Mittwoch, 23. Mai 2018

Die Pranken des Löwen - Mac P. Lorne


Wer war eigentlich dieser Robin Hood? Gab es diesen englischen gesetzlosen Verbrecher wirklich in den Wäldern im Sherwood Forest, nahe der Grafschaft Nottingham? Historiker streiten noch immer um diese berühmte Figur, die sich zwischen Fakten und Fiktion in der Literatur und Film bewegt und welchem historischen Hintergrund, dieser hatte. 

Unbestritten gab es im Sherwood Forest räuberische, diebische Banden, deren Mitglieder von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Als Verbrecher geächtet, blieb ihnen wahrscheinlich nur die Flucht in den dichten Wald, der aber ein „Überleben“ garantierte. Wasser und Wild gab es im Überfluss, in Höhlen, oder selbst gebauten Hütten konnte man überleben. Die Banden waren mit Sicherheit keine edlen Freiheitskämpfer, die gegen die Normannen auf offenem Feld vorgingen. 


Es waren keine Rebellen oder edelmütige Schutzherren der Machtlosen, sie wurden zu Überlebenskünstlern und begannen aus der Not heraus Verbrechen. 

Die Figur und insgesamt die Taten eines mythischen Robin Hoods werden gerne übertrieben romantisiert. Betrachtet man allerdings die Epoche, in der dieser grün 
gewandete Geächtete mit seinen Freunden gelebt haben soll, so zeigt sich ein England, dass durch Bürgerkriege und überhaupt Kriege gezeichnet wurde. Die Not der einfachen, meist bäuerlichen Einwohner musste tragisch und elendig gewesen sein, aber auch Adelsfamilien mussten durch die Teilnahme an diesen Kriegen, einen hohen Blutzoll entrichten. Es muss eine Zeit der Willkür in den Grafschaften  gewesen sein und sicherlich bereicherten sich die verantwortlichen Grafen und ihre Sheriffs in einigen Regionen mit hohen, individuellen Steuern und Gesetzen. Das Volk wurde ausgepresst. 

Lassen wir nun die Diskussion um die Historizität eines Robin Hood. Hinter jeder Legende, jeder Sage gibt es auch Wahrheiten und Tatsachen. Es gibt unzählige Theorien, über den berühmt-berüchtigten Räuber, doch über seine Vergangenheit kann man nur mutmaßen. Historische Quellen geben hier keine Informationen preis.

Mac P. Lorne gibt in seinem erstem Band der Robin Hood Reihe, dem Freiheitskämpfer und Geächteten eine Vergangenheit. Der Autor erzählt in seinem historischen Roman: „Die Pranken des Löwen“ weitgehendstes  von seinen Eltern. Sein Vater, ein Mitglied der persönlichen Leibwache, der Tochter des englischen Königs und späteren deutschen Kaiserin. Sein Enkel, der Bogenschütze Robin Hood kommt erst im letzten Drittel des vorliegenden Romans zum Vorschein. 

„Die Pranken des Löwen“ ist ein historischer Roman – und sein Autor Mac P. Lorne transportiert historische Ereignisse und Personen großartig. Hinter dieser authentischen  Kulisse, sind dann seine halbfiktiven Figuren brillant gesetzte Nebenfiguren. Aber keine Sorge – Historische Fakten und fiktive Charaktere werden perfekt kombiniert und harmonieren. Die Handlung befasst sich fast ausschließlich mit historischen Themen und spielt noch ausschließlich in Europa – England, Deutschland, Italien. Die englische Geschichte als Nebenprodukt gewinnt allerdings immer mehr an Gewichtung und mündet dann in Geschichten um den Bürgerkrieg, um den Kampf um Englands Krone. 

Mac P. Lorne hat makellos recherchiert und diese Ergebnisse sehr lebendig auf die epochemachende Bühne befördert. Authentische Spannung, Figuren, denen man sich nicht entziehen kann und natürlich die brachiale, historische Geschichte in „Die Pranken des Löwen“ kreieren diese Interpretation des englischen Volkshelden in seinem Ursprung gesehen, brillant. Es gibt eine Menge an historisch belegten Figuren, der man folgen wird. Das Tempo der Story ist gut eingesteuert, die Spannung allgegenwärtig und verliert sich nicht in untragbare Nebengeschichten und Handlungen. Mac P. Lorne erzählt bildgewaltig und verdammt lebhaft, mit vielen lauten und leisen Emotionen und lässt nicht zuletzt auch gerne mal das Schwert aufblitzen und den englischen Langbogen singen. 

Natürlich gibt es auch Figuren, die ebenfalls Teil der Legende Robin Hoods sind, Little John, Will Scarlet, Much, Bruder Tuck und natürlich Marion sind präsent. Der Langbogen und auch die klassischen Kapitel der Sage, z.B. der Stockkampf mit Little John finden Beachtung. 

So muss Geschichte erzählt und nahegebracht werden – historisch belegte Figuren und Ereignisse in großartiger Kombination mit fiktiven Charakteren, die aber nicht minder authentisch wirken. 

Beachtlich und sehr positiv überrascht bin ich vom Stil des Autors. „Die Pranken des Löwen“  und die Folgebände wurden schon 2014 im Verlag Dorfmeister veröffentlicht. Jetzt 2018 vom Münchner Verlag Knaur wieder veröffentlicht wird man seine Robin Hood Reihe mit seinen Werken: „Der Pirat“ und „Der Herr der Bogenschützen“ vergleichen. Mein ganz persönlicher Eindruck ist, dass  in „Die Pranken des Löwen“ und auch der zweite Band, in Stil, Ausdruck, Sprache und nicht zuletzt auch der Atmosphäre besser ist, als in den neueren Romanen des Autors. 

Vielleich liegt es daran, dass eine Handlung auf vier Bände gesplittet, dem Autor mehr Raum gibt um seine Figuren und die Handlung zu entwickeln. Ein komprimierter Einzelband beschränkt natürlich. Mac P. Lorne sollte ruhig mal versuchen, in Zukunft über eine historische Reihe nachzudenken. Manchmal ist ein Schritt zurück, zwei Schritte vor. 

Es gibt nicht viel zu bemängeln. Dass der Autor in der Handlung einen Blick auf kommende Ereignisse wirft, zum Beispiel: Er sollte es bereuen; es sollte das letzte Mal sein usw. wirken störend und absolut überflüssig. Schmunzeln musste ich, wenn der Autor seine Figur Robin Hood von seinen wackeren Merry Man sprechen lässt. Das wird deplatziert und mitunter absolut lächerlich und lässt den Ernst ein wenig abdriften. Es fällt aber wahrscheinlich kaum auf.

Fazit

„Die Pranken des Löwen“ ist eine Auferstehung, die perfekte Reanimation einer Legende. Pfeilschnelle Interpretation eines Volkshelden, die literarisch ins schwarze Zentrum trifft.  „Robin Hood“ lebt – danke Mac. P. Lorne. 

Michael Sterzik

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