Der vorliegende Roman „Nebelopfer“ von Romy Fölck, ist der fünfte Band der erfolgreichen Elbmarsch-Reihe, bzw. die Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Reihe.
Romy Fölck hat als Autorin einen gewissen geografischen Heimvorteil. Die fruchtbare Elbmarsch lebt von der Landwirtschaft und der Viehhaltung. Aber nicht nur die Viehzucht ist hier von einer großen Bedeutung. Seit über 200 Jahre bringt eine blühende Pferdezucht immer wieder erfolgreiche Hannoveraner hervor, also für den Reitsport eine wichtige Adresse. Romy Fölck lässt die Elbmarschen aufleben, die raue Landschaft, die Felder, die Obstplantagen, die kleinen Dörfer und verträumten Höfe. Eine Landschaft, die, auch wenn sie manchmal nicht einladend wirkt, doch einen vielseitigen und tiefen Charakter haben. Die Menschen sind wie das Land selbst, freundlich, bisweilen stur und temperamentvoll, sie haben gelernt, mit der Natur im Einklang zu leben. Ein sprichwörtliches, selbstverständlichen Geben und Nehmen.
Diese Reihe von Romy Fölck überzeugt durch eine vielseitige, absolut authentische Figurenzeichnung. Keine verzweifelten, narzisstischen, einsame Antihelden mit gebrochenen Herzen, die sich eigentlich auf der Couch eines Seelenschraubers wiederfinden sollten. Die beiden Hauptcharaktere bilden fast schon eine stabile Symbiose, eine berufliche und private „Mauer“, zwischen dem kein Blatt passt. Flankiert werden diese von Frida Paulsens Familie, die alle „Herzlich willkommen“ heißen und deren Herzen so weit sind, wie die Elbmarschen selbst.
In den vorherigen vier Bänden spielte das Privatleben, die persönlichen Prüfungen der Figuren eine tragende Rolle. Sie formten die Figuren und schlichen sich damit schnell und nachhaltig in die Köpfe und Herzen der Leser. Diese familiäre „Bande“ als Vereinigung und Gefühl ist nicht nur sinnvoll, sondern auch sinnig erzählt.
Vorab sei schon jetzt zu sagen, dass der fünfte Band mit einer der stärksten dieser Reihe ist und auch als Autorin hat sich das sympathische Nordlicht Romy Fölck autodidaktisch gleich selbst einen Meilenstein gesetzt.
An einem nebligen Februarmorgen wird zwischen den Dörfern der Geest an einem uralten Galgenbaum eine Leiche gefunden. Am Hals des Toten baumelt ein Schild, das Kriminalkommissarin Frida Paulsen Rätsel aufgibt: Ich gestehe, im Prozess gegen Cord Johannsen falsch ausgesagt zu haben. Ihr Kollege Haverkorn erinnert sich sofort an den Fall. Vor vielen Jahren wurde der Bauer Johannsen für den kaltblütigen Mord an seiner Familie verurteilt, seither sitzt er im Gefängnis. Als kurz nach dem Leichenfund in der Geest ein weiterer Zeuge getötet wird, der im Prozess gegen Johannsen aussagte, ahnen die beiden Kommissare: Sie müssen den wahren Täter von damals finden, sonst wird es weitere Opfer geben …(Verlagsinfo)
Im Genre Krimi sind Cold Case Fälle hochaktuell, alte nicht abgeschlossene Fälle, die das LKA und BKA und ihre Kommissare archivieren. Aber auch die Ermittler haben dazu noch offene Fragen, keine Antworten, haben Zweifel am Tatgeschehen, oder schlimmstenfalls zweifeln sie selbst daran alles richtig zu haben.
Romy Fölck kombiniert im vorliegenden Roman, die nebulöse Vergangenheit mit der mörderischen Gegenwart und das funktioniert ungehindert fantastisch. Doch nicht nur die Story funkt mit einer Originalität, sondern auch die Ermittler bekommen durch eine charismatische, neue Figur. Diese ist nicht nur stark konzipiert, sondern hat auch starke Auftritte und auch Bjarne Haverkorn bekommt einen „Neuanfang“ und einen neuen Partner.
Am Ende gibt es neue Grenzen, unerforschtes Land und viele neue Möglichkeiten und Herausforderungen. Ein Scheideweg für die Figuren – und ich hoffe es geht weiter, denn so perfekt, spannend und tiefgründig, wie diese Charaktere in der Handlung agieren, habe ich es selten erlebt.
Der Unterhaltungswert bewegt sich auf höchstem Niveau, das nicht nur wegen der spannenden Atmosphäre, sondern weil einfach das Gesamtbild perfekt ist. Die wechselnden Erzählperspektiven und nicht zuletzt die Überraschungen und Wendungen machen „Nebelopfer“ zu einem der besten Krimis auf dem gegenwärtigen Buchmarkt.
Sehr vorteilhaft ist das Verhältnis von privaten Nebengeschichten und der eigentlichen Story. Ausgewogen und selbst die Nebengeschichten werden aller Voraussicht nach dem Ausgangspunkt für den nächsten Band bilden. Kommissar Zufall hat hier zum Glück keinen großen Auftritt – die Handlung ist authentisch und es gibt auch keine logischen Brüche, sondern nur menschliche Fehler und selbst diese sind verständlich.
Diese Reihe wird bestimmt das Interesse wecken, diese zu verfilmen. Leider, oder auch zum Glück würde ich das nicht empfehlen. Die Reihe besitzt eine erzählerische Seele, die vom Film nicht erfasst und „gelebt“ werden kann.
Es gibt nicht viel zu bemängeln, ggf. dass die Ermittler bei ihren Nachforschungen nicht alles bedacht hatten in der Vergangenheit und der Gegenwart, aber das mindert, oder verärgert überhaupt zu keinem Zeitpunkt das Vergnügen, das Buch zu lesen.
Fazit
Verdammt ist „Nebelopfer“ gut. Ein Buch, das einen die Nacht mit aller Macht durchlesen lässt. So muss ein Krimi sein.
Michael Sterzik