Posts mit dem Label Widerstand werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Widerstand werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 12. November 2025

Rabens Rache - Christian von Ditfurth


Christian von Ditfurths vierter Band der Karl-Raben-Reihe ist weit mehr als ein historischer Kriminalfall: Es ist eine unbarmherzige Konfrontation mit dem Beginn des Vernichtungskrieges 1939 und dem allgegenwärtigen Terror des NS-Staates. Mit dem Überfall auf Polen beginnt nicht nur das lange Leiden der Zivilbevölkerung durch die Willkür der deutschen Besatzung, sondern auch die systematische Mordmaschinerie der SS nimmt Gestalt an. Während Kriegsverbrechen in Deutschland propagandistisch als "Heldentaten" verharmlost werden, zieht sich die Schlinge des Überwachungsstaates erbarmungslos zu – jede Kritik führt in die Fänge der Gestapo oder ins KZ. In dieser Atmosphäre der Angst, Denunziation und des geflüsterten Widerstands beginnt die Geschichte von Karl Raben.

Es ist der 1. September 1939. Hitler überfällt Polen. Kommissar Karl Raben wird in eine der Einsatzgruppen eingezogen, die hinter der Front Juden ermorden sollen. Doch als er sich weigert, an einer Massenerschießung teilzunehmen, wird er zur Kripo in Berlin zurückversetzt. Dort beschäftigt ihn der Mordfall eines Abteilungsleiters in Joseph Goebbels‘ Propagandaministerium. Einer der Verdächtigen steht bereits auf der Liste des Kommissars: Fred Wetterau, der Filme für die Nazi-Wochenschau dreht, ist auch einer der Mörder des Kommunisten Kurt Esser, die Raben seit 1932 verfolgt. Da Wetterau gerade in Posen dreht, muss Raben zurück ins besetzte Polen, um zu ermitteln. Währenddessen zählt SS-Gruppenführer Reinhard Heydrich in Berlin eins und eins zusammen: Kann es Zufall sein, dass Essers Mörder einer nach dem anderen unter ungewöhnlichen Umständen sterben? (Verlagsinfo) 

Christian von Ditfurth, der sein historisches Wissen als Autor meisterhaft nutzt, erschafft einen Roman, der einem Anti-Kriegsbericht gleichkommt. Mit beklemmender Bildgewalt schildert Raben die Schrecken der Schlachtfelder in Polen: zerfetzte Körper von Frauen und Kindern, vollständig zerstörte Dörfer. Der Autor macht die Gräuel der Massenerschießungen erfahrbar.

Besonders erschütternd sind die Dialoge mit den Tätern, die sich im Dunstkreis von Alkoholexzessen über ihre psychischen Belastungen beklagen. Der Roman zeigt, wie junge Soldaten und Familienväter systematisch zu Mördern geformt werden. Auch die Nazi-Größen Goebbels, Himmler und Heydrich treten auf und verkörpern die irre, übermenschliche Ideologie des Regimes.

"Rabens Rache" ist eine schwere Kost, deren beklemmende Atmosphäre den Schrecken der Zeit nachhaltig widerspiegelt. Die Hauptfiguren agieren auf einem Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann. Ihr Widerstand ist mutig, aber nicht selbstmörderisch. Sie leisten Gegenwehr und töten, teils aus Selbstschutz, teils um Verbrecher ihrer gerechten Strafe zuzuführen.

Man mag die Methoden verurteilen, doch man wird unweigerlich zum Sympathisanten der Verzweiflung eines Karl Raben, der es durch Schläue und Raffinesse immer wieder schafft, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.

Fazit

Dieser Roman nimmt Schrecken und Verzweiflung an die Hand der Spannung. "Rabens Rache" ist ein fesselnder, realistischer Band, der nicht nur unterhält, sondern zum Verständnis der komplexen Opfer- und Täterrollen in unserer Geschichte beiträgt. Man kann sich bereits auf die Fortsetzung der Reihe und das weitere Schicksal dieser liebgewonnenen Figuren freuen.

Michael Sterzik

Mittwoch, 21. August 2024

Die Stauffenbergs - Charlotte Roth


Claus Schenk Graf von Stauffenberg ist die Symbolfigur des 20.Juli 1944 – der das Attentat auf Adolf Hitler ausführte und leider scheiterte. Doch Stauffenberg war nicht der einzige Widerstandskämpfer in den Kreisen der Offiziere, die Verschwörer hatten ein fabelhaftes Netzwerk das nicht nur aus Offizieren bestand, sondern auch Aristokraten, Menschen aus der Wirtschaft, der Justiz, der Religion. Insgesamt umfasste der Personenkreis 200 Menschen, die sich gegen den Nationalsozialmuss auflehnten und mit dem Attentat auch eine Botschaft an die Alliierten senden wollten. 

Nach dem gescheiterten Attentat und noch Monate später wurden zahlreiche Verschwörer von den Nazis ermordet. Stauffenberg und weitere Offiziere wurden noch in der Nacht des 20. Juli 1944 im Bendlerblock standrechtlich erschossen. 

Doch wie war Stauffenberg als Mensch, als Vater, als Ehemann, als Freund? Es gibt unzählige Quellen und Dokumentationen, die uns den Menschen Stauffenberg objektiv vor Augen führen. 

Charlotte Roth zeigt uns die „Die Stauffenbergs“ in ihrem gerade veröffentlichten Roman und präsentiert uns nicht nur eine spannende Geschichte, sondern auch eine emotionale und menschliche Momentaufnahme des Widerstandskämpfers und auch seiner Familie. 

Sie ist die Tochter des fränkischen Generalkonsuls und einer baltischen Freifrau. Er ist der jüngste Spross eines schwäbischen Adelsgeschlechts mit einer vielversprechenden militärischen Karriere. Als Nina und Claus von Stauffenberg sich 1929 auf einem Ball kennenlernen, sind sie verliebte junge Menschen auf dem Weg in ein märchenhaftes Leben.

Doch der Lauf der Geschichte will es anders: Aus der Mutterkreuzträgerin und dem Wehrmachtsoffizier werden Regimegegner und Verschwörer. Das Schlimmste für ihn: Deutschlands Zusammenbruch. Für sie: der Verlust ihres geliebten Mannes. Trotzdem lässt Nina von Stauffenberg ihrem Claus die Freiheit, zu tun, was er tun muss. Doch das bedeutet, dass sie ihn nach dem 20. Juli 1944 nie wiedersehen und alles verlieren wird …(Verlagsinfo) 

Der Roman erzählt die Geschichte der jungen Nina und des etwas älteren Claus von Stauffenberg und beginnt mit ihrer Liebe und Zuneigung, die nicht ohne Hindernisse war. Beide waren starke Persönlichkeiten ihrer Zeit - zielstrebig, offen für Literatur und Kunst, gebildet und politisch nicht unkritisch.

Es ist eine tragische, dramatische Liebesgeschichte ohne Happy End. Charlotte Roth lässt abwechselnd verschiedene Personen zu Wort kommen - Claus, Nina, die Mutter Stauffenbergs - und diese Perspektiven tragen immer eine emotionale Note. 

Die Zeitfenster schildern die Jahre 1933-1944 - von der Weimarer Republik über die Machtergreifung Adolf Hitlers bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, dessen Verlauf und die Verbrechen der Nazis die Offiziere in den Widerstand treiben. Die Verfasserin hat diese Ereignisse, den Überfall auf Polen, die Nichtangriffspakte, die beginnende Stigmatisierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung, die Lebensmittelknappheit, die Niederlage von Stalingrad, in ihre Arbeit einfließen lassen.

Im Mittelpunkt steht die Gefühlswelt der Stauffenbergs. Die Ängste, die Hoffnungen, die zeitlichen Entbehrungen der Liebenden, die Geburt der Kinder. Wie sie wirklich gefühlt und empfunden haben - das ist natürlich nicht belegt - aber Charlotte Roth gibt diesen Emotionen viel fiktiven Raum, der alles andere als unrealistisch ist.

Obwohl Stauffenberg Offizier ist und die Machtergreifung Hitlers eher positiv sieht, schlägt sein moralischer Kompass gegen sein Gewissen und lässt ihn immer mehr daran zweifeln, auf der richtigen Seite zu stehen. Der anfängliche Idealismus und auch Enthusiasmus wandeln sich in Abscheu, Ekel vor sich selbst, Gewissensbisse und münden schließlich darin, sich den Verschwörern anzuschließen. 

Der andere Teil des Romans zeigt Nina und Claus als Eltern und als Liebespaar, das sich bedingungslos vertraut und füreinander da ist. Das Klischee einer romantischen Liebesgeschichte wird klar verarbeitet, ohne zu schnulzig zu werden.

Historisch gesehen hat Charlotte Roth großartige Arbeit geleistet. Viele persönliche Feinheiten und Ereignisse wurden sehr, sehr gut in die Handlung eingearbeitet. Das macht „Die Stauffenbergs“ auch zu einem historischen Roman. Es ist eine „fiktive Geschichte“, aber es könnte so gewesen sein, vielleicht war es so. 

Die Ereignisse des 20. Juli werden natürlich auch thematisiert, sind aber nicht Hauptbestandteil der Geschichte.

Dennoch ist der Roman auch eine Botschaft an uns selbst - dass die Verbrechen der Nazis nicht in Vergessenheit geraten dürfen und dass wir kritisch, selbstbewusst und aktiv gegen rechte politische Lager vorgehen sollten.

Fazit

Ein fiktives Denkmal zweier Menschen, deren Liebe und Zuneigung in Zeiten von Krieg, Verbrechen und Angst auch mutig und selbstlos ist. Erzählerisch spannend, unterhaltsam und von einer solchen Emotionalität geprägt, dass man, wenn man vom 20. Juli 1944 spricht, auch diesen Roman lesen sollte.


Michael Sterzik