2017
veröffentlichte der schwedische Journalist Niklas Natt och Dag seinen
historischen Kriminalroman – „1793“ , der die Abgründe der Bellmann-Epoche
aufzeigt. Der Spross einer Adelsfamilie konnte seinen Debütroman in über 30 Länder
verkaufen.
In Deutschland
wurde der Titel: „1793“ – im Verlag Piper in diesem Frühling veröffentlicht.
Der Plot ist im Grunde aus der Schublade entnommen. In Stockholm wurde im Jahr
1793 in der Kloake eine brutal verstümmelte Leiche gefunden. Das Opfer muss
schwer gefoltert worden sein – Arme, Beine, sind amputiert, die Leiche weist
ebenfalls schwere Verstümmlungen im Gesicht auf: Zunge und Augen wurden
herausgeschnitten. Die Ermittlungen werden von dem tuberkulösen Juristen Cecil
Winge und dem im Kriege verstümmelten Veteranen Jean Michael Cardell
aufgenommen. Wer tötete diesen jungen Mann – und entfernter mit chirurgischer
Präzision seine Glieder in einer Reihenfolge...?
Niklas Natt och Dag
zeigt Stockholm im Jahre 1793 in einer verstörenden Atmosphäre. Eine
verzweifelte Düsternis, die man förmlich schmecken kann. Die sozialen
Strukturen sind eindringlich erzählt: Schmutzige Gassen, Spelunken die
Verbrecher und Verzweifelte Menschen aufsogen und ausspucken. Brutale
Schlägereien , Betrügereien – das dunkle Stockholm zeigt wie Menschen ähnlich
wie Ratten in heruntergekommenen Absteigen hausen.
Diese verzweifelten
Nebengeschichten und Schauplätze gehen unter die Haut. Faszinierender Ekel –
ein Effekt, den man beim lesen nicht aus dem Weg gehen kann. Eine
menschenverachtende Brutalität und Details von Opfern, Folterungen, Kämpfen und
sowieso Verbrechen, die mit dem Lachen der Täter erzählt werden, das nur schwer
zu begreifen ist. Gesetz und Recht – hier regiert die Korruption, der Einfluss
der Mächtigen, dass Geld und der Adel – konsequent und bedingungslos.
„1793“ ist kein
Roman, den man in einem Stück entspannt ohne viele Pausen durchlesen kann. Im
Gegenteil, die schroffe und kompromisslose Schilderung von Leben und Tod lassen
es zu, dass man das Buch immer mal wieder weglegen muss, um kurz durchzuatmen.
Spannung ist dieser
historische Kriminalroman allemal. Die beiden Charaktere Cecil Winge und Jean
Michael Cardell sind gut eingebaut – auch sie sind versehrte Menschen in dieser
Gesellschaft, die rücksichtlos ihre Ellenbogen einsetzen. Typische Antihelden –
die sich ergänzen und nur zusammen einen Erfolg erzielen können. Eine
Sympathische und freundliche Grundlange bieten die beiden nur sehr bedingt.
Der Roman ist in
vier Perspektiven aufgebaut. Im ersten Teil von „1793“ konzentriert sich die
Handlung, auf die Einführung der beiden Ermittler und dem Leichenfund.
Die beiden weiteren
Teile behandeln den Hintergrund des Opfers und stellen auch den manipulierten
Folterer in den Vordergrund. Diese beiden Episoden sind hoch dramatisch erzählt
– Mitleid und Verständnis finden sich beim Lesen ein, oder auch nicht. Was
bleibt? Viele Szenen die sich nachhaltig einbrennen – abstoßend faszinierend.
Auch der dritte
Teil handelt von dem Schicksal einer jungen Frau, die wegen Hurerei zu einer
Strafe in einer Spinnerei verurteilt wird. Ein Sittengemälde das verlogen ist –
eine Erzählung von Wächtern und Pastoren, die ihren Hass instrumentalisiert
ausleben.
Der
vierte Teil verbindet alle Anfänge und losen Enden und ergeben mit dem Motiv
des Täters einige Überraschungen, mit der man nicht gerechnet hat.
„1793“
ist eine dunkle Geschichtsstunde aus Schweden. Ich empfehle dringend, dass
Nachwort des Autors zu lesen. Der Roman ist eine „Höllenfahrt“ – die leider
sehr auf sehr realistischen Fakten beruht.
Als
Debütwerk absolut faszinierend. Ob ein zweiter Teil das Grauen und die
Verzweiflung noch zu steigern vermag, ist zweifelhaft. Niklas Natt och Dag (Nacht
und Tag) könnte vielleicht zukünftig mit etwas mehr Tageslicht arbeiten.
Stockholm hat bestimmt auch seine historischen, schöne Seiten – die es erzählen
gibt. Nein – kein Glanz, Gloria und Glimmer – dass würde aktuell zu dem Stil
des Autors absolut nicht passen.
Fazit
„1793“
ist ein historische „Sin City“. Ein verzweifeltes Stockholm mit verzweifelten
Ermittlern lässt keine weitern Zweifel zu. „1793“ ist anders – aber ein
hochspannender Pageturner der beeindruckt und fasziniert. Absolute
Leseempfehlung.
Michael
Sterzik