Sonntag, 13. September 2020

Der Eisenbahnmörder


Die Viktorianische Zeit im Britischen Empire war eine des Umbruchs und des Umdenkens. Die Wissenschaft, der medizinische Fortschritt und der beginn der Industrialisierung erschütterten das Empire positiv gesehen in seinen Grundfesten. Damit hatte Großbritannien gegenüber seinen Nachbarländern auf dem europäischen Kontinent durchaus einen beachtlichen Vorsprung erzielt. Großen Anteil hatte auch der Ausbau des Eisenbahnnetzes auf der Insel. Waren, Rohstoffe und Arbeiter konnten nun erhebliche schneller kurze und lange Strecken bewältigen. Dem Import und Export waren hier dann logischerweise weniger Grenzen auferlegt.

Nach den beiden erfolgreichen Romanen: „Der Opiumörder“ und „Die Mörder der Queen“ von David Morrell veröffentlicht nun der Münchner Verlag Knaur den dritten und wahrscheinlich abschließenden Band um seinen literarischen Ermittler Thomas De Quincey. Um es vorab zu sagen, dieser dritte Band ist auch der persönlichste, da die düstere, ja armselige Vergangenheit von De Quincey erzählt wird.

Eine Reise mit der Eisenbahn beschert Thomas De Quincey 1855 seinen dritten Fall: Als der Zug in einem Bahnhof hält, hört der »Opiumesser« Kampfgeräusche aus dem Nachbarabteil, doch als man das Abteil endlich geöffnet hat, ist es leer. De Quinceys Neugierde ist geweckt, und tatsächlich findet er in einem Tunnel auf der Bahnstrecke die Leiche eines Mannes, der offensichtlich aus dem Zug geworfen wurde. Bei dem Toten handelt es sich um einen angesehen Anwalt aus London, der nach Sedwick Hill unterwegs war. Was könnte er in dem unbedeutenden Ort gewollt haben, der beim Adel lediglich für seine Hydrotherapie-Klinik bekannt ist?

Als es in kurzer Folge zu weiteren Anschlägen auf die Eisenbahn rund um London kommt, sinkt mit der Anzahl der Fahrgäste auch der Wert der Aktien aller Unternehmen, die auch nur entfernt mit der Eisenbahn zu tun haben. Queen Victoria beauftragt Thomas De Quincey mit den Ermittlungen. Gemeinsam mit seiner Tochter Emily und den Detectives Sean Ryan und Joseph Becker von Scotland Yard folgt der »Opiumesser« einer Spur, die ihn zu einer alten Freundin aus dunklen Tagen führt. (Verlagsinformation)

Wir werden vielen alten Weggefährten von De Quincey begegnen. Seine Person ist für andere unangenehm, auch als „Drogenabhängiger“ nicht so sympathischste Figur, die natürlich Vorurteile weckt. Doch ist De Quincey ist ein heller, sehr intelligenter Kopf. Ein Querdenker, ein aufmerksamer Beobachter, den jeder, wirklich jeder massiv unterschätzt. Auch Emily beweist sich nicht als edles, umsorgtes Töchterchen, des Opiumessers – für ihre Zeit ist sie außerordentlich modern und vorwitzig. Sie weiß sich mit ihren Intellekt zu behaupten und ist ihrer Zeit deutlich voraus.

David Morrell versteht es meisterhaft, dass viktorianische England, bzw. die Stadt London zu beschreiben. Nicht nur das Stadtbild, die Gegenstände, und der Wechsel in eine neue Zeit, erzählt er perfekt. Auch seine Perspektive auf die gesellschaftliche Struktur, dass Umfeld eines Arbeiterstaates, des Adels der sich schwer tut mit seinen Traditionen, die überholt zu sein scheinen. Selbst Queen Viktoria hat in dem vorliegenden Roman einen kurzen Auftritt. Die Monarchie wurde allerdings im letzten Buch – „Die Mörder der Queen thematisiert“. Insgesamt meint man selbst, in der Metropole Londons umherzuwandern, und Eindrücke zu sammeln. Die eingefangene Atmosphäre ist absolut authentisch dargestellt.

Ebenfalls verfügt der Titel: „Der Eisenbahnmörder“ über ein beachtliches, aber gut eingesteuertes Tempo. Die Ereignisse überschlagen sich nicht und auch die Figuren sind für die Handlung angemessen harmonisch zu- und miteinander aufgestellt.

Besonders die Perspektive des Adels, der besseren Gesellschaft steht hier im Fokus. Das hier finanzielle, oder gesellschaftliche Motive bezüglich der Morde vorstehen, ist logisch. Doch es gibt hier noch vielmehr zu beachten und vor allem überrascht die Story am Ende doch sehr. Das Storytelling gestaltet sich professionell.

Ich sagte schon das es persönlich für De Quincey wird – dieser letztliche Part ist brillant erzählt und fügt sich der Handlung passgenau und vor allem nachhaltig ein. Letztlich kann der Opiumesser – wie De Quincey auch genannt wird, seiner Vergangenheit nicht entfliehen, sie holt ihn ein und ein altes Rätsel wird gelöst.

Es gibt faktisch nicht viel bemängeln. Der Dramatik wird eine gute Bühne gegeben, spannend ist der vorliegende Roman auch. Inhaltlich vielleicht etwas schwächer wie die beiden vorherigen Titel. Der persönliche Part von De Quincey hätte tiefer ausgebaut werden können, aber nun gut.

Abschließend sei zu sagen: Eine brillante Reihe, deren Atmosphäre man sich nicht entziehen kann. Emotionale Spannung der verschiedenen Perspektiven auch die der Mörder sind äußerst gut in Szene gesetzt. De Quincey hat etwas von einem Sherlock Holmes – aber viel weniger ist dieser ein Man of Action. Ein literarischer Nerd, mit einem wachen Geist und einer raschen Auffassungs- und Beobachtungsgabe, der unterschätzt wird.

Fazit

„Der Eisenbahnmörder“ ist brillant. Eine dramatische Geschichte, die nicht besser erzählt werden kann. Das ist einer der verdammt besten, historischen Kriminalreihen. Eine literarische Zeitreise in die Viktorianische Zeit. Prädikat: Muss man lesen.

Michael Sterzik


Keine Kommentare: