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Dienstag, 6. September 2022

Im Bann des Adlers - Daniel Wolf


Die Friesen-Saga um die Familie Osinga geht endlich weiter. „Im Bann des Adlers“ von Daniel Wolf geraten die leidenschaftlichen Schiffsbauer inmitten der Fehden friesischer Häuptlinge. Für die Region, in der überwiegend die Land- und Forstwirtschaft, die Fischerei und das Handwerk lebensnotwendig ist, bringen die Überfälle und territorialen Machtansprüche nur unsagbares Leid mit sich.

Die Ostfriesen waren schon ein kriegerisches Häufchen. Den Gedanken alle Regionen Ostfriesland unter einem Banner zu vereinen, hatten viele Häuptlingsfamilien die sich allerdings immer wieder in Bündnissen vereinten, nur um sich wenig später zu verraten. Die Vitalienbrüder, auch Likedeeler, profitierten zeitweise von den kriegerischen Auseinandersetzungen. Die „Bruderschaft“ der Piraten, deren Stammsitz auch auf Helgoland war, machten sich neben einigen Freunden, auch mächtige Feinde. Die Hanse jagte die berühmt-berüchtigten Likedeeler und richteten die Seeräuber und die bekannten Hauptleute, Klaus Störtebecker, Gödeke Michels, Hennig Wichmann und Magister Wigbold auf dem Hamburger Grasbrook 1401 hin.

Diese Themen und diese historischen, legendären Charaktere bilden die Grundstory in „Im Bann des Adlers“. Das ostfriesische Adelsgeschlecht der tom Brok, bzw. der eingesetzte Vogt von Marienhafe vereinnahmen den Krisenmittelpunkt im zweiten Band der „Friesen-Saga“.

Friesland 1390: Der 21-jährige Folkmar Janns Osinga ist Schiffszimmermann mit Leib und Seele. Gemeinsam mit seinem Vater Jann baut er begehrte Koggen, das Unternehmen der Familie floriert. Als Folkmar die junge, kluge Almuth kennenlernt, scheint sein Leben perfekt. Doch dann wird er Opfer einer perfiden Intrige: Des Mordes bezichtigt, muss Folkmar fliehen, sowohl Almuth als auch seiner Heimatstadt den Rücken kehren. Verzweifelt versucht er, seine Unschuld zu beweisen. Seine Lage ist hoffnungslos – bis er den Vitalienbrüdern begegnet und sich den berüchtigten Piraten anschließt…(Verlagsinfo)

Wer ein Vielleser im Genre „Historischer Roman“ ist, wird unweigerlich sehr schnell Parallelen zu anderen Autoren erkennen. Rebecca Gable, Ken Follett – die auch „Familiensagen“ hervorbrachten, standen nicht „Pate“ – aber vergleicht man diesen Roman von Daniel Wolf mit diesen erfolgreichen Autoren – erkennt man fix, ein sehr ähnliches Schema. Ein unschuldiger Held, der sich behaupten muss, eine unglückliche Liebe, ein Tyrann, der das Leben der Bevölkerung mehr als schwer macht. Flankiert von Ereignissen wie Mord, Verrat, Eifersucht und Gewalt ist die Handlung spannend. Aufgrund von gewissen fast schon überflüssigen inhaltlichen Längen im Roman verliert die Atmosphäre aber sehr deutlich. Gerade der jahrelange Überlebenskampf des Folkmar Osinga ist ausufernd und auch nicht unbedingt wichtig für die Gestaltung seines Charakters.

Alle Charaktere, bis auf die historischen Piraten-Persönlichkeiten sind eindrucksvoll eindimensional entworfen und damit sind auch deren Handlungen sehr vorhersehbar. Im letzten Drittel des Romans steigert sich die Spannung mit dem Auftauchen der Likedeeler. Endlich zeigen sich mit der Bruderschaft der Freibeuter ambivalente Persönlichkeiten und inhaltlich wird es nicht nur spannender, sondern auch viel informativer und abwechslungsreicher. Insgesamt geht es auch mit der Präsentation der Piraten nicht ungemein blutdürstig zu. Die Gewalt ist zwar ein Thema, aber Daniel Wolf erspart uns inflationäres Abschlachten und detailreiche Beschreibungen vom Töten und Sterben. Der Fluch der Nord-/Ostsee erzählt Daniel Wolf so grandios, dass ich mir fast wünsche, seine nächste Saga könnte wohl gerne eine längere Piratensaga werden.

Die Politik und die Wirkung der Hanse spielt noch eine untergeordnete Rolle, vielmehr liegt die Konzentration wie schon erwähnt auf die Fehden der friesischen Häuptlinge.

Die historische Genauigkeit nimmt Daniel Wolf sehr ernst. Gut recherchiert, mit der einen, oder anderen schriftstellerischen Freiheit referiert er für uns über ein Stück ostfriesischer Geschichte. Etwas freier gestaltet sich seine Interpretation vom Ende eines Klaus Störtebeckers und eines Gödeke Michels. Die historische Quellenlage zeigt uns ein anderes Ende der berüchtigten legendären Personen, die in Hamburg später recht kopflos dastanden.

Die ehemaligen Figuren aus dem ersten Band kommen selbstredend auch vor, stehen aber als Nebenfiguren nur in der zweiten Reihe. Etwas mehr erzählerischen Raum nimmt Abbe Osinga ein. Eine tolle Figur, deren Schicksal den Leser emotional mitnimmt.

Fazit

Spannende Reise in eine Küstenregion, die zwar flach ist – aber ungemein spannend erzählt werden kann. Eine „Piratengeschichte“ die Spannung verspricht.

Michael Sterzik