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Samstag, 29. Juli 2023

Düstergrab - Romy Fölck


Die Elbmarschreihe wird nun mit dem sechsten Band: „Düstergrab“ fortgesetzt. Die Region um Hamburg und Lübeck, dieses raue, aber schönes Fleckchen Natur fasziniert nicht nur die dort lebenden Protagonisten, sondern auch die Autorin selbst. Ihre Liebe zu dieser Gegend findet sich in jedem Kapitel dieses Titels wieder.

Die Figuren um das Ermittlerduo Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn nehmen in Anzahl immer weiter zu. Eine „Familie“ aus Haupt- und Nebenfiguren mit persönlichen, privaten Herausforderungen geben der Handlung eine gewisse menschliche Tiefe mit. Das Verbrechen ist und bleibt natürlich der Fokus der gesamten Handlung. Als Quereinsteiger kann man unabhängig die Titel dieser Reihe lesen, aber rückblickend, um die Figuren besser greifen zu können, empfehle ich diese Reihe chronologisch zu lesen.

Dunkle Regenwolken treiben über dem kleinen Friedhof in der Marsch, als Kommissarin Frida Paulsen der Beerdigung eines ehemaligen Schulfreundes beiwohnt. Am nächsten Tag steht sie erneut vor seinem Grab – Spuren deuten darauf hin, dass es in der vergangenen Nacht geschändet wurde. Entsetzt blickt sie nun in das Innere des Sarges: Auf dem Leichnam des Verstorbenen liegt eine weitere Leiche, die eines Mädchens, bekleidet mit einem Kopftuch und einem altertümlichen Kleid. Handelt es sich bei der Toten um eine der Zwillingsschwestern, die vor Jahren verschwanden? Ihre Ermittlungen führen Frida und ihren Kollegen Bjarne Haverkorn schon bald zu einem Ehepaar, das nach archaischen Regeln auf einem abgelegenen Gehöft lebt. Und dunkle Geheimnisse zu verbergen scheint …(Verlagsinfo)

An Originalität fehlt es Romy Fölck nicht. Eine Leiche, auf einem gerade bestatteten Toten zu verstecken, ist fast ein perfektes Verbrechen, aber nur fast. Die Handlung von „Düstergrab“ umfasst zwei Fälle und bietet so dem Leser eine ansprechende. Abwechslung. Romy Fölcks schriftstellerische Stil entwickelt sich immer besser, somit ist sie selbst kein Wiederholungstäter, wenn man frühere Kritikpunkte jetzt nicht mehr wiederfindet. Das Privatleben der Figuren wird nun weniger ausufernd erzählt, wie oben erwähnt, aber sind diese Nebenhandlungen allerdings für das Gesamtbild nötig.

Beide Storylines sind hervorragend ausgearbeitet. Spannende Dramatik, die eine Eigendynamik entwickelt und es auch emotionale Tragik gibt. Recht und Ungerechtigkeit – dazwischen ein schmaler Grat, auf dem die Menschlichkeit versucht, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Beide Storylines entwickeln sich im Grunde sehr langsam, wechseln sich ab und die Perspektivwechsel der erzählenden Personen bieten eine großartige Unterhaltung. Am Ende überschlagen sich die Ereignisse und bei aller Spannung, die gegenwärtig ist, klingt dies Auflösung doch etwas allzu sehr konstruiert.

Die Atmosphäre der beiden Storys ist nicht düster, sie bietet eine Unterhaltung auf einem hohen Niveau und ist durchaus einwandfrei, wenn im hohen Norden gemordet wird.

„Düstergrab“ ist auch ein Scheideweg – viele Figuren stehen vor Entscheidungen, die ihr eigenes Leben in andere Bahnen lenken können. Ob nun diese ‚kriminelle‘ Großfamilie“ sich in einem vielleicht kommenden siebten Band vereint – sei dahingestellt. Im Grunde – das ist mein persönlicher Eindruck ist alles erzählt – jegliche Fortsetzung wäre eine künstliche Lebenserhaltung – und würde diese perfekte Reihe nur diskreditieren.

Fazit

„Düstergrab“ verspricht stimmungsvolle Unterhaltung. Tolle atmosphärische Handlung, die das Verbrechen nicht romantisiert – aber die Tragik der Menschlichkeit erzählt.

Michael Sterzik



Donnerstag, 24. Februar 2022

Nebelopfer - Romy Fölck


Der vorliegende Roman „Nebelopfer“ von Romy Fölck, ist der fünfte Band der erfolgreichen Elbmarsch-Reihe, bzw. die Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Reihe.
Romy Fölck hat als Autorin einen gewissen geografischen Heimvorteil. Die fruchtbare Elbmarsch lebt von der Landwirtschaft und der Viehhaltung. Aber nicht nur die Viehzucht ist hier von einer großen Bedeutung. Seit über 200 Jahre bringt eine blühende Pferdezucht immer wieder erfolgreiche Hannoveraner hervor, also für den Reitsport eine wichtige Adresse. Romy Fölck lässt die Elbmarschen aufleben, die raue Landschaft, die Felder, die Obstplantagen, die kleinen Dörfer und verträumten Höfe. Eine Landschaft, die, auch wenn sie manchmal nicht einladend wirkt, doch einen vielseitigen und tiefen Charakter haben. Die Menschen sind wie das Land selbst, freundlich, bisweilen stur und temperamentvoll, sie haben gelernt, mit der Natur im Einklang zu leben. Ein sprichwörtliches, selbstverständlichen Geben und Nehmen.
Diese Reihe von Romy Fölck überzeugt durch eine vielseitige, absolut authentische Figurenzeichnung. Keine verzweifelten, narzisstischen, einsame Antihelden mit gebrochenen Herzen, die sich eigentlich auf der Couch eines Seelenschraubers wiederfinden sollten. Die beiden Hauptcharaktere bilden fast schon eine stabile Symbiose, eine berufliche und private „Mauer“, zwischen dem kein Blatt passt. Flankiert werden diese von Frida Paulsens Familie, die alle „Herzlich willkommen“ heißen und deren Herzen so weit sind, wie die Elbmarschen selbst.
In den vorherigen vier Bänden spielte das Privatleben, die persönlichen Prüfungen der Figuren eine tragende Rolle. Sie formten die Figuren und schlichen sich damit schnell und nachhaltig in die Köpfe und Herzen der Leser. Diese familiäre „Bande“ als Vereinigung und Gefühl ist nicht nur sinnvoll, sondern auch sinnig erzählt.
Vorab sei schon jetzt zu sagen, dass der fünfte Band mit einer der stärksten dieser Reihe ist und auch als Autorin hat sich das sympathische Nordlicht Romy Fölck autodidaktisch gleich selbst einen Meilenstein gesetzt.
An einem nebligen Februarmorgen wird zwischen den Dörfern der Geest an einem uralten Galgenbaum eine Leiche gefunden. Am Hals des Toten baumelt ein Schild, das Kriminalkommissarin Frida Paulsen Rätsel aufgibt: Ich gestehe, im Prozess gegen Cord Johannsen falsch ausgesagt zu haben. Ihr Kollege Haverkorn erinnert sich sofort an den Fall. Vor vielen Jahren wurde der Bauer Johannsen für den kaltblütigen Mord an seiner Familie verurteilt, seither sitzt er im Gefängnis. Als kurz nach dem Leichenfund in der Geest ein weiterer Zeuge getötet wird, der im Prozess gegen Johannsen aussagte, ahnen die beiden Kommissare: Sie müssen den wahren Täter von damals finden, sonst wird es weitere Opfer geben …(Verlagsinfo)
Im Genre Krimi sind Cold Case Fälle hochaktuell, alte nicht abgeschlossene Fälle, die das LKA und BKA und ihre Kommissare archivieren. Aber auch die Ermittler haben dazu noch offene Fragen, keine Antworten, haben Zweifel am Tatgeschehen, oder schlimmstenfalls zweifeln sie selbst daran alles richtig zu haben.
Romy Fölck kombiniert im vorliegenden Roman, die nebulöse Vergangenheit mit der mörderischen Gegenwart und das funktioniert ungehindert fantastisch. Doch nicht nur die Story funkt mit einer Originalität, sondern auch die Ermittler bekommen durch eine charismatische, neue Figur. Diese ist nicht nur stark konzipiert, sondern hat auch starke Auftritte und auch Bjarne Haverkorn bekommt einen „Neuanfang“ und einen neuen Partner.
Am Ende gibt es neue Grenzen, unerforschtes Land und viele neue Möglichkeiten und Herausforderungen. Ein Scheideweg für die Figuren – und ich hoffe es geht weiter, denn so perfekt, spannend und tiefgründig, wie diese Charaktere in der Handlung agieren, habe ich es selten erlebt.
Der Unterhaltungswert bewegt sich auf höchstem Niveau, das nicht nur wegen der spannenden Atmosphäre, sondern weil einfach das Gesamtbild perfekt ist. Die wechselnden Erzählperspektiven und nicht zuletzt die Überraschungen und Wendungen machen „Nebelopfer“ zu einem der besten Krimis auf dem gegenwärtigen Buchmarkt.
Sehr vorteilhaft ist das Verhältnis von privaten Nebengeschichten und der eigentlichen Story. Ausgewogen und selbst die Nebengeschichten werden aller Voraussicht nach dem Ausgangspunkt für den nächsten Band bilden. Kommissar Zufall hat hier zum Glück keinen großen Auftritt – die Handlung ist authentisch und es gibt auch keine logischen Brüche, sondern nur menschliche Fehler und selbst diese sind verständlich.
Diese Reihe wird bestimmt das Interesse wecken, diese zu verfilmen. Leider, oder auch zum Glück würde ich das nicht empfehlen. Die Reihe besitzt eine erzählerische Seele, die vom Film nicht erfasst und „gelebt“ werden kann.
Es gibt nicht viel zu bemängeln, ggf. dass die Ermittler bei ihren Nachforschungen nicht alles bedacht hatten in der Vergangenheit und der Gegenwart, aber das mindert, oder verärgert überhaupt zu keinem Zeitpunkt das Vergnügen, das Buch zu lesen.
Fazit
Verdammt ist „Nebelopfer“ gut. Ein Buch, das einen die Nacht mit aller Macht durchlesen lässt. So muss ein Krimi sein.
Michael Sterzik