emotionaler Überreaktion, die uns zu Taten treiben, die wir weder von uns selbst noch von anderen erwartet hätten.


Oft begegnen uns solche Individuen im Alltag, ohne dass wir ihre dunkle Seite erahnen. Wir neigen zu vorschnellen Urteilen, betrachten Taten als isolierte Momentaufnahmen und verurteilen, ohne die verborgene Vergangenheit zu kennen, die ein Verbrechen möglicherweise erklären könnte. Doch die Tat bleibt bestehen, während die Motive im Dunkeln verweilen.

Die vermeintliche Gleichheit vor Gericht und die Neutralität des Gesetzes entpuppen sich als Halbwahrheiten. Ebenso die Annahme, dass Verbrecher stets moralisch verkommene Individuen sind. Drack entlarvt diese Klischees und präsentiert uns Menschen, die wir alle kennen könnten – ob als Täter oder Opfer.

Als Gerichtsreporterin saß Harriett Drack in der ersten Reihe bei den bizarrsten und spektakulärsten Kriminalfällen, die vor dem Kölner Landgericht verhandelt wurden. Sie erzählt von einem rachesüchtigen Patienten, der seine Therapeutin entführt, einem Pädophilen, der seine Neigungen als Erzieher auslebt, und einer verzweifelten Mutter, die aus Angst vor ihrem rechtsradikalen Lebensgefährten ihr Kind tötet.

Mit prägnantem und klarem Blick erklärt sie, wie Täter ticken und warum nicht immer alle Motive einer Tat aufgedeckt werden können. Ihre Einblicke sind zugleich erschütternd und fesselnd, indem sie von wahren Verbrechen berichtet, die unweigerlich Fragen über Schuld und Verantwortung aufwerfen. (Verlagsinfo)

Die zwanzig Geschichten in diesem "True Crime"-Titel sind ein Wechselbad der Emotionen. Einige sind schwer zu ertragen, da die Motivation und Erklärung der Täter vor Gericht nicht mit unserem Empfinden von Gut und Böse in Einklang zu bringen sind. Andere wiederum lassen uns schmunzeln oder erstaunt nachdenken.

Dracks schriftstellerischer Stil ist packend, doch die Kürze mancher Fälle hinterlässt offene Fragen und den Wunsch nach mehr Tiefe. Einige Geschichten, die nur auf zwei Seiten beschrieben sind, hätten zugunsten ausführlicherer Darstellungen weggelassen werden können. Es sind leider zu kurz geratene Kurzgeschichten.

Fazit:

"Mörder unter uns" ist ein spannender und unterhaltsamer Titel – ideal für kurzweilige Leseerlebnisse. Es sind kleinere Gute-Nacht-Geschichten, die man auch zwischendurch genießen kann. Ich persönlich würde mir wünschen, einen umfangreichen Roman von Harriett Drack zu lesen, um noch tiefer in ihre faszinierende Welt der Kriminalfälle einzutauchen.

Michael Sterzik

Montag, 22. September 2025

Der Trailer - Linus Geschke


Das Böse zu definieren, gleicht dem Versuch, einen Schatten zu fassen. Obwohl es in jedem Leben seine Spuren hinterlässt, entzieht es sich einer klaren Kontur. Wir sind Mitschöpfer dieser Negativität, oft verfangen in ihrem Netz, manchmal suchen wir sogar ihre Unterstützung und nutzen sie als Versteck.

Es ist eine polarisierende, intelligente Kraft, die uns unaufhaltsam verändert, wie ein stiller Tsunami, dessen mörderische Wellen alles in seiner Umgebung zu verschlingen drohen. Und doch liegt in diesem Abgrund eine verlockende Faszination. Wir bewundern die scheinbare Unabhängigkeit, das unerschütterliche Selbstbewusstsein und die Stärke, die das Böse auszustrahlen scheint – Eigenschaften, die wir uns so sehr wünschen. So korrumpiert die Macht, und das Böse versteckt sich oft hinter der verführerischen Maske des Guten.

Besonders charismatische Menschen, die scheinbar grenzenlos ihren eigenen Weg gehen, üben dabei eine besondere Anziehung aus. Doch hinter der selbstbewussten Fassade, in den stillen Momenten der Selbstreflexion, zerfließen die klaren Grenzen. Dort, wo man sich selbst schonungslos analysiert, offenbart sich die wahre, unscharfe Wahrheit über das Grenzgebiet zwischen Gut und Böse.

Der vorliegende Roman von Linus Geschke: „Der Trailer“ thematisiert den Begriff „Böse“ und das auf einem hohem Spannungsniveau. 

Ein abgelegener Campingplatz in den Ardennen. Eine Studentin, die dort unter mysteriösen Umständen verschwindet. Als der Fall auch 15 Jahre später noch ungelöst ist, nimmt die Hamburger Kommissarin Frieda Stahnke an einem True-Crime-Podcast teil, um den Fokus der Öffentlichkeit erneut auf die Geschehnisse zu richten. Sie ahnt nicht, dass sie damit nur weitere Morde auslösen wird.

Wout Meertens, ein schmieriger Barbesitzer aus Köln, hört diesen Podcast. Er war zur selben Zeit wie die verschwundene Lisa Martin in Camp Donkerbloem, aber er redet nicht mit der Polizei. Verurteilte Stalker tun das nie. Nicht, wenn sie sich nicht selber verdächtig machen wollen.

Als sich die Wege von Frieda und Wout kreuzen, wird klar, dass sie nur gemeinsam herausfinden können, was mit Lisa Martin geschah. Dafür müssten sie sich jedoch vertrauen – ohne es später zu bereuen …(Verlagsinfo) 

Manche Krimis fesseln uns durch die bloße Wucht ihrer Handlung, eine Sogwirkung, die uns das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt. Doch dann gibt es Romane, in denen die Charaktere so vielschichtig sind, dass die eigentliche Handlung zur Nebensache wird. „Der Trailer“ von Linus Geschke ist genau so ein Buch.

Die Geschichte an sich ist nicht revolutionär, aber das ist hier auch nicht der Punkt. Geschke scheint bewusst auf stereotypische Muster zu verzichten. Stattdessen tauchen wir ein in ein komplexes Spiel, in dem die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge fließend und verdammt groß ist. Es gibt keine einfache Moral, die uns am Ende beruhigt.

Das Herzstück dieses Romans sind die Charaktere. Sie sind meisterhaft und tiefgründig gezeichnet. Geschke überlässt es uns, sie einzuordnen – ein scheinbar einfaches Gut-Böse-Schema, das sich jedoch schnell auflöst. Denn in dieser Welt ist das Böse salonfähig und raffiniert, fernab von klischeehaften Bösewichten. Es gibt keine klassische Rollenverteilung. Stattdessen begegnen wir fehlerhaften Menschen, deren Handlungen oft unvorhersehbar sind und nicht unseren Erwartungen entsprechen.

Die Verwandlung vom Guten ins Böse wird hier als ein Prozess dargestellt, der nicht immer eine bewusste Entscheidung ist, sondern eine Reaktion auf erlittenes Leid. Wenn man gezwungen oder tief verletzt wird, kann sich eine Eskalationsspirale in Gang setzen, die das Fundament der eigenen Seele erschüttert. Verbrechen ist eben kein erlernbarer Beruf, sondern oft eine Konsequenz menschlicher Abgründe.

Obwohl „Der Trailer“ der erste Teil einer Trilogie ist, bietet er einen in sich abgeschlossenen Handlungsstrang. Die Weichen für die Fortsetzungen sind jedoch subtil gestellt. Die Spannung entsteht nicht durch unglaubwürdige Zufälle oder überdrehte Räuberpistolen, sondern durch die beklemmende Realität der Figuren und ihrer Motive. Nach der Lektüre wird man unweigerlich über diese Charaktere nachdenken müssen – sie lassen einen nicht so schnell los.

Fazit:

Die Monster in „Der Trailer“ sind verdammt menschlich und das Böse ist salonfähig. Ein großartiger Pageturner, der lange nachwirkt.

Michael Sterzik

Montag, 22. Juli 2024

Vermisst - Der Fall Anna - Christine Brand


In vielen Polizeidienststellen stapeln sich ungelöste Kriminalfälle - so genannte „Cold Cases“. Viele von ihnen sind in die Jahre gekommen und liegen teilweise seit Jahrzehnten in verstaubten Regalen und Schränken. Es gibt Abteilungen, die sich immer wieder mit Begeisterung und Motivation diesen historischen Verbrechen widmen - mit sehr unterschiedlichem Erfolg. 

Nicht zuletzt der technische Fortschritt, nicht nur neue Verfahren und Mittel in der Ermittlungstechnik, sondern auch im medizinischen Bereich der Analytik gab und gibt es Quantensprünge, die den Tatort oder den Tathergang in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen können.

Für die Angehörigen der Opfer bringt die Aufklärung des Falles Seelenfrieden und vielleicht auch Gerechtigkeit, sofern der Täter noch ermittelt werden kann. Auch für die Ermittler, die sich vielleicht jahrelang mit diesem komplexen Fall beschäftigt haben, wird es eine menschliche Erleichterung sein, diesen Fall abgeschlossen zu haben. 

Diese Cold Case - Geschichten werden inzwischen fast inflationär von vielen Krimi- und Thrillerautoren aufgegriffen. „True Crime“ - die wahren Verbrechen sind morbide, faszinierend und spannend und garantieren unterhaltsame Lesestunden. 

Christine Brand - Die Gerichtsreporterin und Bestsellerautorin aus der Schweiz greift in ihrem neuesten Roman „Vermisst“ einen historischen Kriminalfall auf.

Malou Löwenberg ist Kommissarin beim Morddezernat und ein Findelkind. Als sie Dario kennenlernt, ist sie von seiner Geschichte fasziniert: Darios Mutter verschwand an seinem fünften Geburtstag spurlos. Obwohl alles dagegenspricht, glaubt er, dass seine Mutter noch lebt. An ihre eigene Geschichte erinnert, beginnt Malou zu ermitteln. Sie stößt auf immer mehr Vermisstenfälle: Alle Frauen verschwanden am fünften Geburtstag ihrer Kinder und alle Kinder erhalten ebenso wie Dario bis heute mysteriöse Geburtstagskarten …(Verlagsinfo) 

Die Geschichte spielt in der Schweiz und ist wohl der Auftakt zu einer neuen Serie. 
Spannend ist der Roman - aber dass die Ermittlerin wieder einmal persönlich in den Fall verwickelt ist, ist schon ein wenig haarsträubend. Unterhaltsam ja - aber unglaubwürdig, auch wenn das Leben offensichtlich die besten Krimis schreibt. 

Eine Reihe von Vermissten, die möglicherweise auf das Konto eines Serienmörders gehen, der makabre Botschaften an Kinder schickt? Eine Kommissarin, die sich auf eine schräge Beziehung einlässt, die ebenfalls ohne Eltern aufgewachsen ist und nun die Scherben ihrer privaten und beruflichen Herausforderungen aufsammeln und sortieren will?

Natürlich geht es auch um Emotionen. Die Frage, ob die eigene Mutter noch lebt, der Verlust, die offenen Fragen, das Gefühl, im Stich gelassen worden zu sein - all diese Gefühle werden in die Figur des Dario implantiert. Aber auch die zweite Hauptfigur - Malou Löwenberg - rennt ihrer Vergangenheit hinterher und versucht über ihren demenzkranken Vater mehr über ihre Herkunft zu erfahren. 

So nehmen auch diverse Nebengeschichten viel Raum ein. Sie drängen die Haupthandlung nicht in den Hintergrund. Aber natürlich verlängern sie den Umfang des Romans ungemein. Christine Brand verbindet diese Elemente auf grandiose Weise, so dass, wenn man von Unterhaltung sprechen will, diese nicht geschmälert wird.

„Vermisst“ ist auf jeden Fall ein sehr unterhaltsamer Krimi und am Ende des Romans gibt es schon einen logischen Ausblick auf die kommende Handlung. Atmosphärisch interessant - manchmal nicht unbedingt logisch und die Hands-on-Mentalität von Malou übergreifend auch nicht als realistische Ermittlungsarbeit zu bezeichnen. 

Fazit

Ein spannender Krimi - der noch viel Luft nach oben hat. Ich empfehle dringend, die privaten Herausforderungen der Ermittler nicht immer in die Haupthandlung einfließen zu lassen. „True Crime„ schön und gut - „Real Life“ dann eher eine Räuberpistole. 

Michael Sterzik

Freitag, 21. Oktober 2022

Maxima Culpa - Jedes Verbrechen beginnt im Kopf - Joe Bausch


Wir alle kennen die Schreckensmeldung aus den Medien, wenn es wieder zu einem Amoklauf ggf. in einer Schule gekommen ist, oder es einen Anschlag auf einem Weihnachtsmarkt, oder ein anderes Gewaltverbrechen. Die Opfer oftmals unschuldige, aber es gibt natürlich auch Beziehungstaten mit Tätern, von denen wir niemals gedacht hätten, dass diese zu etwas so Entsetzlichem überhaupt fähig sind. Die Frage nach dem „Warum?“ stellt sich dann immer ein und eine abschließende Antwort findet sich meistens nicht.

Psychologisch ist dies ein Thema, das zwar ansatzweise beantwortet werden kann, doch noch immer gibt es viele Sackgassen, vor denen man irgendwann fraglos steht. Sind diese Menschen, die wir im Alltag als nett, umgänglich und freundlich empfinden, wenn wir diesen begegnen – therapierbar!? Kann man ihren inneren Dämonen Paroli bieten und zu dem inneren Bios des Gehirns einen Zugang finden? Kann man die Festplatte und die Software – das psychologische Betriebssystem updaten, oder am besten ganz neu aufsetzen?

Joe Bausch, der als Gefängnisarzt in den letzten Jahrzehnten unzählige Straftäter kennengelernt und untersucht hat, und sicherlich auch viele intensive Gespräche geführt hat, erzählt in seinem neuesten Buch „Maxima Culpa“ von der schweren Straftat, die immer ihren Anfang im Kopf des Täters begonnen hat.

»Von unvorstellbarem Ausmaß«, so werden Gewaltakte mit tödlichem Ausgang in der Öffentlichkeit häufig genannt. Nur wenige Menschen kennen persönlich so viele Schwerverbrecher wie der langjährige Gefängnisarzt und True-Crime-Spezialist Joe Bausch. In seinem neuen Buch geht er der Frage nach, wie Gewalttaten entstehen. Er erzählt den Fall von der »Eislady«, aus Portugal, die sich von ihren dominanten Männern nur durch Mord zu befreien wusste. Oder vom dreifachen Familienvater, der auf Jersey elf Jahre lang ein Doppelleben als Sexualstraftäter führen konnte. Immer zeigt Bausch faszinierende Täterprofile und subtile Kausalitäten auf, die auch etwas vom zerstörerischen Drive unserer Gesellschaft offenbaren. (Verlagsinfo)

Der Fokus in dem vorliegenden Buch ist nicht die Schilderung im Detail von blutigen und unfassbaren Gewalttaten, es geht hier um die Psychologie der Tat und die Psychologie des Täters! In kurzen, aber prägnanten Kapiteln lässt uns der Autor an der Dynamik des Verbrechens teilhaben.

Warum gibt es bei diesen Tätern einen Kurzschluss, einen Blackout, einen „kein Anschluss unter dieser Nummer“, dass Sie dann oftmals eiskalt, berechnend, systematisch und mit Planung durchführen? Resultiert diese seelische Taubheit durch einen Kindheitstraum? Das ist und kann mit Sicherheit ein Grund sein, aber kein ausschließlicher, wenn der Mensch quasi via Autopiloten auf Gewalt umschaltet.

Erschreckende kurze Schicksale, viele davon kennen wir aus den Medien. Vieles lässt sich dann im Netz recherchieren, wenn man noch mehr Informationen erhalten möchte. Joe Bausch weiß, wovon er schreibt: Er erzählt von persönlichen Erfahrungen, von seinen eigenen Theorien und Schlussfolgerungen und natürlich gibt es viele Informationen, die uns die Welt der Justiz etwas verständlicher näherbringen. Strafmaß, Sicherheitsverwahrung, Urteile etc. wer damit wenig anfangen kann, dem wird hier etwas geholfen.

Das Buch zeigt uns auch, dass wir womöglich und das jeder von uns, in unserem Leben mehrfach Mördern, Sexualstraftätern usw. begegnen, bzw. potenziellen Zukunftstätern. Das Schreckliche daran ist, dass es unter gewissen Voraussetzungen jeder von uns werden kann. Das Leben ist voller Schicksalsschläge – unsere eigene Vergangenheit kennen wir nur selbst, unsere eigenen Dämonen können wir Namen geben – aber nur wir selbst können diese identifizieren.

Ein Mann, oder eine Frau sieht „Rot“. Ein bestimmtes Erlebnis, ein Gesicht, ein Gespräch, eine Erinnerung könnte der Trigger werden, dass wir von einem Dr. Jekyll zu einem durchgeknallten, aber intelligent mordenden Mr. Hyde werden!

Joe Bausch erzählt von Therapieversuchen, die sich ggf. über Jahre hinziehen, wobei der Täter selbst den Psychologen manipulieren kann. Vielleicht fühlt sich dieser auch dem „Bösen“ näher, als dem „Guten“ – schwer vorstellbar, aber leider allzu realistisch. Die Täter erklären sich auch, so wie Joe Bausch es erzählt.

„Maxima Culpa“ ist ein hochunterhaltsamer Titel, spannend und orientiert sich absolut an den Fakten. Das Leben schreibt halt immer noch die besten Geschichten. „True Crime“ – ein Sachbuch diesmal und Joe Bausch erzählt sehr plakativ und direkt, sehr verständlich und absolut packend. Ich hätte mir gewünscht, dass er die Täter namentlich genannt hätte, es ist zwar nicht sonderlich schwer hier, die Hintergründe der Täter, die Opfer und den Hergang der Tat zu recherchieren, aber das Versteckspiel halte ich für sehr unnötig. 

Fazit

Spannender als ein Tatort – informativer als jeder Medienbericht und so packend erzählt, dass die Verbrechen, die im Kopf des Täters entstehen, dem Leser psychologisch erklärt, eine Gänsehaut vermitteln. Der Täter wird hier nicht verharmlost – er ist ein Mensch, der zum Monster werden kann.

Michael Sterzik

Dienstag, 12. Oktober 2021

Wahre Verbrechen - Christine Brand


Die Autorin Christine Brand weiß, wovon sie schreibt – es sind keine fiktiven Geschichten, über die sie schreibt. Als Journalistin hat sie die Prozesse vor Gericht begleitet, hat sich mit den Verbrechen auseinandergesetzt, recherchiert, mit Opfern und Polizisten gesprochen – so tief in das „Böse“ eingetaucht und damit in finstere, dunkelste Abgründe gesehen.

Das Leben schreibt die spannendsten und originellsten Geschichten und diese sechs Geschichten, die von Christine Brand erzählt sind nicht nur spannend, sondern vermitteln auch eine Botschaft, über die man sich Gedanken machen muss.

Ein Thema, auf das die Autorin hier eingeht, ist das Justizsystem – ist das Rechtssystem in der Schweiz und Deutschland fehlerfrei und objektiv genug, um damit wirklich „Recht“ zu sprechen, um der Gerechtigkeit zu entsprechen. Es bleiben eine Menge Fragen offen – Fehler in den Ermittlungen führen dazu, dass „Täter“ geschützt werden können, das ist leider auch keine Fiktion. Ein weiteres Faktum ist leider auch, dass unverhältnismäßig und bei offensichtlichen Unregelmäßigkeiten weggeschaut wird – und nicht nur das, über Monate hinweg werden diese merkwürdigen Ereignisse, die jegliche Statistik und Vernunft einfach einäschern, verdrängt und ignoriert. Das Ergebnis davon ist mörderisch. Es hätten mehrere Leben gerettet werden können, und viele Angehörige hätten sich unendliches Leid erspart.  

Ein unauffälliges Ehepaar wird zum tödlichen Duo – mit einem absurden Motiv. Ein Mann gesteht den Mord an seiner Frau und wird doch freigesprochen. Ein kleines Dorf wird von einer unvorstellbaren Tat erschüttert. Christine Brand, Autorin des Bestsellers »Blind« und weiterer Kriminalromane um ein Schweizer Ermittlerduo, war als Gerichtsreporterin bei den Prozessen zu diesen und anderen Fällen hautnah dabei und hat Einblicke in die Geschichten von Tätern, Opfern und Publikum wie kaum jemand sonst. Sie erzählt von den Verbrechen, spannender und oft unglaublicher als jeder Krimi, und davon, wie es ist, im Gerichtssaal zu sitzen und in die tiefsten Abgründe der Menschen zu blicken.(Verlagsinfo)

„Wahre Verbrechen“ von Christine Brand geht tief unter die Haut. Erschreckend, verstörend, beängstigend und es entwickelt sich auch eine gewisse Verärgerung. Die Kriminalfälle sind abgeschlossen – soweit so gut, aber das Leid für die Angehörigen ist allerdings ein Lebenslänglich. Stellt sich die Frage – was passiert mit diesen Angehörigen, wird ihnen geholfen, haben sie eine Begleitung in der schweren Zeit, damit meine ich keine finanzielle Unterstützung, es bringt die Toten nicht zurück?!

Der Blick hinter dem Spiegel des Verbrechens – diese Perspektive, die uns Christine Brand beschreibt, ist authentisch und spannend. Dass diese auch eine faszinierende Unterhaltung ist, steht außer Frage – doch lassen die Geschichten den Leser nicht los. Das Echo der Gewalt, der Wut und des Schreckens hallen noch länger nach.

Die Motive der Täter sind beängstigend – ein Blick in deren psychologischer grausamen Welt ist verstörend. Die Täter sind keine „Monster“ – man sieht  und merkt es ihnen nicht an, dass diese ggf. krankhaft veranlagt sind. Es könnte jeder von uns sein, der Nachbar, der Freund, der Bekannte – eine Person, die man meint zu kennen, aber gefährliche Soziopathen sind.

Christine Brand versucht zu erklären, welche Motive diese Straftäter hatten, welche Vorgehensweise sie gewählt haben, um Menschen bewusst zu töten. Sie erzählt von deren Auftritt vor Gericht, von dem Strafmaß und lässt auch das Leid der Angehörigen wirken. Genau das macht das Buch „Wahre Verbrechen“ zu einem wirklich hervorragenden Titel. Der Gesamtblick auf das Verbrechen – aus verschiedenen Perspektiven – keine dramatischen Momentaufnahmen, die in ein theatralisches Licht gesetzt werden.

Wer mehr über diese Fälle wissen möchte, dem wird es einfach gemacht über das Internet zu recherchieren. Christine Brand gibt es in ihrem Buch selbst ein Stimme – sie erzählt von ihren eigenen Emotionen, von Wut, einer Traurigkeit, von Mitgefühl – es ist auch eine persönliche Aufarbeitung von diesen Fällen, die sie als Journalistin vor Gericht begleitet hat. Völlig loslassen, sich nach dem Verlassen des Gerichtsgebäudes auf den Alltag einzulassen, ich vermute, dass das schwer war und nicht wirklich gut funktioniert.

Fazit

„Wahre Verbrechen“ von Cristina Brand ist exzellent erzählt. Der Schrecken, die Wut –alle Emotionen, die man empfindet, sich „wahr“ – das Echo der Gewalttaten klingt nach. Die Wut und die Verzweiflung der Angehörigen wird ein Podium geschaffen. Es bleiben kritische Fragen übrig, die zwar nicht beantwortet werden – aber die aufrüttelnd sind. Ein sehr, sehr starker Titel aus dem Genre „True Crime“. Prädikat: Unbedingt lesen.

Michael Sterzik

Donnerstag, 27. Februar 2020

Abgefackelt - Michael Tsokos


Das Untergenre „True Crime“ im Ressort Thriller, erfreut sich in der Belletristik für überaus sehr erfolgreiche Romane und darüber hinaus stattliche Verkaufszahlen. Da das Leben wie bereits bekannt, die besten Geschichten schreibt, warum also halt machen vor den tiefen Abgründen unserer (Un)Menschlichkeit?! Morbide ist es ja schon etwas, wenn man von wahren Verbrechen liest, bei dem uns ein Schauer über den Körper fährt, oder wir doch mal voller Teilnahme den Kopf schütteln, um anschließend mal kurz tief durchzuatmen.

Prof. Dr. Michael Tsokos leitet seit 2007 das Rechtsmedizinische Institut für Rechtsmedizin der Charité und das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. National und International ein detektivischer Experte, ein „Aufschneider“ der dem Tod jeden Tag auf dem Seziertisch begegnet –- vielleicht als Virus, oder Bakterie getarnt und verantwortlich, aber Gevatter Tod war schon immer originell und versteht sich als wahrer Bühnenstar.

In seinem neuesten Titel: „Abgefackelt“ – der zweite Band um den Rechtsmediziner Paul Herzfeld, lässt er nichts anbrennen.

Rechtsmediziner Paul Herzfeld steckt sein letzter Fall noch in den Knochen, weshalb er vorübergehend von Kiel nach Itzehoe auf eine vermeintlich ruhigere Stelle in der Pathologie versetzt wird. Doch die dortige Ruine des Klinikumarchivs zeugt von einem Flammenmeer, in dem nicht nur tausende Akten und Gewebeproben dem Feuer zum Opfer fielen, sondern auch Herzfelds Vorgänger in der Pathologie den Tod fand. Ein Todesfall mit zu vielen Ungereimtheiten, wie Herzfeld findet. Und je weiter er nachforscht, desto klarer wird, dass er einem Skandal ungeheuren Ausmaßes auf der Spur ist. Die Gesundheit der Bevölkerung Norddeutschlands ist ernsthaft bedroht. Seine Ermittlungen auf eigene Faust bleiben nicht lange unentdeckt, denn bald verfolgt ihn eine eiskalte Killerin auf Schritt und Tritt. Ihr Mordwerkzeug: eine Drohne. Ihr Lieblingsspielzeug: Feuer.

Während immer mehr Leichen auf Paul Herzfelds Sektionstisch landen, bringen seine Nachforschungen den Rechtsmediziner erneut in akute Lebensgefahr. (Verlagsinfo)
Der vorliegende Band ist zeitweiser ruhiger erzählt. Nicht so dramatisch, nicht so viel an Spannung die sich präsentiert, obgleich der Unterhaltungswert absolut stabil ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass unsere Erwartungshaltung sehr hoch ist. Die Romane von Michael Tsokos erreichen eine Unterhaltungsqualität, die in diesem Genre „True Crime“ durchaus mit am meisten überzeugt – also kann es ruhig, etwas ruhiger zugehen.

Nichtsdestotrotz nimmt man Paul Herzfeld die Rolle des posttraumatischen, gestressten Verbrechensopfers nicht ohne weiteres ab. Seine private Situation, sowieso schon angespannt, könnte in einer nicht allzu kurzen Zeitspanne implodieren. Und der gute Rechtsmediziner ist inzwischen ein Profi, wenn es darum geht sich und andere in Lebensgefahr zu bringen. Alle Achtung.

Wie in vielen anderen Thrillern des Autors zuvor, hat dieser viele tatsächlich geschehene Ereignisse faktisch gut interpretiert in seiner Handlung für „Abgefackelt“ verwendet. Im Nachwort geht Prof. Dr. Michael Tsokos darauf ein.

Fazit

„Abgefackelt“ ist der zweite Teil der Reihe und wie gesagt etwas ruhiger, aber das Ende wirft schon große Schatten auf den dritten Teil und dieser wird, dass kann man vermuten persönlicher und drastischer werden für Dr. Herzfeld. Die Spannung pausiert also nur etwas – oder bereitet sich auf den absoluten Höhepunkt vor.

Michael Tsokos fackelt nicht lange – die Lunte für Teil 3 brennt und könnte vermutlich ein Pageturner werden.

Michael Sterzik



Sonntag, 19. Mai 2019

Drosselbrut - Andreas Gößling


True Crime“ hat sich in kurzer Zeit im Genre Thriller fest etabliert. Der Blick in menschliche Abgründe fasziniert die Leser, die das Grauen aus ihrer Komfortzone mit einem Schaudern verfolgen.

Der Autor Andreas Gößling, der schon mit „Wolfswut“ und in Zusammenarbeit mit dem Rechtsmediziner Prof. Michael Tsokos eine erfolgreiche Trilogie verfasste, setzt nur mit „Drosselbrut“ einen weiteren Meilenstein im Genre „True Crime“.
„Drosselbrut“ basiert auf der Kriminalgeschichte und der Person des belgischen Mörders und Sexualstraftäter Marc Dutroux. In den 90er Jahren war Marc Dutroux ein mörderischer Straftäter, der zusammen mit Komplizen und seiner Ehefrau beispiellos grausame Verbrechen an Kindern verübte. Psychologen stuften den Täter nicht als Pädophilen ein, sondern als geltungssüchtigen, geldgierigen und gewalttätigen Psychopathen. Auch wenn Marc Dutroux in mehreren Fällen überführt wurde, es war noch lange nicht zu Ende. Es gab eine ganze Reihe von Ermittlungspannen, dass zur Folge hatte, dass einige hochrangige Politiker und Kriminalbeamte von ihren Ämtern zurücktraten. Der Prozess der 2004 begann entwickelte sich zu einer Farce.

Marc Dutroux bekräftige vor Gericht immer wieder, dass er die Entführungen von Kindern auf Befehl eines Netzwerkes von hochrangigen Persönlichkeiten durchgeführt hätte. War Marc Dutroux nur ein „Bauernopfer“? Interessant allerdings und diese Fakten gehören leider nicht ins Land der Fabeln und Legenden, dass 27 Personen – Zeugen, Journalisten, Kriminalbeamten, Staatsanwälte während des Prozesses ums Leben gekommen sind. Unfälle, Selbstmorde, plötzliche Tode….alles nur Zufall – oder gibt es wirklich eine Schattengesellschaft in Europa, die Menschenhandel betreibt und zu ihren Vergnügen Kinder und Jugendliche entführen, foltern und töten lässt? Belgien taumelt unter diesem dramatischen und für die Hinterbliebenen Eltern und Angehörigen Ereignissen. Pannen, Vertuschungen – es gab niemals Lösegeldforderungen der Entführer. Alles nur ein Zufall? Wenn es einflussreiche Hintermänner gab, oder noch gibt, wer sind diese?

Andreas Gößling adaptiert die wahre Geschichte des Mörders Marc Dutroux und lässt seine Handlung in „Drosselbrut“ im jetzigen Berlin spielen. Wie in den ersten Band „Wolfswut“ spielen die beiden Kommissare Kira Hallstein und Max Lohmeyer die Hauptrolle in diesem wuchtigen Thriller.

Der Autor lässt das Grauen sehr konsequent und kompromisslos wirken. Weniger durch brutal geschilderte Szenen, sondern das Grauen offenbart sich, durch die Erkenntnis – dass es diese „Fürsten der Finsternis“ wirklich gibt. Diese Erkenntnis löst in Kira Hallstein panikartige Attacken aus. Sie sieht überall ein Netzwerk der Bruderschaft. Sie vermutet, dass selbst ihre Chefs kompromittiert sind, ggf. Mitglieder dieses menschenverachtendes Netzwerkes sind. Ihr Kollege Max Lohmeyer, übernimmt den besonnenen, analytischen Part der Ermittlungen. Allerdings keinesfalls handelt dieser Emotionslos.

Andreas Gößling erzählt diese emotionsreichen Ermittlungen nicht nur hochspannend, sondern auch nachhaltig informativ. „Drosselbrut“ entwickelt sich zu einer Eskalationsspirale, die alles mit sich reißt – auch die Ermittler kommen an ihre physischen und psychischen Grenzen.

Interessant ist es, wenn der Leser nach dem Buch selbst beginnt zu recherchieren. Die Handlungen, bzw. der Grundgedanke des Autors, dass es eine Schattengesellschaft geben muss – sind erschreckend und ganz und gar nicht als abwegig anzusehen. Befasst man sich mit dem Kriminalfall „Marc Dutroux“ kommt man schnell zu der Erkenntnis, in welche menschlichen Abgründe sich Andreas Gößling als Autor dieser Reihe bewegen musste. Eine höllische Perspektive, etwas von Dantes Inferno….das Böse unter der Sonne, im Schatten der Mächtigen, die alles und jeden töten, oder manipulieren, der sich ihnen gefährlich nähert!?

„Drosselbrut“ ist brisant – eine Thematik die uns vor Augen führt, dass es „Fürsten der Finsternis“ wirklich gibt. „Drosselbrut“ ist ein Stück weit ernüchternd – gerade weil man diesen Roman nicht einfach weglegen und sich sagen kann: „Tolle Unterhaltung“. „True Crime“ – ist ein Genre, bei dem man sich bewusst auf eine dunkle Reise begibt.
Die Charakterzeichnung ist insgesamt gut – die Person der Kira Hallstein allerdings etwas überzeichnet. Sie ist zwar ein Ermittlungstalent, aber eine wirkliche Nervensäge und selbst kompromittiert – sodass sie als Ermittlerin eigentlich völlig fehl am Platze ist.
Die Storyline teilt sich in verschiedenen Ebenen, bzw. in Kriminalfällen auf. Primär allerdings geht es um die Adaption des Kriminalfalls „Dutroux“.

Fazit

„Drosselbrut“ von Andreas Gößling ist ein dramatischer Blich in die Abgründe der Finsternis. Harte Handlungen, die nachhaltige Emotionen hervorrufen, und es ermöglichen eine Perspektive einzunehmen, die man eigentlich gar nicht wahrhaben möchte.
Hochspannender Thriller – Hart – konsequent – nachhaltig und brillant.

Michael Sterzik

Montag, 15. Oktober 2018

Die Elemente des Todes - Axel Petermann und Claus Cornelius Fiscer

In der offenen Reihe „True Crime“ im Verlag Knaur wurde vor kurzem der Titel: „Die Elemente des Todes“ von dem ehemaligen Kommissar und Profiler Axel Petermann und dem Autor Claus Cornelius Fischer veröffentlicht. 

Das Genre „True Crime“ ist erfolgreich im Münchner Verlagshaus. Ein bisschen frischer Wind im belletristischen Genre Krimi/Thriller. Das Angesicht des Todes kann schon recht verschieden demonstriert werden, und dass „Böse“ versteckt sich ja immer mal gerne hinter einer Maskerade der Normalität, oder der Harmlosigkeit. Doch dunkle Wasser sind tief – und das „Böse“ wirkt allzu sehr reizend auf uns. 

Lesen wir einen spannenden Krimi, oder einen actiongeladenen Thriller, so haben wir ein perfektes Alibi für unser Gewissen – alles nur Fiktion, ist nicht passiert, wie kann man sich so etwas nur ausdenken. Im Genre „True Crime“ schauen wir allerdings Ermittlern, Tätern und auch den Opfern als Voyeure über die Schulter und hier klettert dann die Realität verstohlen auf die Bühne. 

Der vorliegende Roman: „Die Elemente des Todes“ ist auf der Basis eines wahren Kriminalfalles geschrieben. Namen, einzelne Szenen wurden zum Schutz der Opfer, der Angehörigen und der Beamten verändert. Authentisch bleiben die Beschreibungen der Morde – und die Aura des „Bösen“. 

Den beiden Autoren ist es eindrucksvoll gelungen, nicht nur eine spannende Geschichte zu erzählen, sondern auch diese durch die verschiedenen Perspektiven der handelnden Personen zu schildern. Die perversen Fantasien der Täter, ihre Motivation, ihre Planung und Ausführung werden ebenso detailreich erzählt, wie die Ermittlungen der Kriminalbeamten. Der Leser wird den Druck auf die Beamten selbst empfinden, einmal den seelischen – den man sich nicht entziehen kann, wenn man das „Böse“ bekämpft, sondern auch die Herausforderung die Täter möglichst schnell stoppen zu können, damit der Bodycount nicht noch mehr steigt. Jeder Fehler bei einer Ermittlung, ein Zögern kann womöglich den Tod des nächsten Opfers nicht aufhalten. Wer möchte dann noch sagen können, oder daran erinnert werden: Hätte ich doch, warum habe ich nicht, wieso habe ich nicht daran gedacht!? Diese Emotionen spiegeln die Autoren realistisch. 

Aber auch die Opfer kommen zu Wort. Ihre emotionale Abhängigkeit gegenüber ihren späteren Mördern, wird thematisiert. Eine Droge – die tödlich endet und deren Beschreibung beim Leser noch lange nachklingen wird.

„Die Elemente des Todes“ von Petermann und Fischer ist kein Märchen, kein fiktionales Werk und das erzählte Grauen ist der Türöffner zum eigentlichen „Bösen“. Was dann auch die Frage aufwirft, aber letztlich nicht final beantworten kann: Wie wird man zum Mörder?  Psychologische Hintergründe in der Kindheit, oder ist das Böse in der DNA als festes Element eingebaut? Es gibt Studien, Wahrscheinlichkeiten, Ableitungen – aber keine ultimative Wahrheit. 

Durch diese drei Perspektiven eröffnet sich letztlich ein spannendes Gesamtkonstrukt, die Charaktere sind der passende Schlüssel. Die Spannung ist immer on air – der Leser dreht sich quasi mir Eskalationsspirale mit, dass mit hohem Tempo, ohne viel inhaltliche Pausen. 

Überhaupt – „Die Elemente des Bösen“ wirkt überzeugend über den detailgetreuen Emotionsdschungel. Die Wahrheit, schreibt die besten Geschichten. In diesem Fall die tödlichsten, aber manchmal fragt man sich ja doch wie naiv Angehörige von Opfern und Tätern sein können. Oder blenden sie im stressigen Alltag diese merkwürdigen Verhaltensweisen Ihrer „Lieben“ einfach aus!?

Für den aufmerksamen Leser eröffnen sich ebendiese in der Handlung, die wir auch nicht begreifen wollen, oder können. 

Sehr interessant und absolut packend dagegen sind die rhetorischen Duelle zwischen dem leitenden Kommissar und den Verdächtigten. Ein langsames, aber spannendes „Mensch ärgere Dich nicht“. Perfekt erzählt. 

Zu jedem Zeitpunkt der Handlung wird der Leser merken, dass den Kriminologen Axel Petermann als erfahrenen Autoren zeigt. Viele Details, ein kleiner, aber intensiver Einblick ist die gute und professionelle Ermittlungsarbeit. 

Es gibt wenig zu kritisierende Schwachpunkte. Bei den Autoren scheint es  eine musische Ausprägung zu geben und der verstorbenen Künstler „Falco“ erlebt hier seine Auferstehung. Es gibt einfach etwas zu viele Anspielungen von Musikstücken, die innerhalb der Handlung einfach mal vorrücken. Nicht wirklich störend, aber auffällig. Weiterhin wird in Nebengeschichten, dass Privatleben des Chefermittlers intensiv aufgegriffen – hier wäre es vorteilhaft gewesen, den Mördern ebenfalls diesen Raum zuzusprechen.

Fazit 

„Die Elemente des Todes“ reiht sich in Perfektion in die Reihe „True Crime“ ein. Spannende Abgründe in die Seelenwelt von Mörder. Sensible Charakterisierung der Opfer und ihre Abhängigkeiten. Grundlegender und sehr gelungener Blick in die Gefühlswelt eines leitenden Beamten. 

„Die Elemente des Todes“ ist böse authentisch. Ein Abstieg in menschliche Abgründe – der Spannungsbogen hält. Perfekt und sehr empfehlenswert.

Michael Sterzik


#Truecrime #Axelpetermann #DieElementedesTodes 






Montag, 5. Februar 2018

Wolfswut - Andreas Gößling

Wir Menschen tragen die Gewalt wie ein Gepäckstück durch die Jahrhunderte. Nicht alltäglich, aber selbst in unserer hoch technisierten und fortschrittlichen Zivilisation gibt es sie in den Nachrichten, in Filmen, Büchern, natürlich im Internet und manchmal auch bei uns zu Hause selbst. Auch eine Seele kann mich brutal misshandeln und verkrüppeln. 

Das „Böse“, mit all seinen Schattierungen wirkt faszinierend auf uns – sie sollte uns abschrecken, aber unser morbides Interesse verhindert es. Es ist ein Teil unserer Persönlichkeit, ein dunkler Zwilling, den wir beherrschen können und bei den meisten von uns, ist diese unter Kontrolle und wir können uns beherrschen, dieses Gebot: Du sollst nicht töten“ zu erfüllen.

„True Crime“ ein Sub Genre des Thrillers. Sind die spannenden, blutigen Geschichten, die Autoren sich ausdenken nur Fiktion und wenn ja – ist diese grausamer als die Wirklichkeit, die Wahrheit? Einfach zu beantworten – die Realität ist um ein Vielfaches grausamer.

Im vorliegenden Roman: „Wolfswut“ von Andreas Gößling orientiert sich der Autor an den authentischen Kriminalfall des Manfred Seel. Im September 2014 fand die Tochter des Kleinunternehmers Manfred Seel in der Garage mehrere Behälter mit Leichenteilen. Ihr Vater ist kurz zuvor an einer Krebserkrankung verstorben. Die Tochter sichtete den Nachlass um den elterlichen Haushalt und das Entrümplungsunternehmen ihres Vaters. Der Fund löste eine ganze Reihe von polizei- und staatsanwaltlichen Ermittlungen aus, die auch noch immer nicht völlig abgeschlossen sind. Die Akte Manfred Seel ist noch nicht bereit geschlossen zu werden. Das hessische LKA ist immer noch dabei Serienmorde aufzuklären.

Die Opfer waren Straßenprostituierte, drogenabhängig ohne soziale, feste Bindungen. Unter den bisherigen zehn Morden gab es auch einen männlichen Teenager und zwei Altenpflegerinnen. Die Grausamkeit des Täters ist schockierend – man kann davon ausgehen, dass die Opfer gefoltert wurden, die Amputationen und Organentnahmen bei vollem Bewusstsein erlebten. Spuren weisen daraufhin, dass Manfred Seel diese nicht alleine begangen haben konnte, doch wer war der Mittäter und mordet dieser noch immer. Einige der gefundenen Organe lassen darauf schließen, dass Kannibalismus ebenfalls stattfand.

Der Autor Andreas Gößling, der auch schon zusammen mit Prof. Dr. Michael Tsokos eine ganze Reihe von erfolgreichen true crime Thrillern geschrieben hat, schreibt nun solo weiter. Wenngleich die Story natürlich authentisch ist, so sind es die Ermittler natürlich nicht. Die beiden Kriminalbeamten Kira Hallstein und Max Lohmeyer ergänzen sich und weisen die typischen Merkmale auf. Eigenständig, rebellisch, querdenkend, innovativ und doch professionell. Schauplatz ist nicht Hessen, sondern die Megametropole Berlin.

Auch wenn hier die Fakten mit Elementen der Fiktion kombiniert werden, so ist die Story fast gänzlich realistisch. Sie ist aber nicht das klare Spiegelbild, der ermittelten Erkenntnisse, die von den realen Kriminalbeamten des LKA gefunden wurden. Es gibt noch eine Vielzahl von ungelösten Fragen, eine Menge von Antworten, sind noch ausstehend, vielleicht werden diese niemals abschließend geklärt werden.

„Wolfswut“ ist ein wirklich wütender Thriller. Spannung und Brutalität sind die zweieiigen erzählerischen Grundelemente. Das einige Morde durch die Augen, bzw. die Dokumentation, der oder des Täters geschildert wird, vertieft das Grauen. Die erzählerische Perspektive aus der Wahrnehmung Kira Hallsteins sind temporeich, fast gehetzt wirken sie auf uns und verstärken dadurch nur die düstere Atmosphäre.

Brutalität hin, oder her, sie ist nicht überdimensioniert, zwar nahe dran, aber das Grauen hat noch andere Facetten. Der Autor nimmt sich die Zeit, den Leser unsere Schattenwelt zu präsentieren. Wir wissen von dieser, wir wissen von diesen Menschen, die jegliche Hoffnung fast aufgegeben haben, die aus fernen Ländern gekommen sind mit den Träumen von Frieden, Wohlstand, Familie im Gepäck.

Doch diese Träume werden. Zerbrochen - Zersetzt - Zerschunden. Die Prostitution, der Drogenmissbrauch katapultiert diese jungen Frauen und Männer in Vorhöllen unserer Gesellschaft. Ausgenutzt verkaufen Sie sich als Ware an Männer, die ihre Gewaltbereitschaft an ihren Körper und Seelen ausleben, ihren Hass kanalisieren und mit Gewalt fokussieren. Straßenstrich, Bordelle, Privatwohnungen und das Darknet, - all diese Schauplätze finden sich in „Wolfswut“ wieder.

Der Leser wird also grauenhaft mit einer Realität konfrontiert, vor die er gerne die Augen schließt, wenn er diese Straßen und Häuser in der Gegenwart sieht. Vielleicht war es nicht vom Autor beabsichtigt, aber vielleicht sehen wir diese Menschen, dann mit einer anderen Wahrnehmung. Vielleicht helfen wir auch ein wenig vor unserer eigenen Haustür.

Die Protagonisten der Handlung manchmal ziemlich eindimensional gezeichnet. An der einen, oder anderen Stelle gelingt es dem Autor, dass Grauen, dass die Beamten sehen und erleben, nachzuempfinden. Es gibt einige Szenen und Erlebnisse, die wie ein Echo nachklingen beim lesen von „Wolfswut“ – und dieser Korridor ist dunkel, kalt und einsam.

Es gibt nicht viel zu kritisieren. Das Ende des Romans ist zwar in sich schlüssig, aber darstellerisch nicht nachvollziehbar. Aber lesen sie selbst.

Ein weiterer Band ist in Vorbereitung. Ich bin gespannt – welcher Vorlage sich der Autor aneignen wird.

Fazit

„Wolfswut“ ist das Echo unserer Furcht, ein grausamer anhaltender Schrei, der sich breitmacht. Brutale Spannung und doch noch leise genug, um gehört zu werden.

Michael Sterzik