Mit dem ersten Band –
„Orphan X“ erschuf der amerikanische Autor Gregg Hurwitz, einen sehr originellen
Killer: Evan Smoak. Sympathisch, nicht unfreundlich, konsequent, dabei ungemein
naiv, soziale Kontakte – na ja stark verbesserungswürdig. Um sich seine Menschlichkeit
und Gefühlswelt zu behalten, hängt der professionelle Mörder seinen „Beruf“ an
den Nagel. Doch seine Berufung, sein Talent – will er sinnvoll einsetzen – er
wird zum Nowhere Man. Die Kriminellen fürchten ihn, denn wenn der Killer sein
Ziel gefunden hat, ist der Weg für diese Verbrecher ein konsequentes Ende. Er
wird zum geflüsterten Schrecken und für die hilflosen Opfer von Kriminellen,
die ihn um Hilfe bitten, zum freundlichen Todesengel – denn er hat noch nie
versagt.
Im vorliegenden Band:
„Projekt Orphan“ ist Evan Smoak noch immer passiv Aktiv in der mörderischen
Branche unterwegs. Noch immer träumt und hofft er, ein normales Leben führen zu
dürfen, eines Tages. Doch er ist noch immer der „Nowhere Man“ – und noch immer
gibt es eine Schuld, die er durch gute Taten ausgleichen möchte. Sein nächster
„Mord“ erweckt allerdings großes Interesse an seiner Person, und vor allem an
seinen finanziellen Background. Er wird überwältigt und findet sich als
Gefangener, eines echt irren Kriminellen mit einer kleinen Privatarmee vor. Das
Timing also verdammt schlecht, da sein letzter Job noch immer nicht
abgeschlossen ist, und die Sachlage etwas zeitkritisch ist.
„Projekt Orphan“ ist ein
munterer, fulminanter Thriller auf einer sehr überschaubaren Bühne. Gregg
Hurwitz lässt seinen sympathischen Killer als Gefangenen einsperren. Das
beschränkt nicht nur die Handlungsmöglichkeiten des Gefangenen Evan Smoak, der
Autor sperrt neben seinen Protagonisten damit auch fast die gesamte Handlung
hinter Gittern. Doch Evan Smoak ist ein wahrer MacGyver, wenn es um
ausgefallene und individuelle Ausbruchsversuche geht.
Der Thriller ist
hochspannend, allerdings hat manchmal die Story, trotz vieler Actiongeladenen
Szenen seine Längen. Die Passage der Inhaftierung Smoaks ist etwas lang geraten
– allerdings sind die Szenarien vor und danach kolossal fabelhaft. Evan Smoaks
„Mission impossible“ ist wie auch im ersten Band eindrucksvoll erzählt. Evan
kann nicht nur sprichwörtlich gut mit allerlei Waffen umgehen, auch rhetorisch
besitzt er eine psychische coolness und eine spitze, ironische Zunge, die ihn
manchmal hilft, und ebenfalls genauso oft Schwierigkeiten bereitet. Die Dialoge
der Protagonisten sind mitunter recht witzig aufgebaut.
Evan Smoaks Gegenspieler
erinnert ein wenig an dem Erzbösewicht „Blofeld“ aus dem James-Bond-Unviersum,
und auch die anderen „Orphans“ spielen noch eine wichtige Rolle in dem
vorliegenden Thriller.
„Projek Orphan“ ist ein
Pageturner – die Story eingeschlossen und immer auf den Sprung mit einer
Actionexplosion auszubrechen. Die Charakterzeichnung eines Killers, ist selten
so gut gelungen, wie hier. Moderner Sprachstil – temporeicher Handlung –
Spannung auf hohem Niveau. Ein Thriller, den man nur außerordentlich schwer
weglegen kann, wer also mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, läuft in Gefahr
beim Lesen sein Ziel zu verpassen.
Es wird mit Sicherheit einen
dritten Band geben. Auch Evan Smoak kann den Mantel seiner Vergangenheit
einfach nicht ablegen und ignorieren. So muss halt ein Mann handeln wie ein
Mann, handeln muss.
Michael Sterzik
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