Buchtipp: "Früher war mehr Verbrechen - von Nina Batram und Katharina Kolvenbach.
Haben wir wirklich dazugelernt? Sind wir vernünftiger geworden? Nicht mehr ganz so kaltblütig, oder sagen morden wir zivilisierter?
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Buchtipp: "Früher war mehr Verbrechen - von Nina Batram und Katharina Kolvenbach.
Psychologisch ist dies ein Thema, das zwar ansatzweise
beantwortet werden kann, doch noch immer gibt es viele Sackgassen, vor denen
man irgendwann fraglos steht. Sind diese Menschen, die wir im Alltag als nett,
umgänglich und freundlich empfinden, wenn wir diesen begegnen – therapierbar!? Kann
man ihren inneren Dämonen Paroli bieten und zu dem inneren Bios des Gehirns
einen Zugang finden? Kann man die Festplatte und die Software – das
psychologische Betriebssystem updaten, oder am besten ganz neu aufsetzen?
Joe Bausch, der als Gefängnisarzt in den letzten
Jahrzehnten unzählige Straftäter kennengelernt und untersucht hat, und
sicherlich auch viele intensive Gespräche geführt hat, erzählt in seinem
neuesten Buch „Maxima Culpa“ von der schweren Straftat, die immer ihren Anfang
im Kopf des Täters begonnen hat.
»Von unvorstellbarem Ausmaß«, so werden Gewaltakte mit
tödlichem Ausgang in der Öffentlichkeit häufig genannt. Nur wenige Menschen
kennen persönlich so viele Schwerverbrecher wie der langjährige Gefängnisarzt
und True-Crime-Spezialist Joe Bausch. In seinem neuen Buch geht er der Frage
nach, wie Gewalttaten entstehen. Er erzählt den Fall von der »Eislady«, aus
Portugal, die sich von ihren dominanten Männern nur durch Mord zu befreien
wusste. Oder vom dreifachen Familienvater, der auf Jersey elf Jahre lang ein
Doppelleben als Sexualstraftäter führen konnte. Immer zeigt Bausch
faszinierende Täterprofile und subtile Kausalitäten auf, die auch etwas vom
zerstörerischen Drive unserer Gesellschaft offenbaren. (Verlagsinfo)
Der Fokus in dem vorliegenden Buch ist nicht die
Schilderung im Detail von blutigen und unfassbaren Gewalttaten, es geht hier um
die Psychologie der Tat und die Psychologie des Täters! In kurzen, aber
prägnanten Kapiteln lässt uns der Autor an der Dynamik des Verbrechens teilhaben.
Warum gibt es bei diesen Tätern einen Kurzschluss, einen
Blackout, einen „kein Anschluss unter dieser Nummer“, dass Sie dann oftmals
eiskalt, berechnend, systematisch und mit Planung durchführen? Resultiert diese
seelische Taubheit durch einen Kindheitstraum? Das ist und kann mit Sicherheit
ein Grund sein, aber kein ausschließlicher, wenn der Mensch quasi via
Autopiloten auf Gewalt umschaltet.
Erschreckende kurze Schicksale, viele davon kennen wir aus
den Medien. Vieles lässt sich dann im Netz recherchieren, wenn man noch mehr
Informationen erhalten möchte. Joe Bausch weiß, wovon er schreibt: Er erzählt
von persönlichen Erfahrungen, von seinen eigenen Theorien und
Schlussfolgerungen und natürlich gibt es viele Informationen, die uns die Welt
der Justiz etwas verständlicher näherbringen. Strafmaß, Sicherheitsverwahrung,
Urteile etc. wer damit wenig anfangen kann, dem wird hier etwas geholfen.
Das Buch zeigt uns auch, dass wir womöglich und das jeder
von uns, in unserem Leben mehrfach Mördern, Sexualstraftätern usw. begegnen,
bzw. potenziellen Zukunftstätern. Das Schreckliche daran ist, dass es unter
gewissen Voraussetzungen jeder von uns werden kann. Das Leben ist voller
Schicksalsschläge – unsere eigene Vergangenheit kennen wir nur selbst, unsere
eigenen Dämonen können wir Namen geben – aber nur wir selbst können diese
identifizieren.
Ein Mann, oder eine Frau sieht „Rot“. Ein bestimmtes
Erlebnis, ein Gesicht, ein Gespräch, eine Erinnerung könnte der Trigger werden,
dass wir von einem Dr. Jekyll zu einem durchgeknallten, aber intelligent
mordenden Mr. Hyde werden!
Joe Bausch erzählt von Therapieversuchen, die sich ggf.
über Jahre hinziehen, wobei der Täter selbst den Psychologen manipulieren kann.
Vielleicht fühlt sich dieser auch dem „Bösen“ näher, als dem „Guten“ – schwer
vorstellbar, aber leider allzu realistisch. Die Täter erklären sich auch, so
wie Joe Bausch es erzählt.
„Maxima Culpa“ ist ein hochunterhaltsamer Titel, spannend
und orientiert sich absolut an den Fakten. Das Leben schreibt halt immer noch
die besten Geschichten. „True Crime“ – ein Sachbuch diesmal und Joe Bausch
erzählt sehr plakativ und direkt, sehr verständlich und absolut packend. Ich
hätte mir gewünscht, dass er die Täter namentlich genannt hätte, es ist zwar
nicht sonderlich schwer hier, die Hintergründe der Täter, die Opfer und den
Hergang der Tat zu recherchieren, aber das Versteckspiel halte ich für sehr
unnötig.
Fazit
Spannender als ein Tatort – informativer als jeder
Medienbericht und so packend erzählt, dass die Verbrechen, die im Kopf des
Täters entstehen, dem Leser psychologisch erklärt, eine Gänsehaut vermitteln.
Der Täter wird hier nicht verharmlost – er ist ein Mensch, der zum Monster
werden kann.
Michael Sterzik
Kritik an den Führer, oder negative Äußerungen zur Politik
und sowieso zur Partei konnten schnell zu einem Todesfall führen. Wer nicht für
„Deutschland“ war – war automatisch ein Staatsfeind. Die Nazis regierten mit
einer unerbittlichen Atmosphäre der Angst und Einschüchterungen, der
Manipulation und setzte regimetreue Figuren an Schlüsselpositionen, um
jeglicher Kritik im Keim zu ersticken – mit allen Mitteln. Sie nahmen es mit
der Staatsgewalt sehr genau.
Ab wann der einzelne Mensch ein „einfacher“ Mitläufer, oder
wann und wie wurde er zum Mitwisser, und dann ggf. zu einem Täter?! Die
Geschichtsbücher und Chroniken sind voll von diesen Beispielen. Nach dem Krieg
verdrängten die Menschen ihre Taten, ignorierten Fragen zu ihrer Vergangenheit,
gaben vor nichts von alledem gewusst zu haben.
Der britische Autor Simon Scarrow, der auch als Dozent für
Geschichte tätig war, hat einen historischen Kriminalroman verfasst:
„Verdunklung“ – erschienen im Verlag Piper.
Berlin im Winter 1939. Der Zweite Weltkrieg hat begonnen.
Immer weiter schränkt das Nazi-Regime die Freiheit der Bevölkerung ein. Doch in
der Hauptstadt wird der sich ankündigende Schrecken der Kriegsjahre von einer
tiefgreifenden Angst überschattet. In den kalten Stunden der Verdunkelung, die
die diktatorische Regierung zum Schutz gegen Fliegerangriffe ausspricht, zieht
ein brutaler Mörder durch die Metropole. Als die Leiche einer jungen Frau
gefunden wird, gerät Kriminalinspektor Horst Schenke unter erbarmungslosen
Druck. Seine Weigerung, in die Nazipartei einzutreten, bringt ihn in große
Gefahr – und als eine zweite Frau ermordet wird, entdeckt Schenke eine Spur,
die bis ins Zentrum der Macht führt. Seine Stunden scheinen gezählt
...(Verlagsinfo)
„Verdunklung“ ist extrem gut erzählt. Der Autor
konzentriert sich nicht ausschließlich auf den Kriminalfall, sondern spaltet
seine spannende Story in einzelne Fragmente, die sich spannungsreich die Hand
geben. Ein Handlungsstrang ist der Ermittler Horst Schenke selbst – der nicht
der NSDAP angehört und sich nicht der SS angeschlossen hat. In der Kritik und
unter Beobachtung seiner Vorgesetzten weiß er, dass er sich entscheiden muss,
um nicht unter die Räder des verbrecherischen Systems zu kommen. Trotzdem wäre
er gerne als Offizier im Fronteinsatz. Also eine ambivalente Figur, die nicht
eindimensional daherkommt.
Ein weiterer Hauptbestandteil ist die Politik selbst. Der
Krieg gegen Polen, die ersten Verluste an Soldaten, die ersten Witwen, die sich
ggf. prostituieren müssen, das Handelsembargo, das ausländische Waren aus England
und Frankreich nicht mehr über die Grenzen lässt. Die einfachen Menschen
erleben noch lange nicht den totalen Krieg – aber sie ahnen ggf. schon was die
nächsten Jahre an Opfer verlangen. Auch die feindselige Haltung gegenüber der
jüdischen Bevölkerung wird in diesem Thema angerissen.
Unterhaltung hin oder her – hier gibt es viel mehr als nur
eine spannende Story zu lesen, sondern uns wird ein sehr detaillierter Blick
auf die Startphase des Zweiten Weltkrieges gegeben. Die gesellschaftliche und
soziale Politik des dritten Reiches wird ebenso viel Raum gegeben wie den Blick
in die Verwaltung, des Militärs und der Spionage. Die Botschaft ist allerdings
sehr deutlich, die der Autor übermittelt – er gibt uns einen Einblick in einen
Verbrecherstaat. Ein Blick hinter der Fassade, die Demaskierung eines Staates.
Die Geschichte wird ebenfalls aus der Perspektive des
Täters erzählt, ohne dass erstmal Namen genannt werden. Das steigert die
Spannung, auch wenn man bereits ahnen kann, wie sich die Geschichte weiterentwickelt.
Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von Überraschungen und Wendungen und wieder
spielt das verbrecherische System hier tragende Rolle.
Apropos Rollen – die Rolle der Frau, wird hier auch in
verschiedenen Szenen erzählt. Eine gefallene Schauspielerin, eine Jüdin, usw.
auch diese Einzelschicksale sind grandios erzählt.
„Verdunklung“ ist hoffentlich der erste Band einer Reihe,
denn die Figuren sind vielversprechend und tiefgründig aufgestellt. Und unsere
Vergangenheit gehört noch immer zu unserer Gegenwart.
Fazit
„Verdunklung“ ist ein helles Licht im Genre historischer
Kriminalroman. Tiefgründige Spannung, ambivalente Figuren und sowieso
verzichtet man hier auf eine Schwarz/Weiß Interpretation. Ein wichtiger Roman,
den ich sehr empfehle.
Michael Sterzik