Die Viktorianische Zeit im Britischen Empire war eine des
Umbruchs und des Umdenkens. Die Wissenschaft, der medizinische Fortschritt und
der beginn der Industrialisierung erschütterten das Empire positiv gesehen in
seinen Grundfesten. Damit hatte Großbritannien gegenüber seinen Nachbarländern
auf dem europäischen Kontinent durchaus einen beachtlichen Vorsprung erzielt. Großen
Anteil hatte auch der Ausbau des Eisenbahnnetzes auf der Insel. Waren,
Rohstoffe und Arbeiter konnten nun erhebliche schneller kurze und lange
Strecken bewältigen. Dem Import und Export waren hier dann logischerweise
weniger Grenzen auferlegt.
Nach den beiden erfolgreichen Romanen: „Der Opiumörder“
und „Die Mörder der Queen“ von David Morrell veröffentlicht nun der Münchner
Verlag Knaur den dritten und wahrscheinlich abschließenden Band um seinen literarischen
Ermittler Thomas De Quincey. Um es vorab zu sagen, dieser dritte Band ist auch
der persönlichste, da die düstere, ja armselige Vergangenheit von De Quincey
erzählt wird.
Eine Reise mit der Eisenbahn beschert Thomas De Quincey
1855 seinen dritten Fall: Als der Zug in einem Bahnhof hält, hört der
»Opiumesser« Kampfgeräusche aus dem Nachbarabteil, doch als man das Abteil
endlich geöffnet hat, ist es leer. De Quinceys Neugierde ist geweckt, und
tatsächlich findet er in einem Tunnel auf der Bahnstrecke die Leiche eines
Mannes, der offensichtlich aus dem Zug geworfen wurde. Bei dem Toten handelt es
sich um einen angesehen Anwalt aus London, der nach Sedwick Hill unterwegs war.
Was könnte er in dem unbedeutenden Ort gewollt haben, der beim Adel lediglich
für seine Hydrotherapie-Klinik bekannt ist?
Als es in kurzer Folge zu weiteren Anschlägen auf die
Eisenbahn rund um London kommt, sinkt mit der Anzahl der Fahrgäste auch der
Wert der Aktien aller Unternehmen, die auch nur entfernt mit der Eisenbahn zu
tun haben. Queen Victoria beauftragt Thomas De Quincey mit den Ermittlungen.
Gemeinsam mit seiner Tochter Emily und den Detectives Sean Ryan und Joseph
Becker von Scotland Yard folgt der »Opiumesser« einer Spur, die ihn zu einer
alten Freundin aus dunklen Tagen führt. (Verlagsinformation)
Wir werden vielen alten Weggefährten von De Quincey
begegnen. Seine Person ist für andere unangenehm, auch als „Drogenabhängiger“
nicht so sympathischste Figur, die natürlich Vorurteile weckt. Doch ist De
Quincey ist ein heller, sehr intelligenter Kopf. Ein Querdenker, ein aufmerksamer
Beobachter, den jeder, wirklich jeder massiv unterschätzt. Auch Emily beweist sich
nicht als edles, umsorgtes Töchterchen, des Opiumessers – für ihre Zeit ist sie
außerordentlich modern und vorwitzig. Sie weiß sich mit ihren Intellekt zu behaupten und ist
ihrer Zeit deutlich voraus.
David Morrell versteht es meisterhaft, dass viktorianische
England, bzw. die Stadt London zu beschreiben. Nicht nur das Stadtbild, die
Gegenstände, und der Wechsel in eine neue Zeit, erzählt er perfekt. Auch seine
Perspektive auf die gesellschaftliche Struktur, dass Umfeld eines
Arbeiterstaates, des Adels der sich schwer tut mit seinen Traditionen, die
überholt zu sein scheinen. Selbst Queen Viktoria hat in dem vorliegenden Roman
einen kurzen Auftritt. Die Monarchie wurde allerdings im letzten Buch – „Die
Mörder der Queen thematisiert“. Insgesamt meint man selbst, in der Metropole
Londons umherzuwandern, und Eindrücke zu sammeln. Die eingefangene Atmosphäre ist
absolut authentisch dargestellt.
Ebenfalls verfügt der Titel: „Der Eisenbahnmörder“ über
ein beachtliches, aber gut eingesteuertes Tempo. Die Ereignisse überschlagen
sich nicht und auch die Figuren sind für die Handlung angemessen harmonisch zu-
und miteinander aufgestellt.
Besonders die Perspektive des Adels, der besseren Gesellschaft
steht hier im Fokus. Das hier finanzielle, oder gesellschaftliche Motive
bezüglich der Morde vorstehen, ist logisch. Doch es gibt hier noch vielmehr zu
beachten und vor allem überrascht die Story am Ende doch sehr. Das Storytelling
gestaltet sich professionell.
Ich sagte schon das es persönlich für De Quincey wird –
dieser letztliche Part ist brillant erzählt und fügt sich der Handlung
passgenau und vor allem nachhaltig ein. Letztlich kann der Opiumesser – wie De
Quincey auch genannt wird, seiner Vergangenheit nicht entfliehen, sie holt ihn
ein und ein altes Rätsel wird gelöst.
Es gibt faktisch nicht viel bemängeln. Der Dramatik wird
eine gute Bühne gegeben, spannend ist der vorliegende Roman auch. Inhaltlich
vielleicht etwas schwächer wie die beiden vorherigen Titel. Der persönliche
Part von De Quincey hätte tiefer ausgebaut werden können, aber nun gut.
Abschließend sei zu sagen: Eine brillante Reihe, deren
Atmosphäre man sich nicht entziehen kann. Emotionale Spannung der verschiedenen
Perspektiven auch die der Mörder sind äußerst gut in Szene gesetzt. De Quincey
hat etwas von einem Sherlock Holmes – aber viel weniger ist dieser ein Man of
Action. Ein literarischer Nerd, mit einem wachen Geist und einer raschen
Auffassungs- und Beobachtungsgabe, der unterschätzt wird.
Fazit
„Der Eisenbahnmörder“ ist brillant. Eine dramatische
Geschichte, die nicht besser erzählt werden kann. Das ist einer der verdammt
besten, historischen Kriminalreihen. Eine literarische Zeitreise in die
Viktorianische Zeit. Prädikat: Muss man lesen.
Michael Sterzik
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