Wir alle kennen die Schreckensmeldung aus den Medien, wenn es wieder zu einem Amoklauf ggf. in einer Schule gekommen ist, oder es einen Anschlag auf einem Weihnachtsmarkt, oder ein anderes Gewaltverbrechen. Die Opfer oftmals unschuldige, aber es gibt natürlich auch Beziehungstaten mit Tätern, von denen wir niemals gedacht hätten, dass diese zu etwas so Entsetzlichem überhaupt fähig sind. Die Frage nach dem „Warum?“ stellt sich dann immer ein und eine abschließende Antwort findet sich meistens nicht.
Psychologisch ist dies ein Thema, das zwar ansatzweise
beantwortet werden kann, doch noch immer gibt es viele Sackgassen, vor denen
man irgendwann fraglos steht. Sind diese Menschen, die wir im Alltag als nett,
umgänglich und freundlich empfinden, wenn wir diesen begegnen – therapierbar!? Kann
man ihren inneren Dämonen Paroli bieten und zu dem inneren Bios des Gehirns
einen Zugang finden? Kann man die Festplatte und die Software – das
psychologische Betriebssystem updaten, oder am besten ganz neu aufsetzen?
Joe Bausch, der als Gefängnisarzt in den letzten
Jahrzehnten unzählige Straftäter kennengelernt und untersucht hat, und
sicherlich auch viele intensive Gespräche geführt hat, erzählt in seinem
neuesten Buch „Maxima Culpa“ von der schweren Straftat, die immer ihren Anfang
im Kopf des Täters begonnen hat.
»Von unvorstellbarem Ausmaß«, so werden Gewaltakte mit
tödlichem Ausgang in der Öffentlichkeit häufig genannt. Nur wenige Menschen
kennen persönlich so viele Schwerverbrecher wie der langjährige Gefängnisarzt
und True-Crime-Spezialist Joe Bausch. In seinem neuen Buch geht er der Frage
nach, wie Gewalttaten entstehen. Er erzählt den Fall von der »Eislady«, aus
Portugal, die sich von ihren dominanten Männern nur durch Mord zu befreien
wusste. Oder vom dreifachen Familienvater, der auf Jersey elf Jahre lang ein
Doppelleben als Sexualstraftäter führen konnte. Immer zeigt Bausch
faszinierende Täterprofile und subtile Kausalitäten auf, die auch etwas vom
zerstörerischen Drive unserer Gesellschaft offenbaren. (Verlagsinfo)
Der Fokus in dem vorliegenden Buch ist nicht die
Schilderung im Detail von blutigen und unfassbaren Gewalttaten, es geht hier um
die Psychologie der Tat und die Psychologie des Täters! In kurzen, aber
prägnanten Kapiteln lässt uns der Autor an der Dynamik des Verbrechens teilhaben.
Warum gibt es bei diesen Tätern einen Kurzschluss, einen
Blackout, einen „kein Anschluss unter dieser Nummer“, dass Sie dann oftmals
eiskalt, berechnend, systematisch und mit Planung durchführen? Resultiert diese
seelische Taubheit durch einen Kindheitstraum? Das ist und kann mit Sicherheit
ein Grund sein, aber kein ausschließlicher, wenn der Mensch quasi via
Autopiloten auf Gewalt umschaltet.
Erschreckende kurze Schicksale, viele davon kennen wir aus
den Medien. Vieles lässt sich dann im Netz recherchieren, wenn man noch mehr
Informationen erhalten möchte. Joe Bausch weiß, wovon er schreibt: Er erzählt
von persönlichen Erfahrungen, von seinen eigenen Theorien und
Schlussfolgerungen und natürlich gibt es viele Informationen, die uns die Welt
der Justiz etwas verständlicher näherbringen. Strafmaß, Sicherheitsverwahrung,
Urteile etc. wer damit wenig anfangen kann, dem wird hier etwas geholfen.
Das Buch zeigt uns auch, dass wir womöglich und das jeder
von uns, in unserem Leben mehrfach Mördern, Sexualstraftätern usw. begegnen,
bzw. potenziellen Zukunftstätern. Das Schreckliche daran ist, dass es unter
gewissen Voraussetzungen jeder von uns werden kann. Das Leben ist voller
Schicksalsschläge – unsere eigene Vergangenheit kennen wir nur selbst, unsere
eigenen Dämonen können wir Namen geben – aber nur wir selbst können diese
identifizieren.
Ein Mann, oder eine Frau sieht „Rot“. Ein bestimmtes
Erlebnis, ein Gesicht, ein Gespräch, eine Erinnerung könnte der Trigger werden,
dass wir von einem Dr. Jekyll zu einem durchgeknallten, aber intelligent
mordenden Mr. Hyde werden!
Joe Bausch erzählt von Therapieversuchen, die sich ggf.
über Jahre hinziehen, wobei der Täter selbst den Psychologen manipulieren kann.
Vielleicht fühlt sich dieser auch dem „Bösen“ näher, als dem „Guten“ – schwer
vorstellbar, aber leider allzu realistisch. Die Täter erklären sich auch, so
wie Joe Bausch es erzählt.
„Maxima Culpa“ ist ein hochunterhaltsamer Titel, spannend
und orientiert sich absolut an den Fakten. Das Leben schreibt halt immer noch
die besten Geschichten. „True Crime“ – ein Sachbuch diesmal und Joe Bausch
erzählt sehr plakativ und direkt, sehr verständlich und absolut packend. Ich
hätte mir gewünscht, dass er die Täter namentlich genannt hätte, es ist zwar
nicht sonderlich schwer hier, die Hintergründe der Täter, die Opfer und den
Hergang der Tat zu recherchieren, aber das Versteckspiel halte ich für sehr
unnötig.
Fazit
Spannender als ein Tatort – informativer als jeder
Medienbericht und so packend erzählt, dass die Verbrechen, die im Kopf des
Täters entstehen, dem Leser psychologisch erklärt, eine Gänsehaut vermitteln.
Der Täter wird hier nicht verharmlost – er ist ein Mensch, der zum Monster
werden kann.
Michael Sterzik