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Sonntag, 30. April 2023

Nachtjagd - Jan-Erik Fjell


Der vorliegende Titel: „Nachtjagd“ wurde in Norwegen für den renommierten Riverton-Preis nominiert im Bereich – Krimi. Wohlverdient, wie ich es jetzt schon einordnen kann. Es gibt ja inzwischen viele skandinavische Thriller auf dem deutschen Buchmarkt – Krimis und Thriller aus Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen – im Norden wird halt öfters (un)willkürlich gemordet, aber das ist wirklich nur ein überzeichnetes Klischee, dass im Verhältnis analysiert, nicht den Tatsachen entspricht. 

 

Sehr wohl den Tatsachen entspricht der Spannungsbogen, der sich im Grunde gar nicht entspannt. Die Story, die sich in zwei Zeitzonen auslebt, ist ein erzählerisches, gut durchdachtes Labyrinth. Jan-Erik Fjell verflechtet seine Story nicht nur über die Vergangenheit und Gegenwart, sondern katapultiert den Leser auch in den Todestrakt und Hinrichtungsraum in einem texanischen Gefängnis. 

 

„Nachtjagd“ ist einer der wenigen Krimis, die es schaffen, ohne gängige Klischees auszukommen. Kein Kommissar, der sich als ein Antiheld aufspielt und kein Mörder, der das „Böse“ personalisiert. Gleichwohl verteilt sich die atmosphärische Spannung gut, wobei der Ausflug in die Vergangenheit sich als ein wenig stärker präsentiert.

 

Am Ufer eines Sees in Norwegen wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, ihr geschundener Körper ist mit Wunden übersät. Kriminalkommissar Anton Brekke von der Polizei Oslo läuft es bei dem Anblick eiskalt den Rücken herunter. Wenn sich sein Verdacht bestätigt, dann hat der flüchtige Serienmörder Stig Hellum sein grausames Werk wiederaufgenommen – und bereits sein nächstes Opfer im Visier. Für Brekke beginnt ein Kampf gegen die Zeit und gegen unvorstellbar Böses. Denn der Fall ist mit einem Mann verbunden, der in Texas in der Todeszelle sitzt und nun sein Schweigen über eine verhängnisvolle Nacht vor über zehn Jahren bricht …(Verlagsinfo) 

 

Genau dieser Part, in dem der Todeskandidat rückblickend einem Geistlichen seine Verfehlungen und Sünden „beichtet“ springen wir in eine so dichte Atmosphäre, die wir am liebsten gar nicht mehr verlassen wollen. Im Vorhof des Todes, im Angesicht einer Todesspritze wird es intensiv dramatisch, wie auch traurig. 

 

Der Autor spielt mit vielen Elementen; die wir aus anderen Werken anderer Autoren schon kennengelernt haben. Das wären ein Auftragskiller, die CIA, eine Kreuzfahrt, ein norwegischer Serienmörder usw. Da klingt nach altbekannten Mustern, aber die Kunst diese Spannung so selbstbewusst und selbstverständlich über den ganzen Roman konstant einzuhalten – das findet man eher selten. 

 

Die Charakterköpfe markieren nur noch mehr die Qualität der Story. Anton Breeke hat im wahrsten Sinne des Wortes „dicke“ Eier, selbstbewusst, analytisch und eine Führungspersönlichkeit, dabei auch eine spitze Zunge und einen ironischen Humor. Sein junger Partner handelt überlegt und rational, ruhiger insgesamt, aber wie sein Mentor, geht er in seinen Ermittlungen strukturiert vor. Die Interaktionen der beiden sind voll von humoristischen Spitzen und latenten, freundschaftlichen Provokationen und Wortspielchen. 

 

Der Autor Jan-Erik Fjell hält sich nicht lange mit Nebengeschichten auf, die es offensichtlich kaum gibt. Seine Konzentration bewegt sich auf diesen beiden erwähnten Zeitebenen. Sein schriftstellerischer Stil ist nicht einmalig, aber eben doch selbst in der skandinavischen Autorenwelt ungewöhnlich. Mit der Komplexität der Story, trickst der Autor den Leser in eine Atmosphäre, die es einem unmöglich machen, nur wenige Seiten am Stück zu lesen. 

 

Es gibt nicht viel Negatives. Die Auflösung der Story klingt ein wenig unrealistisch, aber mindert keineswegs die Unterhaltung. 

 

Jan-Erik Fjell ist ein Autor, den man sich merken sollte. Ich bin gespannt auf weitere Romane, die sicherlich auch bald ins Deutsche übersetzt werden.

 

Fazit

 

„Nachtjagd“ lässt die Nacht des Lesers etwas kürzer werden. Ungemeine intensive Atmosphäre und eine Spannung, die nicht nachlässt. Einer der wichtigen Krimis in diesem Jahr, die man lesen sollte. 

 

Michael Sterzik