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Montag, 13. April 2015

1815 Blutfrieden - Sabine Ebert

Der Krieg gegen Napoleon wird von Schlacht zu Schlacht härter geführt. Doch die alliierten Truppen, Preußen, Russen, Österreicher und Schweden erzielen auch die ersten Erfolge und zeigen der Welt, dass der große geniale Stratege Napoleon Bonaparte nicht unbesiegbar ist. Im Herbst 1813 wird die französische Armee in der Völkerschlacht bei Leipzig vernichtend geschlagen. Knappe 130.000 Soldaten fanden bei dieser mehrtägigen Schlacht den Tod. Doch der Krieg ist damit noch lange nicht für die Zivilbevölkerung und den Soldaten beendet. Napoleon muss sich mit seinen verbliebenden Armeen zurückziehen und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Die alliierten Truppen verfolgen den französischen Kaiser, um den schon seit Jahren herrschenden Krieg in Europa zu beenden. 

In Leipzig selbst, ist die Freude groß über die gewonnene Schlacht, aber der Blutzoll ist dramatisch hoch. Die Zivilbevölkerung ist überfordert mit der hohen Anzahl an Verletzten und Toten in ihrer ehemals so schönen Stadt. In den Lazaretten fehlt es an Medikamenten, Instrumenten, Verbänden und an tatkräftige Hilfe bei der Pflege dieser meist noch jungen Soldaten. Hinzu kommt noch, dass die Lebensmittel knapp werden und die hygienischen Verhältnisse und Bedingungen mangelhaft sind. Durch Typhus werden in den folgenden Wochen unzählige Verletzte, Ärzte und auch die Zivilbevölkerung grausam dahingerafft werden.

Sabine Ebert hat schon mit dem ersten Teil – 1813 Kriegsfeuer bewiesen, dass Sie nicht nur spannende Unterhaltung bieten kann, sondern auch mit dem zweiten und wohl abschließenden Band – 1815 Blutfrieden-  wiederum brilliert. Auch wenn es die letzten Monate des französischen Kaisers Napoleon sein werden – die berühmte Schlacht die das Ende Napoleons quasi einläutete – Waterloo steht in der Handlung nicht im Vordergrund. Sabine Ebert wollte wohl nicht das Thema „Waterloo“ ausschlachten, dass sowieso schon in vielen Büchern und Verfilmungen seinen Platz gefunden hat. Nein, Sabine Ebert wollte die Vorgeschichte erzählen und den Leser eine Zeit präsentieren, in der Deutschland für immer durch die Völkerschlacht bei Leipzig eine historische Prägung bekommen hat.

Im Fokus wird das Leid – das (über)Leben und Sterben der einfachen Menschen beschrieben. Es sind die Verluste an Menschen, an Träumen, Vorstellungen und nicht zuletzt an Idealen, an die sich diese Menschen klammern und manchmal ja auch verzweifelt sich ihrem Schicksal ergeben müssen. Doch auch in dieser dramatischen und verhängnisvollen Zeit erzählt Sabine Ebert von Hoffnungen von Nächstenliebe und Menschlichkeit, die auch „Feinden“ gewährt wird.

Was diesen Roman auch von vielen anderen sogenannten historischen Romanen unterscheidet ist schlicht und einfach, dass die Autorin sich hier an historischen Quellen orientiert hat und diese schriftlichen Zeitzeugnisse, wie Tagebücher, Briefe und Zeitungen dafür verwendet um die Charaktere in diese kleinen Geschichten und Schicksalen einzuweben.

Damit ist auch das vorliegende Buch 1815 Blutfrieden für die Leser eine spannende und äußerst unterhaltsame, mehrstündige Konfrontation mit einem blutig erkauften Frieden. Es ist eine Kriegsberichterstattung und auch ein Plädoyer gegen Krieg der nicht Soldaten an Leib und Seele verstümmelt oder tötet.

Der Leser wird nicht lange brauchen, um sich in diesem Werk zu orientieren, da dieser sich fugenlos an den Vorgängerband anschließt. Als geologischen Mittelpunkt spielt die Handlung nicht nur in Leipzig, sondern verlagert sich mit den Figuren auch nach Berlin, Erfurt und Frankfurt. Da der Roman nicht nur die Perspektive der Hauptfigur einnimmt, sondern auch andere Charaktere zu Wort kommen lässt, gibt der Geschichte eine immense Tiefe und ein mehrstufiges Verständnis für den Leser.

Die Alliierten, die nach der Völkerschlacht Leipzig einnehmen, haben sich schon längst darüber verständigt, die Länder und Grenzen Europas neu aufzuteilen. Napoleon und sein Ego kommen hier ebenfalls auf die Bühne, denn so schnell gibt der Kriegsherr und Kaiser nicht auf.

Leipzig ist allerdings viel Raum gewidmet, denn auch bei diesem historischen Sieg, ist das Elend unvorstellbar groß. Die Bevölkerung kämpft nicht nur gegen den Hunger und der Armut, sondern auch gegen den allgegenwärtigen Tod durch die aufkommenden Seuchen, die den Umstand geschuldet sind, dass die hygienischen Verhältnisse zusammengebrochen sind. Die Verletzten in den Lazaretten sind dem Tode geweiht, die Ärzte hilflos und überlastet. Doch es gibt auch Familien die hier selbstlos agieren und Verletzte hingebungsvoll aufnehmen und pflegen.

Es gibt viele Szenen, die den Leser berühren werden, die stellvertretend für den Wahnsinn und auch für die Menschlichkeit stehen. Einige Augenblicke werden sich tief in die Seele und das Herz  des Lesers einbrennen – die Szenen im Lazarett als Henriette sich faktisch für die Verletzten aufopfert oder als sie beschließt jenseits alle höfischen Etikette, den feinen und adligen Damen von Grauen und Sterben des Krieges erzählt. Gerade diese feinfühligen Szenen geben dem Roman das Besondere. Auch die implementierte Liebesgeschichte darf nicht fehlen, aber die Autorin verfängt sich hier nicht an unrealistischen Klischees, sondern beschreibt sie sensibel und atmosphärisch.

Es gibt wenig zu kritisieren. Die beiden Romane „1813 Kriegsfeuer“ und „1815 Blutfrieden“ sind voluminös und der Leser muss sich Konzentrieren, um hier mit der Geschichte schritt zu halten. Es geht manchmal auch in die Politik, doch auch hier wird es nicht langatmig oder zu verwirrend – sondern unterhaltsam präsentiert.

„1815 Blutfrieden“ ist ein perfekter Antikriegsroman, eine Kriegsberichterstattung, die unter die Haut geht und man förmlich den Atem der Zeit spürt.

Danke Frau Ebert für viele unterhaltsame und lehrreiche Stunden, die ich mit ihren Figuren verbringen durfte. Danke, dass sie dieser Zeit ein historisches Gesicht gegeben haben und das Sie die Toten ehren, gleich weder Nationalität sie waren – es waren „Menschen“.

Michael Sterzik