Freitag, 18. Februar 2011

Buchtipp: Oliver Uschmann: NICHT WEIT VOM STAMM


Sven hat die schiefe Bahn verlassen und ist am Ziel angekommen: ganz unten. Seine Tage verbringt er im Rausch, seine Nächte wahlweise mit Sex oder Prügeleien. Dabei stünden ihm alle Türen offen, sagt sein Vater – hätte Sven sie nicht vor fünf Jahren zugeschlagen.
Als seine Schwester bedroht wird, findet sich Sven in seinem schlimmsten Albtraum wieder: Der einzige Weg, Lina zu retten, ist, so zu werden wie sein Vater.

Oliver Uschmanns Roman "Nicht weit vom Stamm" erzählt schonungslos und ehrlich von verlorenen Zielen, falschen Freunden und der Macht der Zuversicht.

Oliver Uschmann wurde 1977 in Wesel geboren, gehörte in der Schule zu den zehn sonderlichsten Sonderlingen und absolvierte seinen Zivildienst im urologischen OP eines katholischen Hospitals. Er arbeitete bei UPS, brach eine Ausbildung zum Buchhändler nach einem Tag ab, studierte Literatur und Englisch an der Ruhr-Uni Bochum und versuchte dort nebenher, als Punksänger, Demonstrant und Herausgeber eines zornigen Minimagazins die Revolution zu verursachen. Heute lebt er mit seiner Frau Sylvia Witt samt Katzen und Teichfischen auf dem Land und erschafft mit ihr tagtäglich neue Bücher, darunter die Romane der Hartmut und ich-Reihe sowie den humorvollen Thriller "Das Gegenteil von oben". Außerdem hilft er als „Wortguru” Nachwuchsautoren auf die Sprünge und schreibt regelmäßig für die Magazine GEE und VISIONS. Er ist gut vertraut mit Gangsta-Rap, selber aber niemals ein Gangsta gewesen.

1.     Auflage 2011 , 528 Seiten, ISBN 978-3-8390-0120-2, Klappenbroschur,14,95 € (D)


[Rezension] Nacht der Hexen - Kelley Armstrong

Der Glaube an Hexen ist weltweit verbreitet. Zauberkenntnisse und der Pakt mit dem Teufel waren ideale Voraussetzungen, um in der Epoche des Mittelalters europaweit Frauen der Hexerei zu bezichtigen, sie mit der Folter zu unsinnigen und unmöglichen Geständnissen zu erpressen, um sie anschließend durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen grausam zu ermorden.

Der Hexenglaube ist bis in die heutige Zeit erhalten geblieben und in manchen Gegenden wird Frauen, die man als "Hexe" betitelt, noch immer mit ungewöhnlicher Feindseligkeit oder Misstrauen begegnet.

Magische Fähigkeiten oder das Wissen um alternative mit der Natur verbundene Behandlungsmöglichkeiten sind meistens artverwandt. Es gibt wahre Hexenkulte, Hexenversammlungen, Hexenreligionen und Traditionen und auch noch in unserer Zeit organisieren sich die magiebegabten Frauen in Hexenzirkeln.

Der (Aber)Glauben hat mit Sicherheit einen wahren Kern und auch seine Geheimnisse um längst verlorenes Wissen, dass man zum Guten oder auch zum Bösen einzusetzen vermag. Die Mythologie hat ihren Ursprung wohl in der Griechisch-Römischen Zeit, dort wurden die Hexen als Medea oder als Circe betitelt.

In der Esoterikszene wird häufig von der Wicca-Religion gesprochen, die gerade in den USA weit verbreitet ist und sich als Naturreligion sieht. In der magisch-paranormale Welt gibt es aber auch Männer, die als Hexer, oder Magier gelten können und ebenso "Zauberformeln" aus Büchern und Schriften verwenden. Solche "Grimoires" sind Zauberbücher mit magischem Wissen.

Beschwörungsformeln, Rituale, Listen von namentlich kenntlichen Dämonen, Engeln und anderen Kreaturen sind wohl die wahrscheinlichsten Inhalte, aber auch Rezepte für medizinische Heilmittel und Tränke können dort aufgeführt sein. Und wie immer und überall gibt es weiße und schwarze "Zauberbücher", die sich mit Magie und Wissen beschäftigen.

Auch in der Literatur, gerade in der Fantastischen, gibt es eine Vielzahl von Hexen und Zauberer mit ganz unterschiedlicher Gesinnung. Die kanadische Autorin Kelley Armstrong hat mit "Nacht der Hexen" der im Verlag Knaur erschienen ist, einen spannenden und abwechslungsreichen Roman verfasst.


Inhalt


Paige Winterbourne ist die Tochter einer Hexe und selbst eine magisch begabte Frau, auch wenn sie nicht über solch großartige talentierte Fähigkeiten, wie die Frau Mama verfügt. Streng und gewissenhaft versucht sie motiviert und angestrengt ihr Potenzial zu steigern, indem sie aus ihren Grimoires (Zauberbüchern) ihre Formeln lernt und versucht praktisch anzuwenden.

In der menschlichen Welt ist sie Vormund und vom Beruf Webdesignerin. Gerade Ersteres verlangt ihr einiges ab, denn die 13-jährige Savannah ist wie Paige selbst eine Hexe, wenn auch eine sehr junge, und schon jetzt hat sie eine außergewöhnliche Kraft in sich. Hinzu kommt noch, dass Savannah recht eigensinnig und stur sein kann, und neben ihrer pubertierenden Art kann das schon anstrengend werden.

Paige ist nebenbei noch ein nicht unumstrittenes Oberhaupt des amerikanischen Hexenzirkels, trotz ihrer noch jungen Jahre. Ihr Leben gerät aber durch einen Sorgerechtsstreit des leiblichen Vaters, eines mächtigen Magiers, etwas aus den Fugen. Unterstützt von einer Halbdämonin - Leah - einer Erzfeindin von Paige, wird die Bedrohung durch Einschüchterungsversuche mit weltlichen und magischen Mitteln stetig lebensgefährlicher. Vom Hexenzirkel auf weiter Flur alleine gelassen, vom Gesetz her auf schwachen Säulen, scheint jeglicher Widerstand zunächst zwecklos zu sein. Da sie in der menschlichen Welt um das Sorgerecht kämpfen muss, nimmt sie sich einen Anwalt, der wenig später grausam ermordet wird. Und natürlich wird Paige dafür verantwortlich gemacht, hinzu kommt noch, dass die Polizei einen satanisch anmutenden Altar in ihrem Garten findet und Heerscharen von Journalisten und neugierigen Personen gar nicht daran denken, von ihrem Haus abzuziehen.

Noch unwahrscheinlicher und undurchsichtiger wird die spektakuläre Lage, als sich ein magischer Anwalt an die Seite von Paige und Savannah stellt - Lucas Cortez, jüngster Sohn der mächtigsten Magierfamilie des Landes.

Arrogant und selbstsicher und magisch gar nicht so unbegabt wird Cortez zum Verbündeten des Duos, aber Paige fragt sich, was er mit seiner selbstlosen Art bezweckt ...


Kritik


Kelley Armstrong hat mit ihrem dritten phantastischen Band "Nacht der Hexen" einen wirklich "zauberhaften" Roman verfasst. Vielschichtig und ungemein sarkastisch erzählt Paige die Handlung aus ihrer Perspektive. Armstrongs magische Welt ist eine bunte, paranormale Mischung aus Menschen und Magie, Hexen und Magiern und zudem tummeln sich noch Dämonen auf der Bühne. Moderne Zeiten und alte magische Traditionen mit urfeindlichen Vorurteilen werden miteinander verflochten, sodass ein imposanter Schauplatz entsteht mit viel Raum für Ideen, die eine spannende Handlung immer wieder magisch vorantreiben.

Am Anfang gestaltet sich die Geschichte recht undurchsichtig und unübersichtlich, auch wenn man die Spannung immer als ansteigend empfindet. Der Ursprung der Magie um Hexen und Zauberern bleibt etwas im Unklaren, auch für die wechselseitige und etwas komplizierte Beziehung bleibt trotz einiger Erklärungen noch viel Raum, um vielleicht in späteren Romanen aufgearbeitet zu werden. Charmant und humorvoll bewegen sich alle Protagonisten durch die Handlung. Paiges Gedankengänge und zynische Dialoge verfolgt der Leser immer mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Ihre Ziehtochter Savannah ist ziemlich direkt und forsch, doch hilflos sein und pubertieren kann eben auch ein begabtes 13-jähriges Mädchen.

Lucas Cortez wirkt mit seiner Vergangenheit noch am interessantesten, auch wenn er quasi nicht die Hauptrolle einnimmt, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass sich in Bälde alles um den jüngsten Spross der Familie Cortez drehen kann. Paige und Lucas stellen sich als Team dar. Paige eher hoch emotional und immer am Rand der Hysterie, immer in Sorge um Savannah und immer mit dem Gefühl gerade heraus. Lucas dagegen ist immer Herr der Situation und findet, egal wie verzwickt die Konfrontation mit den Gegnern auch ist, immer einen Ausweg. Und doch gibt es einige Fragen und eine Aura des Geheimnisvollen umgibt den jungen Mann, ein Hauch von Zauber und Macht.

Savannah ist der Schlüssel, der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, aber selbstbewusst und dickköpfig, dazu ausgestattet mit magischen Kräften, die sie noch längst nicht begreifen und steuern kann, wirkt sie etwas verloren und muss sich ständig behaupten, gegen wen auch immer.

Wer hier "gut" und "böse" ist, ist nicht ganz einfach zu erkennen, weil jede Partei Interessen hat, die man durchaus verstehen kann. Die Magier sind eher an politischer und wirtschaftlicher Macht interessiert und setzen ihre magischen Fähigkeiten ein, um an Einfluss und Reichtum zu kommen. Die Hexen aber wirken unsicher und nicht wirklich gut organisiert, zerrissen und ängstlich wissen sie nicht, wie sie mit ihren Fähigkeiten umzugehen haben, auch wenn sie nach Höherem streben und das Wohl aller im Vordergrund sehen. "Nacht der Hexen" ist stimmig und einfach geschrieben. Es gibt nur einen Handlungsstrang, der sich aber kontinuierlich entwickelt und immer aus der Perspektive von Paige geschildert wird. Die Dialoge zwischen den Protagonisten und auch Paiges Gedankengänge sind originell und witzig. Nicht albern, sondern der Unterton ist immer gewollt ironisch, was der ganzen Geschichte gut tut, es mindert nicht im Geringsten die dramatische und doch ernste Handlung.

Kelley Armstrong hat einen imponierenden Roman geschrieben, der eindeutig auf Erwachsene ausgerichtet ist. Auch in "Nacht der Hexen" wird getötet und gemordet, aus Rache, Habgier und wahrer Bösartigkeit. Armstrongs sprachlicher Stil ist ausgereift und der Geschichte angepasst, keine Übertreibungen oder inhaltlich logisch Fehler trüben das Lesevergnügen. Einzig und allein als Kritikpunkt sei zu sagen, dass die magisch geschilderte Welt unstrukturiert wird, die Vergangenheit von Hexen und Zauberern wird zwar angerissen und macht neugierig, aber geht (noch) nicht in die Tiefe.


Fazit


"Nacht der Hexen" kann ich sehr empfehlen. Der Roman hat alles, was eine spannende und vor allem unterhaltsame Geschichte auszeichnet. In sich abgeschlossen, bleibt trotzdem viel Raum für weitere Ereignisse und Handlungsräume und auch die Protagonisten wirken inhaltlich und charakterlich noch weiter ausbaubar. Ich bin neugierig auf viele weitere Teile aus Kelley Armstrongs Feder und freue mich schon auf den nächsten Teil "Pakt der Hexen".


Autorin


Die kanadische Fantasy-Autorin Kelley Armstrong wurde 1968 in Sudbury, Ontario als älteste von vier Geschwistern geboren. Als sie neun Monate war, zog ihre Familie nach London, Ontario. Sie studierte Psychologie und Informatik an der University of Western Ontario, bevor sie Schriftstellerin wurde. Sie lebt heute mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ontario, Kanada.


Taschenbuch: 522 Seiten
Originaltitel: Dime Store Magic
ISBN-13: 978-3426632024

www.droemer-knaur.de


Donnerstag, 17. Februar 2011

Die Vermissten - Jane Casey

Zwei verschwundene Kinder. Ein brutaler Mord. Was, wenn du derjenige wärst, der die Opfer zuletzt lebend gesehen hat?

Als die kleine Jenny Shepherd spurlos verschwindet, weiß ihre Lehrerin Sarah Finch nur zu genau, dass mit jedem weiteren Tag die Chance schwindet, das Mädchen lebend wiederzufinden. Sie selbst hat als Kind erfahren müssen, wie ihr Bruder Charlie nicht vom Spielen wiederkehrte. Und dann ist es ausgerechnet Sarah, die die Leiche der kleinen Jenny findet. Im Handumdrehen steht sie im Zentrum des Medienansturms – und im Fokus der Ermittler. Aber nicht nur die haben sie im Visier. Auch der Täter lauert ganz in der Nähe …(Verlagsinfo)
        

Originaltitel: The Missing
Originalverlag: Ebury Press, London 2010
Aus dem Englischen von Franka Reinhart, Taschenbuch, Broschur, 512 Seiten, 11,5 x 18,3 cm
ISBN: 978-3-442-37521-9
€ 8,99 [D] (empf. VK-Preis) Verlag: Blanvalet


 

Sonntag, 13. Februar 2011

[Rezension] Pakt der Hexen - Kelley Armstrong

Nach den turbulenten Ereignissen um den Sorgerechtsstreit um ihre Stieftochter Savannah, hat die Hexe Paige Winterbourne noch immer alle Hände voll zu tun. Da sie aus dem Hexenzirkel ausgeschlossen wurde und nun in der paranormalen Welt etwas verloren dasteht, versucht sie selbst eine zauberhafte Vereinigung von Hexen ins Leben zu rufen, was gar nicht so einfach ist.

Doch es gibt auch viel Neues und Positives in ihrem persönlichen Umfeld. Paige hat nun einen Mann an ihrer Seite und dieser ist alles andere als normal. Lucas Cortez ist Magier, Rechtsanwalt und Erbe des wohl mächtigsten Magierclans. Bisweilen ist er ein wenig eigensinnig und sieht sich als glorreicher Ritter und bekämpft Ungerechtigkeiten, wo er sie nur finden kann, doch er hat ungeahnte Talente und ein Selbstbewusstsein, das nur schwer zu erschüttern ist.

Die Ruhe findet ein plötzliches Ende als Lucas Vater Benicio, das Oberhaupt des Magierclans, während der Abwesenheit seines Sohnes bei Paige erscheint. Indirekt bittet Benicio Cortez Paige und Lucas um Hilfe. In Miami, dem Sitz des Cortez-Clansm gibt es einen Mörder, der die Kinder der Magierfamilien bedroht, es ist schon zu ersten Todesfällen gekommen und ein Mädchen liegt noch im Koma. Paiges innerliche Alarmglocken schlagen schon an und gemeinsam mit Lucas und Savannah reist sie nach Miami.

In der sonnigen Stadt erwartet sie aber das "Böse". Nicht nur der Cortez-Clan hat mit der Bedrohung durch den Killer Angst und Schrecken erlebt, auch der Boyd- und der Nast-Clan sind schon von ersten Angriffen eines höchst wahrscheinlich paranormalen Mörders bedroht.

Lucas und Paige, die beide Angst davor haben, dass auch Savannah getötet werden könnte, vertraut ihren Freunden Elena und Clay Savannah an. Beides Werwölfe und damit durchaus im Stande, jegliche Bedrohung auszuschalten.

Gemeinsam mit einer Nekromantin und einer schon sehr alten Vampiren, die Lucas und Paige bei ihren gefährlichen Ermittlungen unterstützen, werden auch sie selbst das Ziel des Killers und geraten in tödliche Gefahr ...


Kritik


"Pakt der Hexen" von Kelley Armstrong ist der vierte Teil der Reihe "Woman of the Otherworld". Armstrongs Protagonisten sind zumeist Frauen, die in den Geschichten ihren Mann stehen müssen. Waren es in den ersten beiden Romanen weibliche Werwölfe, so spielt in dem dritten und vierten Teil Paige Winterbourne in ihrem Wesen als Hexe die Hauptrolle, im fünften Teil wird Eve, die verstorbene Mutter von Savannah, als Geist die Geschicke lenken.

Sicherlich ist "Pakt der Hexen" unabhängig von den anderen Teilen zu lesen, doch empfehle ich es, bei Band 1 anzufangen, da alle Protagonisten, weibliche wie auch männliche, in fast allen Bänden manchmal sogar eine tragende Rolle spielen. Manche Dialoge und Rückblenden sind also erst für den Leser verständlich, wenn er die Vergangenheit der Figuren nachvollziehen kann.

Gerade das etwas schwierige und angespannte Verhältnis zwischen Lucas und seinem Vater Benicio findet in Band 3 eine erste Erklärung, die in diesem Band weiter vertieft wird. Lucas im Schutze und Schatten seines mächtigen Vaters aufgewachsen, weiß um die Strukturen und Gesetze des Magierclans, sieht aber in vielen Situationen Ungerechtigkeiten, die das ganze System für seine Augen als unglaubwürdig darstellen.

Sein Vater dagegen, der das rebellische Verhalten seines Lieblingssohnes eher für jugendlichen Übermut hält, unterstützt ihn finanziell und behindert ihn auch nicht.

In Kelley Armstrongs magischer Welt geht es natürlich auch wie im realen Leben der Menschen nicht ohne Konfrontationen zu. Auf der einen Seite gibt es die Magier, die sich arrogant und schier selbstsicher als Denker und Lenker verstehen, daneben existieren die Hexen, die mit den Magiern seit den Anfängen konkurrieren, aber aus verschiedenen Ängsten nicht an Boden gewinnen können, innerhalb dieser Welt spielen dann noch Nekromanten, Schamanen, Druiden und natürlich auch Dämonen, die den Magiern zumeist dienen, mit. Etwas abseits davon und für sich selbst verantwortlich, trennen sich die Vampire und Werwölfe von den anderen Gruppierungen und haben ihre ganz eigenen Probleme. Schon als Minderheit und vom "Aussterben" bedroht, beteiligen sich diese nicht an den Vorherrschaftskämpfen und magischen Auseinandersetzungen um wirtschaftliche und politische Macht.

Man erkennt also, Kelley Armstrongs magische Welt ist komplex und sehr kompliziert, was in den Handlungen der einzelnen Romane die Spannung und Abwechslung sehr nach vorne treibt.

"Pakt der Hexen" ist ein magischer Thriller, mit vielen unterschiedlichen Ansätzen, was den Protagonisten positiv anzurechnen ist. Jede Spezies hat so ihre eigenen Fähigkeiten und Eigenarten und selbst erschaffenen menschlichen Probleme. Paige Winterbourne, eine noch junge, aber talentierte Hexe, ist eher überheblich und aufbrausend, wohingegen ihr Freund Lucas als Magier, ruhig und sachlich versucht, die Situationen zu entschärfen. Eine Mischung im Duo, die sich wunderbar ausgleicht und ergänzt.

Aber sie kommt nicht ohne Konfliktpotential in der Beziehung aus. Paiges Ziehtocher hat enormes, magisches Potential, was sie ihrer verstorbenen Mutter Eve zu verdanken hat, aber mit ihren jungen Jahren und noch lange nicht abgeschlossenen Ausbildung, bietet sie ein leichtes und viel beachtetes Ziel für einige Interessenten.

Die Autorin Kelley Armstrong hat in dem Roman "Pakt der Hexen" der Spannung, die auch schon im dritten Teil durchweg konstant und sogar steigend war, einen weiteren Schubs nach vorne geben können. Da sich die Charaktere und ihre einzelnen Geschichten immer weiter vertiefen, nimmt der Anspruch und die Spannung auch linear immer weiter zu. Zwar gibt es immer den gleichen engeren Kreis paranormaler Personen und es kommen auch immer einige dazu, doch gibt es auch Opfer, die nach ihrem (un)natürlichen Tod wohl nicht wieder auferstehen werden.

"Pakt der Hexen" ist spannend verfasst und weiß zu überraschen. In diesem Thriller, auch mit seinen phantastischen Elementen, verfolgt der Leser die Serienmorde eines paranormalen Killers und die Ermittlungen unserer zwei mit magischen Fähigkeiten gesegneten Protagonisten. Der Leser ist zwar versucht, auch selbst den Täter zu ermitteln, aber aus Unkenntnis der nicht menschlichen Verdächtigen kann das gar nicht gelingen. Trotz allem, die Spannung steigt, für Action ist vielfach gesorgt und als besonderes Schmankerl kommt der Humor erst recht nicht zu kurz. Paiges etwas aufbrausendes Temperament und ihre erzählerische Perspektive sind gleichsam zynisch lustig, wie auch ansprechend der Situation abgestimmt.

Der Roman ist zwar ein in sich abgeschlossener Roman, doch weiß man als Leser nach der letzten Seite, dass es noch weitergehen muss. Allein schon die Familienverhältnisse innerhalb des Clans der Cortez gibt viel Handlungsspielraum und Idee für zukünftige Projekte.


Fazit


Pakt der Hexen kann ich sehr empfehlen. Nicht nur Frauen wird der Roman spannend, vielseitig und interessant sein, auch wenn in den Romanen jedes Mal der weibliche Part die Zügel in der Hand hat. Sicherlich ist hier auch für Romantik gesorgt, und auch wenn die Protagonisten untot, unheimlich und unglaubwürdig agieren, so sind sie oder waren es zumindest auch Menschen. Für Leser, die komplexe Verflechtungen, Intrigen und Magie lieben, wird dieser Roman viele Überraschungen bereithalten.

Kelley Armstrong schreibt erstaunlich frisch und flüssig, sie hält sich nicht lange in Beschreibungen auf, sondern legt viel Wert auf prickelnde, zynische Dialoge und ansteigender Spannung.

Der Roman sollte, und das empfehle ich wärmstens, nicht als erstes Buch der Serie gelesen werden, der vorherige Titel - "Nacht der Hexen" - in dem auch die Hexe Paige die Hauptrolle spielt , sollte zumindest schon gelesen sein. Besser noch, man fängt gleich mit den beiden Romanen "Blut der Wölfin" und "Rückkehr der Wölfin" an, denn das ist der Anfang der magischen Saga. Somit ist dem Leser gewährleistet, dass er einige Personen die dort auftauchen, wie eben die Werwölfe, schon kennen- und lieben gelernt hat.


Taschenbuch: 576 Seiten
Originaltitel: Industrial Magic
ISBN-13: 978-3426638071

www.droemer-knaur.de/home

Women of the Otherworld:

01 "Die Nacht der Wölfin"
02 "Die Rückkehr der Wölfin"
03 "Nacht der Hexen"
04 "Pakt der Hexen"
05 "Nacht der Geister"
06 "Blut der Wölfin"
07 "Lockruf der Toten"
08 "Nacht der Dämonin"
09 "Living with the Dead" (noch ohne dt. Titel)
10 "Frostbitten" (noch ohne dt. Titel)
11 "Walking the Witch" (noch ohne dt. Titel)
12 "Spell Bound" (noch ohne dt. Titel)

Samstag, 12. Februar 2011

[Rezension] Der Totenmeister - Nick Stone

Wenn wir den Begriff Voodoo hören, so interpretieren wir immer schwarze Magie und Zombies, die seelen- und willenlos als Diener, Sklave jemandem dienen. Als Symbol fungiert oftmals eine sogenannte Voodoo-Puppe, die das Opfer darstellen soll und die durch dunkle Magie verhext, bzw. verflucht ist. Hier werden oftmals Fakten mit Fiktion kombiniert. Voodoo gibt es wirklich und es ist eine anerkannte Religion, die auf Haiti, in Afrika und auch in südlichen Teilen der USA aktiv praktiziert wird.

Durch die Sklaverei kam dieser Glauben, der auch für viele Magie beinhaltet - schwarze wie auch weiße, auf die westindischen Inseln. Voodoo ist aber keine "böse" Religion, oder ein fanatischer Irrglaube, Voodoo beschäftigt sich auch viel mit Medizin, Trance und alternativen, natürlichen Heilverfahren. Inzwischen hat sich der Voodoo-Glauben in vielen Regionen mit den Glaubenslehren des Islams vermischt. Oftmals besonders in afrikanischen Staaten wird der christliche Glaube neben dem Voodoo-Kult praktiziert, und viele Menschen glauben dort an Gott genauso wie an ihre traditionellen Geister des Voodoos.

Wie auch bei anderen Religionen gibt es Priester und auch Priesterinnen, die Menschen verhexen, bzw. durch schwarze Magie und Rituale erschrecken und manipulieren können. Hier gibt es durch die Medien viele Übertreibungen, doch genauso sicher ist es, dass hier ein auch wahrer Kern existiert. Natürlich gibt es pflanzliche Stoffe, die behandelt oder kombiniert verschiedene Reaktionen im menschlichen Körper hervorrufen können: Z. B. Besessenheit, Trance, Hypnose, Suggestion.

Als Europäer kennen wir sicherlich ähnliche Religionen, die sich an Geister oder überhaupt eher an Kulten orientieren, doch diese ist uns gänzlich sehr fremd. Voodoo gehört in die Kategorie der "Naturreligionen". Alleine schon dadurch tun wir uns aus Erziehungsgründen schwer, damit umzugehen oder an etwas zu glauben, das auf den ersten Blick nicht erklärbar oder nicht zu sehen ist.

Der englische Autor Nick Stone hat schon in seinem ersten Roman "Voodoo", erschienen 2007 im Goldmann Verlag, diesen Kult thematisiert. Nun ist im Goldmann-Verlag "Der Totenmeister" veröffentlicht worden, in dem auch Max Mingus wieder die Hauptrolle spielt.


Inhalt

Miami, die sonnige Stadt im Herzen Floridas im Jahre 1980. Ronald Reagan ist der 40. Präsident der Vereinigten Staaten. Miami, einstmals für viele Rentner und Geschäftsleute das Erholungsparadies, ist zu einer gefährlichen, kriminellen Stadt geworden.

Cuba, das kleine kommunistische Land wird von Fidel Castro regiert und um sein Land zu reorganisieren entleert er seine "kubanischen Toiletten" und schickt Massen an Kriminellen und Psychopathen gen Florida. Nach kurzer Zeit wimmelt es in der damaligen paradiesischen Stadt von kriminellen Latein- und Südamerikanern und die Metropole verwandelt sich schnell in eine Hölle. In Zeltlagern wohnen die mittelosen Menschen, die sich Hoffnung auf ein besseres Leben gemacht haben, dicht zusammen gepfercht auf engstem Raum. Die tägliche Gewalt und die Drogen, die aus Südamerika kommen, lassen die Polizei verzweifeln, überfordert wie sie ist.

Doch auch die Polizei passt sich der neuen Bedrohung an. Neue Elite-Einheiten betreten die Bühne des Verbrechens und gehen genauso hart und rabiat vor, wie man ihnen selbst begegnet. Max Mingus und Joe Liston gehören der Polizeieinheit der Miami Task Force an. Sie sind ein eingespieltes Team und die besten Freunde.

Als im Zoo von Miami die stark verweste Leiche eines Mannes gefunden wird, ist das der Beginn einer Auseinandersetzung zwischen Solomon Boukman, dem brutalen König der Unterwelt Miamis, der mit schwarzer Magie und Angst und Einschüchterung über die Stadt herrscht. Das Opfer, das im Zoo tot aufgefunden wurde, hat vorher scheinbar grundlos seine gesamte Familie grausam und kaltblütig erschossen. Ebenso gehören seine Geschäftspartner zu den Opfern. Bei der Obduktion der Leiche wird im Magen eine seltene, geheimnisvolle Tarotkarte entdeckt, die den "König der Schwerter" zeigt. Welche Symbolik und welches Ritual steckt hinter diesem brutalen Verbrechen? Als Mingus und Liston ermitteln, führen alle Spuren zu Soloman Boukman und seine Voodoo-Hexe Eva Desamours, die sich diabolisch gut mit schwarzmagischen Ritualen auskennt und diese auch praktiziert.

Max Mingus ist ein erfahrener Polizist, aber je mehr er in diesem Mordfall ermittelt, desto enger zieht sich auch die Schlinge seiner eigenen Ängste und Sünden, die er auch im Dienst begangen hat, zu. Als Polizeibeamter musste und wollte er auch das "Böse" mit dem "Bösen" bekämpfen; Beweise und falsche Indizien streuen, Gewalt und Misshandlungen als letztes Mittel zur Überzeugung einsetzen, usw. die Liste ist lang und langsam wird ihm bewusst, dass er sich in der Mühle des Gesetzes verliert.

Nicht zuletzt lernt er eine Frau kennen, die ihm ins Gewissen redet und seine Methoden anzweifelt. Was unterscheidet ihn von den Gesetzlosen, die er bekämpft? Ist er nur eine Marionette seines Bosses, der, wie er ahnt, selbst zu nicht legalen Mitteln greift? Kennt er sogar Soloman Boukman - den König der Schwerter persönlich? Als Max' Freundin entführt wird, verschwimmen seine Grenzen und verzweifelt greift er zu allen Waffen, die ihm zur Verfügung stehen.


Kritik

Nach dem Roman "Voodoo" von Nick Stone konnte man schon gespannt sein, wie die Geschichte um Max Mingus, dem gestrauchelten Polizisten, Ex-Häftling und jetzigen Privatdetektiv weitergeht. "Voodoo" spielte im Jahre 1996, die Geschichte warf ziemlich viele Fragen auf, allein schon die rätselhafte Vergangenheit des Protagonisten blieb kurz angerissen im Dunkeln.

Nun werden in "Der Totenmeister", dessen Originaltitel "Der König der Schwerter" lautet, viele Fragen beantwortet, denn diese Handlung spielt ca. 16 Jahre vor den Ereignissen in "Voodoo".

Nick Stones Stil kommt dem eines James Ellroy recht nahe, auch die Handlungen seiner bisher veröffentlichten Romane weisen Ähnlichkeiten zu Ellroys Werken auf. Doch steht Stone nicht in dem Schatten des jüngeren Autors. Gekonnt entwickelt sich die Geschichte um Max Mingus in einer Welt von Voodoo und Ritualen, von Bandenkriegen, von Religionen und Traditionen, die oftmals der Grundstein, der Anstoß der Handlung sind.

Der Schauplatz der Geschichte ist Miami mitsamt seinen Schattenregierungen und Abhängigkeiten untereinander. Das organisierte Verbrechen, die Gewaltbereitschaft und auch die sozialen Probleme der Stadt in der Zeit der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts sind realistisch und erschreckend geschildert. Nick Stone übertreibt hier nicht, wenn er beschreibt, wie öffentliche Ämter und Beamte mit dem Verbrechen Hand in Hand arbeiten, um sich vielleicht zu bereichern und um Feuer mit Feuer zu bekämpfen.

Kriminell ist hier jeder, auch die Polizei, allen voran Max Mingus und Joe Liston, hat hier keine reine fleckenlose, weiße Weste. Selbst ihr Polizeichef setzt seine eigene Politik durch, und das gerne, wenn es nicht anders geht auf dem Rücken seiner Beamten, die für ihn die Drecksarbeit erledigen. Und die er entweder lobt und unterstützt oder vernichtet.

Nicks Stones Protagonisten sind vielschichtig und psychologisch interessant konzipiert. Wie ein komplexer Motor ist jeder Bestandteil wichtig, hier erfüllt jeder Charakter seinen Zweck, es gibt nicht viele Nebenfiguren oder kleinere Geschichten, die parallel zur Haupthandlung erzählt werden.

"Der Totenmeister" ist ein Thriller, kein Krimi und sicherlich auch kein Roman mit Horrorelementen oder übernatürlichen Phänomen. Zwar bildet hier "Voodoo" die Basis, aber mit diesem Glauben wird nur die Schreckensherrschaft von Soloman Boukman und seiner Priesterin Eva Desamours erklärt. Diese beiden negativen Charaktere sind das Spiegelbild von Max Mingus und Joe Liston. Vielschichtig und interessant beschrieben, erfährt man hier viel von deren Weg ins kriminelle Milieu und ihrer Herrschaft, die sie durch faulen Zauber und Einschüchterung, sowie Aberglauben ausüben.

Max Mingus, der Titelheld, den viele schon aus "Voodoo" kennen, ist kompliziert und unnahbar. Verzweifelt, aber nicht eingeschüchtert sucht er immer eine Lösung, auch wenn das eine gefährliche Konfrontation auslöst. Sich seinen eigenen Ängsten stellend weiß er, dass er einen Hang zur Selbstzerstörung hat, aber noch lange nicht zur Selbstaufgabe. Mit seiner neuen Liebe Sandra sieht er sich an einer Kreuzung stehen, und als diese unmittelbar in Gefahr gerät, dreht er sozusagen durch und auf.

Mit der Bekämpfung des "Königs der Schwerter" - Soloman Boukman schafft er sich einen Todfeind fürs Leben. "Du gibst mir Grund zu leben" ist ein Satz der Mingus schon in "Voodoo" verfolgt hat. Hier in "Der Totenmeister" erfährt man, wie es dazu gekommen ist.


Fazit

"Der Totenmeister" ist der zweite Roman von Nick Stone, aber um die Figuren und die Handlung vom ersten Teil "Voodoo" besser verstehen zu können, ist es empfehlenswert erst mit dem Roman "Der Totenmeister" zu beginnen.

Spannend, düster und brutal ist die Schilderung der Geschichte. Miami ist nicht nur hell und paradiesisch, sondern auch im Schatten dunkel und diabolisch. "Der Totenmeister" sondert sich von anderen herkömmlichen Thrillern positiv ab. Mit viel Raum für die Entwicklung der Protagonisten, allen voran Max Mingus und Soloman Boukman, schafft der Autor einen Schauplatz voller Spannung, unterstrichen von etwas Mystischem wird man sich nach dem Lesen der Romane schon auf den dritten Teil freuen, der unter dem Titel "Voodoo Eyes" auf Englisch erschienen ist.

Nick Stone ist keine schriftstellerische Eintagsfliege, und dass er es versteht, seinen spannenden und fesselnden Schilderungen Leben einzuhauchen und sich nicht auf dem Erfolg auszuruhen, zeigt sich mit "Der Totenmeister" oder auch genannt "Der König der Schwerter".


Autor

Nick Stone wurde 1966 im englischen Cambridge geboren. Sein Vater ist ein renommierter Historiker, seine Mutter entstammt einer der ältesten Familien Haitis, den Aubreys. Nick Stone verbrachte seiner frühe Kindheit in Haiti, bevor er 1971 nach England zurückkehrte. Ein späterer Aufenthalt in Haiti inspirierte ihn schließlich zu seinem Debütroman "Voodoo". Das Werk begeisterte Leser wie Kritiker und wurde als bester Thriller des Jahres mit dem Steel Dagger sowie mit dem Debut Thriller Award ausgezeichnet und erhielt den Macativy Award für das beste Romandebüt. "Der Totenmeister" ist Nick Stones zweiter Roman mit Max Mingus. Der Autor ist verheiratet und lebt in London.


Taschenbuch: 640 Seiten
Originaltitel: King of Swords
ISBN-13: 978-3442468669

www.randomhouse.de/goldmann
http://www.nickstone.co.uk/


Nick Stone bei Buchwurm.info:
"Voodoo"
Michael Sterzik

Mittwoch, 9. Februar 2011

Die Violine des Teufels - Joseph Gelinik

Niemand spielt Paganini so virtuos wie die berühmte Geigerin Ane Larrazábal. Doch dies war ihr letztes Konzert – nach der Aufführung des Capriccio Nr. 24, des schwierigsten Geigenstückes aller Zeiten, findet man sie stranguliert in den Räumen des Konzertgebäudes. Auf ihrer Brust prangt in blutiger Schrift das arabische Wort für »Satan«; und ihre einzigartige Stradivari mit dem geschnitzten Teufelskopf ist unauffindbar. 

Sollte das Instrument tatsächlich mit einem Fluch beladen sein, wie Kenner sich zuraunen? Kommissar Perdomo, einer der erfahrensten Ermittler der Madrider Polizei, macht sich auf, jede Spur zu verfolgen – bis hin zum makabren Tod des Meisters Paganini selbst, vor nahezu 200 Jahren…(Verlagsinfo)


"Auf diesen Titel freue ich mich" - Michael Sterzik


Verlag Knaur - April 2011

Sonntag, 6. Februar 2011

[Rezension] The Lost - Jack Ketchum

The Lost – Jack Ketchum

1965: Es ist die Zeit der Love & Peace Generation. Die Zeit der Drogen, der stillen Revolution unter den Teenagern die in den Wirren der unruhigen Zeiten in denen Politik und aufkommende Kriege die Zukunft düster und seltsam erscheinen lassen. Der amerikanischer Bürgerrechtlicher Malcom X wird erschossen, in Asien wird der Vietnamkrieg bald das ganze Land in ein Chaos verwandeln und Amerika wird eindeutig Stellung beziehen und militärisch eingreifen.

Der amerikanische Jack Ketchum verarbeitet den Amoklauf eines verlorenen jungen Mannes, der als Sinnbild einer ganzen Generation steht, die Drogen, Sex und Egoismus gelebt und geliebt haben. Der Roman „The Lost“ ist im Heyne Verlag in der Sparte „Hardcore“ erschienen.

Inhalt

Wir schreiben das Jahr 1965. In der kleinen Stadt Sparta in New Jersey ist das Leben beschaulich und ruhig. Die dortigen Polizeibeamten haben es weniger mit Gewaltverbrechen zu tun, eher routiniert geht es hier um Verkehrsdelikte, Ehestreite, Katzen die es aus Regenrinnen zu retten gilt und manche abendlichen kleineren Schlägereien zwischen pubertären Jugendlichen.

Ray Pye, ein narzisstischer und psychopathischer Teenager hat seine beiden Freunde Tim und Jennifer fest in seinem Bann. Ray ist ein kleinwüchsiger Mann, der seine Stiefel mit Dosen und Zeitungen ausstopft und größer zu ein. Seine egomanischen Triebe lebt der Sohn einer Motelbesitzerin aus, indem er nach seiner Arbeit im elterlichen Motel, seine sexuellen Begierden auslebt. Mit dem Dealen von Drogen manipuliert er seine Käufer und macht sich besonders die jungen Frauen gefügig. Sein Selbstwertgefühl ist ein Betrug an sich selbst.

Der Frieden in Sparta wird an diesem Tag dramatisch enden. Ray Pye der mit Jennifer und Tom im Wald campt, trifft zufällig auf zwei junge Frauen. An diesen sommerlichen Tag feuert Pye mit seinem Gewehr ohne Vorwarnung und Motiv auf die beiden jungen Frauen. Lisa wird von mehreren Kugeln in Kopf und Brust zusammengeschossen und stirbt noch im Wald. Elise dagegen kann mit ihren schweren Schussverletzungen entkommen, stirbt aber nach vier Jahren im Komastadium.

Jennifer und Tim decken Ray und verschweigen auch vier Jahre später die grausamen Morde. Aus Angst und Respekt gegenüber Ray sind sie im hörig, und Ray genießt seine Macht. Trotz das er der Hauptverdächtige in diesem Mordfall war, konnten die beiden Polizeibeamten Ed Anderson und Charlie Schilling Ray nicht als den Täter überführen. Doch Charlie der von der Schuld Rays überzeugt ist, lässt nicht los, und sucht mit einer verzweifelten Intensität nach Beweisen. Er nutzt jede Gelegenheit um Ray aus der Fassung zu bringen.

Als die junge Katherina aus San Francisco zuzieht spielt sie perfide mit dem psychopathischen Ray Pye, der sich mehr und mehr zu der attraktiven und selbstbewussten Frau hingezogen fühlt. Sie hat ihn völlig in seiner Hand, und als sie ahnt wie gefährlich der Mann ist und sie sich Abstand gewinnen möchte, ist der point of no return schon lange überschritten.
Ray der ahnt, dass er bei der jungen Frau nicht landen kann, sucht natürlich die Schuld und Ursache nicht bei sich. Als er bei der jungen und ebenfalls attraktiven Sally, die die Freundin von Ed ist, ebenso abgewiesen wird und seine langjährige Freundin Jennifer sich mit Tim vergnügt, fällt sein selbstgebasteltes Kartenhaus von Selbstverliebtheit und überspielten Minderwertigkeitsgefühlen zusammen. Emotional in einer Ruine seiner kranken Persönlichkeit stehend, begibt sich Ray auf einen Kreuzzug gegen die drei jungen Frauen die ihn so ignoriert und abgestoßen haben. Sein Amoklauf kennt an Brutalität und Unmenschlichkeit keine Grenzen und selbst unschuldige Menschen sind nur überflüssige Statisten in seiner Abrechnung....

 
Kritik

“The Lost“ von Jack Ketchum ist ein Schock. Wer bislang Jack Ketchum noch nicht gelesen hat, für den wird der Roman abstoßend und zugleich faszinierend sein.
Jack Ketchum brachialer Stil die Morde und selbst die Charakter zu beschreiben, verbindet er verstörend detailliert. Alleine schon die Charakterzeichnung von Ray Pye, der mit seiner Testosteron gesteuerten Entwicklung, als ein eiskalter und brutaler Manipulator sich zu einer Mordmaschine entwickelt, ist verstörend, aber auch genial. Ray Pye ist das personifizierte Sinnbild einer Zeit in der die Generation sich vollkommen in Stich gelassen fühlte und nicht wirklich wusste, was sie mit sich anfangen sollte. Auch hier beschreibt der Autor sehr eindrucksvoll, mit welchen Ängsten und Hoffnungen sich diese jungen Menschen ihr Universum schufen und welchen Werten sie doch hinterherrannten.
Doch nicht nur die Love & Peace Generation hat hier ihr Päckchen zu tragen, auch die beiden Polizisten und die älteren Personen tragen ihrer Schicksale und sich nicht immer bewusst wie und wann sie handeln haben. Letztlich beschreibt  Jack Ketchum das in einer langen Kette von Eskalationen endet, so als würde man den ersten Stein einer Dominokette umwerfen. Die explosive Welle der Gewalt verschlingt am Ende auch die Unschuldigen und diejenigen die Überleben, tragen in sich die Schuld oder Unschuld, die sie immer wieder hinterfragen.
Das die Handlung auf einer wahren Begebenheit beruht, wird auf den Leser noch viel verstörender wirken. Und wenn man sich auf die Wortwahl des Autors stürzt, so kann man diese als durchaus vulgär, aber ehrlich beschreiben. Die Gedankenbilder seiner Figuren, denken und überlegen in der gleichen Sprache, selbst die Dialoge sind für den Leser der sonst eher den feinen Stil bevorzugt, mehr wie gewöhnungsbedürftig.
Die Spannung wird durch die Charaktere getragen, und nur noch diese. Die Verhältnisse und Abhängigkeiten, die Machspielchen und die Grenzen der einzelnen Personen stehen im Fokus. Die Dialoge sind ebenso einfach wie glaubwürdig beschrieben und die Wahl das jeweilige Kapitel aus der Perspektive der verschiedenen Figuren zu erzählen, ist wahrlich meisterlich. Man ahnt zwar wie es ausgehen wird, aber der Weg dorthin ist absolut fesselnd erzählt.
Das “Böse“ ist hier ist die Summe der Gesellschaft, dass Produkt unserer Ängste und Hoffnungen und der mutlosen Hilflosigkeit, die wir uns nicht erklären können.   

Fazit
„The Lost“ ist schwer einzuordnen! Ist es ein gesellschaftliches Drama, oder eher Horror, vielleicht doch ein Thriller? Es ist, was es ist....ein genialer Roman der noch Stunden oder gar Tage nachwirkt.
„The Lost“ ist ein explosiver und eiskalter Thriller der im Genre “Hardcore“ wohl platziert ist und dieser Bezeichnung alle Ehre macht. Die Angst die sich hier entwickelt, lässt das Grauen kontinuierlich wachsen, und selbst am Ende des Romans wird der Leser nicht wirklich zum Luft holen kommen.
Jack Ketchums „The Lost“ nicht zu empfehlen, geht nicht, also lassen sie es zu und folgen sie den Protagonisten in einem Amoklauf der Gewalt und der Gefühle.

 Michael Sterzik


Autor:
Jack Ketchum ist das Pseudonym des ehemaligen Schauspielers, Lehrers, Literaturagenten und Holzverkäufers Dallas Mayr. Seine Horrorromane zählen in den USA unter Kennern neben den Werken von Stephen King oder Clive Barker zu den absoluten Meisterwerken des Genres, wofür Jack Ketchum mehrere namhafte Auszeichnungen verliehen wurden.











Originaltitel: The Lost

Originalverlag: Leisure Books
Aus dem Amerikanischen von Joannis Stefanidis
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag,
ISBN: 978-3-453-67551-3
€ 19,99 [D] (empf. VK-Preis)
Verlag: Heyne