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Freitag, 21. Oktober 2022

Maxima Culpa - Jedes Verbrechen beginnt im Kopf - Joe Bausch


Wir alle kennen die Schreckensmeldung aus den Medien, wenn es wieder zu einem Amoklauf ggf. in einer Schule gekommen ist, oder es einen Anschlag auf einem Weihnachtsmarkt, oder ein anderes Gewaltverbrechen. Die Opfer oftmals unschuldige, aber es gibt natürlich auch Beziehungstaten mit Tätern, von denen wir niemals gedacht hätten, dass diese zu etwas so Entsetzlichem überhaupt fähig sind. Die Frage nach dem „Warum?“ stellt sich dann immer ein und eine abschließende Antwort findet sich meistens nicht.

Psychologisch ist dies ein Thema, das zwar ansatzweise beantwortet werden kann, doch noch immer gibt es viele Sackgassen, vor denen man irgendwann fraglos steht. Sind diese Menschen, die wir im Alltag als nett, umgänglich und freundlich empfinden, wenn wir diesen begegnen – therapierbar!? Kann man ihren inneren Dämonen Paroli bieten und zu dem inneren Bios des Gehirns einen Zugang finden? Kann man die Festplatte und die Software – das psychologische Betriebssystem updaten, oder am besten ganz neu aufsetzen?

Joe Bausch, der als Gefängnisarzt in den letzten Jahrzehnten unzählige Straftäter kennengelernt und untersucht hat, und sicherlich auch viele intensive Gespräche geführt hat, erzählt in seinem neuesten Buch „Maxima Culpa“ von der schweren Straftat, die immer ihren Anfang im Kopf des Täters begonnen hat.

»Von unvorstellbarem Ausmaß«, so werden Gewaltakte mit tödlichem Ausgang in der Öffentlichkeit häufig genannt. Nur wenige Menschen kennen persönlich so viele Schwerverbrecher wie der langjährige Gefängnisarzt und True-Crime-Spezialist Joe Bausch. In seinem neuen Buch geht er der Frage nach, wie Gewalttaten entstehen. Er erzählt den Fall von der »Eislady«, aus Portugal, die sich von ihren dominanten Männern nur durch Mord zu befreien wusste. Oder vom dreifachen Familienvater, der auf Jersey elf Jahre lang ein Doppelleben als Sexualstraftäter führen konnte. Immer zeigt Bausch faszinierende Täterprofile und subtile Kausalitäten auf, die auch etwas vom zerstörerischen Drive unserer Gesellschaft offenbaren. (Verlagsinfo)

Der Fokus in dem vorliegenden Buch ist nicht die Schilderung im Detail von blutigen und unfassbaren Gewalttaten, es geht hier um die Psychologie der Tat und die Psychologie des Täters! In kurzen, aber prägnanten Kapiteln lässt uns der Autor an der Dynamik des Verbrechens teilhaben.

Warum gibt es bei diesen Tätern einen Kurzschluss, einen Blackout, einen „kein Anschluss unter dieser Nummer“, dass Sie dann oftmals eiskalt, berechnend, systematisch und mit Planung durchführen? Resultiert diese seelische Taubheit durch einen Kindheitstraum? Das ist und kann mit Sicherheit ein Grund sein, aber kein ausschließlicher, wenn der Mensch quasi via Autopiloten auf Gewalt umschaltet.

Erschreckende kurze Schicksale, viele davon kennen wir aus den Medien. Vieles lässt sich dann im Netz recherchieren, wenn man noch mehr Informationen erhalten möchte. Joe Bausch weiß, wovon er schreibt: Er erzählt von persönlichen Erfahrungen, von seinen eigenen Theorien und Schlussfolgerungen und natürlich gibt es viele Informationen, die uns die Welt der Justiz etwas verständlicher näherbringen. Strafmaß, Sicherheitsverwahrung, Urteile etc. wer damit wenig anfangen kann, dem wird hier etwas geholfen.

Das Buch zeigt uns auch, dass wir womöglich und das jeder von uns, in unserem Leben mehrfach Mördern, Sexualstraftätern usw. begegnen, bzw. potenziellen Zukunftstätern. Das Schreckliche daran ist, dass es unter gewissen Voraussetzungen jeder von uns werden kann. Das Leben ist voller Schicksalsschläge – unsere eigene Vergangenheit kennen wir nur selbst, unsere eigenen Dämonen können wir Namen geben – aber nur wir selbst können diese identifizieren.

Ein Mann, oder eine Frau sieht „Rot“. Ein bestimmtes Erlebnis, ein Gesicht, ein Gespräch, eine Erinnerung könnte der Trigger werden, dass wir von einem Dr. Jekyll zu einem durchgeknallten, aber intelligent mordenden Mr. Hyde werden!

Joe Bausch erzählt von Therapieversuchen, die sich ggf. über Jahre hinziehen, wobei der Täter selbst den Psychologen manipulieren kann. Vielleicht fühlt sich dieser auch dem „Bösen“ näher, als dem „Guten“ – schwer vorstellbar, aber leider allzu realistisch. Die Täter erklären sich auch, so wie Joe Bausch es erzählt.

„Maxima Culpa“ ist ein hochunterhaltsamer Titel, spannend und orientiert sich absolut an den Fakten. Das Leben schreibt halt immer noch die besten Geschichten. „True Crime“ – ein Sachbuch diesmal und Joe Bausch erzählt sehr plakativ und direkt, sehr verständlich und absolut packend. Ich hätte mir gewünscht, dass er die Täter namentlich genannt hätte, es ist zwar nicht sonderlich schwer hier, die Hintergründe der Täter, die Opfer und den Hergang der Tat zu recherchieren, aber das Versteckspiel halte ich für sehr unnötig. 

Fazit

Spannender als ein Tatort – informativer als jeder Medienbericht und so packend erzählt, dass die Verbrechen, die im Kopf des Täters entstehen, dem Leser psychologisch erklärt, eine Gänsehaut vermitteln. Der Täter wird hier nicht verharmlost – er ist ein Mensch, der zum Monster werden kann.

Michael Sterzik

Montag, 29. Oktober 2018

Gangster Blues - Joe Bausch

Das Leben schreibt doch die besten, die spannendsten Geschichten. Doch was passiert, wenn das Leben hinter vergitterten Türen und verschlossenen Leben seinen Lauf nimmt?! Die Strafanstalten sind kleine Mikrometropole, in der Verbrecher ihre Strafe absitzen. Sie sollen resozialisiert werden, Buße tun für ihre manchmal gewalttätigen Verbrechen. Es gibt (Spiel)Regeln, nicht nur für die inhaftierten, auch für die Angestellten der Justiz und überhaupt für jeden, der durch die letzte Schleuse, die kleine in sich geschlossene Welt betreten.  Doch nicht nur die reglementierten Menschenrechte und Gesetze finden hier ihre praktische Anwendung. Wie in jeder sozialen Struktur, gibt es auch Richtlinien, ungeschriebene Gesetze, eine Hierarchie an der man sich auf Teufel komm raus, besser orientieren sollte. 

Doch wer ist der Mensch, deren Welt nun auf Jahre hin drastisch eingeschränkt ist? Sind das alles rücksichtslose, brutale Menschen, deren sozialer Kompass versagt hat!? Sollen das alle Monster, oder Bestien sein? Hinter jedem Häftling steckt auch ein persönliches Schicksal. Und fast jeder Mensch benötigt einen kommunikativen Austausch, ein vertrauensvoll geführtes, persönliches Gespräch um seine Seele, vielleicht auch sein schlechtes Gewissen zu entlasten. 

Der bekannte Schauspieler und praktizierender Arzt Joe Bausch gibt als  Leitender Regierungsmedizinaldirektoreinen realistischen Einblick in die hellen und dunklen Seelen seiner inhaftierten Patienten. Seit 1986 ist Joe Bausch hauptberuflich als Arzt in der Haftanstalt Werl tätig. In seinem neuesten Buch „Gangster Blues“ erschienen im Ullstein Verlag erzählt der Mediziner von 12 individuellen Schicksalen die nachhaltig berühren. Der Untertitel „Harte Geschichten“ bewahrheitet sich. 

Selbstverständlich hat der Autor diese außergewöhnlichen Geschichten anonymisiert. Diese erzählen eine manchmal laute oder leise Melodie, einen rhythmischen Blues von Gewalt und Entsetzen. Das Wort Schuld, oder auch unschuldig fällt. Doch vielmehr präsentiert sich die Einsamkeit, die sich auf wenige Quadratmeter uferlos ausbreiten kann, von Reue die man empfindet. Die Geschichten erzählen vom Sterben hinter Gittern. Es gibt gefährliche Begegnungen mit Gefangenen, von Seelen die von sich aus nach einer Sicherheitsverwahrung schreien. Jede Seite, jede Taste der Wut und Enttäuschung wird hier angeschlagen. 

Es sind interessante Momentaufnahmen, die uns Joe Bausch präsentiert. Sie zeigen den „Menschen“ hinter dem Gefangenen und diese gehen unter die Haut. Das Echo dieser individuellen Geschichten, klingt noch lange nach. Das Schicksal ist mit Sicherheit ein verdammt mieser Verräter. Joe Bausch prangert und verurteilt seine inhaftierten Gesprächspartner, die sich vertrauensvoll an ihn gewendet haben, nicht-Ohne auf den Seiten sentimental zu werden, spürt man doch, dass die Geschichten auch dem Autor nahegegangen ist. 

Joe Bausch ist ein Mensch mit Profil, ein harter Hund, aber im inneren auch ein hartgekochtes Weichei und das ist nicht despektierlich gemeint. Viele Schicksale, die er täglich hört, kann man nicht hinter Gittern in eine Zelle einschließen und den Schlüssel wegwerfen. Diesen Geschichten gelingt die Flucht in die Welt außerhalb der Haftanstalten. Sie entfalten sich in ruhigen Momenten und wie ein harter Blues, erreichen die Töne die Seele. Die Klangfarben? Hell und Dunkel – alle Schattierungen vertreten. 

„Gangster Blues“ von Joe Bausch ist auch keine offene Anklage an unser Justizsystem. Keine Feinjustierung – aber es gibt auch kritische Laute, die aber nicht vorrangig das Buch formen.  Nein – der Mediziner und Autor schreibt nicht ohne Gefühl, aber er überlässt es auch dem Leser, welche Melodie diesen berührt. Mitleid und Mitgefühl empfindet man, auch bei einzelnen Passagen kann man schmunzeln, wie gesagt – das Leben schreibt die besten (eingesperrten) Geschichten. Das "Böse" - ja es gibt es, aber man kann es nur beschränkt einschließen. 

Weiterhin erlangt man beim Lesen des Titels unweigerlich einen Einblick in die reglementierte eingeschränkte Welt eines Gefängnisses, die man besser persönlich nicht kennenlernen möchte. 

Fazit

„Gangster Blues“ von Joe Bausch ist anders, eine Sinfonie, die uns einsperren kann. Spannung ist nicht das richtig angewandte Wort, vielmehr und das ist gut so, zeigt es individuelle, abgefahrene Einzelschicksale, und den Menschen, der dafür nun einstehen muss. Die Einsamkeit und die Angst vor einer Freiheit, die man vielleicht gar nicht mehr kennt – sind die größten Dämonen, die heftigste Bestrafung und ein zweites Mal einsperren? Sorry – Antrag abgelehnt. 

„Gangster Blues“ von Joe Bausch ist schlichtweg verdammt gut. Eingesperrt in ein morbides Lesevergnügen....und der Blues klingt lange nach. Danke Joe Bausch.

Michael Sterzik