Stephen R. Lawhead – Scarlet – Herr der Wälder
Schon der erste Band „Hood“ – König der Raben von Stephen R. Lawhead konnte überzeugend begeistern. Der Autor hat nicht nur seinen Helden in einer ganz anderen Region räubern lassen, sondern zu einem ganz anderen Zeitpunkt.
Auch ist dieser uns vor liegender Robin Hood charakterlich vielschichtiger und nicht nur edel und vorbildlich, sondern wie es sein muss, auch mit vielen Ecken und Kanten. Auch seine Gefährten die nicht fehlen dürfen, sind komplett in der Handlung eingebunden. Doch eine mehr oder minder wichtige Person wurde dem Leser im ersten Teil „Hood – König der Raben“ noch nicht vorgestellt – Scarlett!
Seine Person ist in vielen Geschichten, eine Nebenfigur, doch in manch anderen gehört er zum festen Ensemble des Dramas. Manchmal taucht er als Verwandter Robins auf, ab und an auch ist Scarlett in kaminroten Kleidern mit einer Harfe beschrieben. Symbolisch gesehen steht er ganz im Gegensatz zu seinem Anführer Robin, ein ruhiger aber wenn es sein muss, ein treffsicherer tödlicher Geachteter.
Ähnlich wie Robin Hood und Little John gibt es keine historisch belegte Person Will Scarlets, dafür aber ein paar potentielle Kandidaten.
In dem zweiten Teil der Trilogie lässt der Autor Stephen R. Lawhead primär Will Scarlet zu Wort kommen und erzählt die Abenteuer der Geächteten Waliser aus einer ganz anderen Perspektive.
Inhalt
Die Normannen halten Wales noch immer in ihren Händen und unterwerfen und versklaven weiterhin das Volk. König William der Rote lässt das Land durch seine Barone ausbluten, deren Schicksal ist dem Monarchen egal. Ihn interessiert nur die Politik und seine familiären Streitigkeiten um seinen Thron.
Der König der Raben leistet erbitterten Widerstand, seine Heimat sind die Grenzmarken des walisischen Landes mitsamt seinen dunklen Wäldern, die ihm viele Möglichkeiten geben, sich den Normannen zu entziehen. Aus dem Schutz des Waldes kämpft Bran ap Brychan einen verzweifelten Kampf um Gerechtigkeit und Freiheit für sein Volk.
Will Scarlet indessen befindet sich in der Gefangenschaft der Normannen und wartet auf den Zeitpunkt seiner Hinrichtung. In der Zwischenzeit diktiert er dem Priester Odo sein bisheriges Leben. Zwischen den beiden so unterschiedlichen Männern entwickelt sich eine Freundschaft, doch Ziel dieser Unterhaltung ist natürlich hinter das Geheimnis des Verstecks des Rabenkönigs zu kommen. Nur das könnte Will Scarlet vor dem Henker retten, doch dieser denkt überhaupt nicht daran Bran zu verraten. Stattdessen erzählt Will von seinen Leben, wie die Normannen auch über sein Gebiet wie die Pest gekommen sind und er flüchten musste und wie er persönlich den Rabenkönig und seine Schar kennen- und lieben gelernt hat. Der Mönch ist fasziniert von den Erzählungen Scarlets und lauscht dessen Abenteuern und dem gefährlich, aufregenden Leben das er einst geführt hat und wieder führen will.
In den walisischen undurchdringlichen Wäldern hingegen fällt Bran und seinen Freunden ein „Schatz“ in den Händen, dessen Wert sie nur ahnen können und ein in französischer Schrift verfasste Brief, der das Rätsel noch mysteriöser macht. Sie können nur erkennen, dass das Dokument an den Papst adressiert ist!?
Als sie hinter den Sinn des Briefes kommen, wird ihnen klar dass es der Aufruf zu einer Verschwörung gegen den roten König William ist. Es gib einige Barone die sich der Herrschaft William entledigen wollen und auch die Familie des Barons Braose ist hier involviert. Ein Komplott das als Hochverrat gilt und Bran vielleicht die Gelegenheit geben kann, sein kleines Königreich Elfael von König William zurück zu bekommen.....ein Spiel mit dem Feuer, und wird Bran der Rabenkönig seinen Gefolgsmann Will retten können?
Kritik
„Scarlet – Herr der Wälder von Stephen R. Lawhead ist noch spannender und abwechslungsreicher als der erste Teil der Trilogie „Hood – König der Raben. Diesmal erzählt der Autor das Geschehen aus der Perspektive von Will Scarlet. Damit ändert sich aber nicht nur die Sichtweise, sondern auch der Stil des Autors. Stilistisch feinfühliger ist sein Ausdruck in der Sprache, dass merkt man nach den ersten Seiten des Romans sofort.
Die Eskalationsspirale zwischen den Normannen und den Walisern dreht sich schneller und das Volk leidet unter der Knechtschaft immer mehr. Die Fronten verhärten sich, zwar ist das Volk für den „Rabenkönig“, doch auch dieser hat weniger Probleme bekommen und sucht immer noch, nach einen Weg sein Lehen zu retten.
Doch geht in der detaillierten, spannenden Geschichte hauptsächlich um das Schicksal Scarlets. Neben Little John und Bruder Tuck ist Scarlet eine zentrale Figur und Bran in seinen Wesen und Verhalten, mit vielen Eigenschaften sehr verwandt.
Auch in dieser Fassung Robin Hoods ist Scarlet ein Schlitzohr, ein Rebell der aber genau weiß was er möchte und zielstrebig selbstbewusst seinen Weg geht.
Aufgebaut ist der Roman in sich wie sein Vorgänger auch. Scarlet verliert wie Bran seine Heimat und muss fliehen, nichts wirklich neues, und deutliche Parallelen zum Schicksal Brans, aber auch diesen Cliffhanger nimmt der Autor konsequent gelassen. Weitere Ähnlichkeiten sind wie in anderen Werken vorherbestimmt, sein Talent im Umgang mit dem walisischen Langbogen steht dem Brans in nichts nach, und auch Will kann galant und höflich sein, so das ihm schnell Respekt und Zuneigung entgegengebracht wird. Wie sich der Charakter Wills dann im abschließenden dritten Teil – Tuck – Streiter des Herrn – entwickeln wird, darauf darf man gespannt sein, denn das Schicksals Brans ist unabdingbar an Will und den übrigen Geächteten gekoppelt.
Nach der Einführung von Wills Geschichte die beginnt als er schon längst im Gefängnis sitzt und Odo sein Leben erzählt, kommt „Scarlet – Herr der Wälder“ in Höchstform. Der Brief den Bran durch Zufall in die Hände fiel, wird zur Waffe und zur Hoffnung für die kleine im Wald lebenden Schar von Geächteten.
Die Protagonisten sind komplex und vielseitig aufgebaut. Zum Beispiel das Verhältnis von Gyburne zu Robin ist nicht so zerstört wie wir es sonst kennen. Auch ist Gisyburne nicht voller Grausamkeit und Brutalität gezeichnet. Vielmehr ist er pflichtbewusst und natürlich etwas frustriert, da er ziemlich unter Erfolgsdruck steht. Anders dagegen ist der Sheriff konzipiert. Er ist sich seiner Macht deutlich bewusst und setzt diese auch Rücksichts- und Erbarmungslos ein. Das Gesetz verbindet er gerne und effektiv mit dem Terror und dem Sadismus.
Gysburne ist dagegen ein „wahrer“ Ritter, dem Ehre und Moral noch etwas bedeuten, und er gerne seinen Vorgesetzten genau dies unter die Nase hält, wenn ein Versprechen gebrochen wird und er Gefangene dennoch töten lassen will.
Einige erzählerische Elemente die schon in anderen Romanen eine wesentlich Rolle gespielt haben, sind hier auch bei Stephen R. Lawheads Handlung ebenso eingebaut worden. Der Sheriff jagt Robin der ihm immer wieder entwischt und auch ein Wettbewerb mit dem Einsatz von Wills Leben findet der Leser hier ebenso gut.
Der König allerdings ist in dieser Zeit nicht der Edle und gerechte Richard Löwenherz, sondern König William Rufus, auch genannt der Rote und ihm geht es nur darum sein Königreich weiter auszubauen und seine Macht zu stärken. Egoismus ist sein Grundsatz und auch wenn Bran ihm von der geplanten Verschwörung warnt, so lässt er ihn zwar nicht verhaften als Rebell, aber Gerechtigkeit und sein Erbe bekommt Bran nicht zurück.
Es passiert was passieren muss, durch Brans Wissen um die Verschwörung gegen den König wird er zu einer politischen, brisanten Gefahr. Leider erfährt der Leser nicht viel über die politischen Lager und König William. Hier hätte ein wenig mehr Aufklärung der Geschichte gut getan.
Der zweite Teil „Scarlet – Herr der Wälder“ endet dramatischer als der erste Teil. Nicht nur das Bran den Groll des Sheriffs und des Barons geweckt hat, auch Abt Hugo sieht eine Gefahr in Bran und seinen Geächteten und ruft in Gottes Namen die Vernichtung von Bran aus. Angharad die Weise Frau und Bardin der vom Schicksal geschlagenen Schar von Geächteten hat dies vorausgesehen und im dritten und letzten Teil – Tuck – Streiter des Herrn, wird der Wind der gesät wurde zum Sturm.
Fazit
„Scarlet – Herr der Wälder“ ist abwechslungsreicher und deutlich spannender wie der erste Teil. Die Entwicklung der Charaktere wirft schon einen interessanten Blick auf das fulminante Finale. Die Erwartungshaltung wird beim Leser nach dem zweiten Teil sehr hoch sein, gerade weil die Geschichte wieder aus einer ganz anderen Perspektive erzählt werden wird. Bruder Tuck wird entweder die Scherben auflesen oder seinen gewissen Pazifismus abschwören müssen, so oder so wird er zum Streiter für den Herrn sein, bleibt nur die Frage wer der „Herr“ sein wird.
„Scarlet – Herr der Wälder“ ist zusammen mit dem ersten Teil „Hood – König der Raben“ eine großartige Interpretation von der Legende Robin Hoods und wird jeden Leser begeistern. Die Karten und das Nachwort runden das Bild gekonnt ab, so das der Leser noch viel Informationen über die damalige Zeit erhalten wird. So muss ein Historischer Roman erzählt werden – packend, realistisch und vielschichtig.
Michael Sterzik
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