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Samstag, 24. Dezember 2022

Rachejagd - Gequält - Stevens & Suchanek


Ein Gewaltverbrechen – der Täter wird verhaftet, vielleicht flüchtet er auch noch, das Opfer überlebt, vielleicht körperlich unversehrt – doch die Psyche dieses Menschen lässt sich nicht einfach wieder auf den Ursprungszustand zurücksetzen. Also zurück auf „0“ – alles verdrängt, vergeben, vergessen – findet mal so gar nicht statt. Viele Menschen erholen sich nicht – trotz aller therapeutischen Behandlungen, mit der man versucht die verletzte Seele zu reparieren. Posttraumatische Störungen können sich immer wieder einstellen – ein Geräusch, ein Geruch, eine situative Ähnlichkeit und schon findet man sich wieder in einer schrecklichen Zeitschleife gefangen, die mitunter eine seelische Qual ist.

Depressionen, Schamgefühl, Hilflosigkeit und vielleicht trägt man sich auch damit sein Leben zu beenden, um endlich dem Schmerz und der Angst zu entfliehen. Ein Überleben kann schrecklicher für das Opfer sein, wie der physische Tod.

Das Autorenduo Stevens & Suchanek greifen diese Themen in ihrer neuen Trilogie auf. Im Heyne Verlag ist nun der erste Band „Rachejagd – Gequält“ veröffentlicht worden.

Vor drei Jahren wurde Journalistin Anna Jones zusammen mit ihrer Freundin Natalie entführt und von ihrem Peiniger Edward Harris auf vielfache Art gequält. Anna konnte fliehen, Natalie starb. Diese Schuld verfolgt Anna bis heute. Als sie einen blutbefleckten Brief erhält, wird schnell klar: Edward Harris ist zurück. Nick Coleman, Annas Jugendliebe und FBI-Agent, nimmt die Ermittlungen auf. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Zane Newton, der Profilerin Lynette McKenzie und Nick versucht Anna herauszufinden, was Harris vorhat. Ein perfides Spiel beginnt, bei dem nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Ein Spiel, das nicht nur für Anna tödlich enden könnte. Ein Spiel, das nur ein Ziel hat: Rache.(Verlagsinfo)

Der erste Band ist eine rasante Jagd nach dem Täter, nach einer Aufarbeitung, nach einem „Warum“, einer Rache und Vergeltung. Doch wofür das alles? Bringt es die Toten zurück? Kann es den Schmerz der Vergangenheit auflösen? „Rachejagd – Gequält“ ist viel Action, viele Irrungen, Wendungen, Überraschungen, denen man begegnet, allerdings ist es manchmal etwas zu übertrieben und Logik und eine vernünftige, nachvollziehbare Strategie sich dieser Bedrohung zu stellen gibt es nicht.

Spannend und unterhaltsam ist dieser Roman – aber weit davon entfernt, realistisch zu sein. Es ist ein wenig wie „Gute Zeiten – schlechten Zeiten“ , wobei die schlechten Zeiten dramatisch überwiegen.

Die Action steht hier als Platzhirsch auf der erzählerischen Bühne. Klassische Ermittlungsarbeit des FBI wird nicht thematisiert. Die Ermittlungsgruppe, eine hochintelligente Profilerin, ein IT-Nerd, ein FBI-Agent zwischen Liebe, Vernunft und Pflicht, und ein ehemaliges Just-in-Time-Opfer, die wirklich anstrengend ist. Dieses Quartett soll also den Fall lösen – ohne weitere Hilfe von Behörden etc.? Schöne Räuberpistole, die sich hier vorstellt. Die Charakterzeichnung der Figuren ist ein großer Kritikpunkt, denn sind nicht mehr als oberflächlich entworfen, mit dem einen oder anderem Klischee kombiniert. Einzig und allein die Profilerin zeigt ein gewisses Profil und scheint auch ein Profi zu sein – allerdings ist dilettantisch in die Story eingebaut.

Die Story wird aus mehreren Perspektiven erzählt, leider viel zu wenig aus Sicht des Täters, das hätte der Spannung und vor allem der Tiefe gutgetan. Es wäre ein Duell auf Augenhöhe – hier ist nur ein actionreicher Schlagabtausch – schnell – hart – und vor allem stark übertrieben und unrealistisch.

Es kommt halt auch immer darauf an, mit welcher Erwartungshaltung man ein Buch aufschlägt. Ein intelligenter Thriller ist „Rachejagd – Gequält“ niemals – Popcornunterhaltung auf Papier. Unterhaltsam, locker und leicht – aber mag einen auch zu packen.

Kommen wir zum letzten und allergrößten Kritikpunkt. Was hat eine „Liebesgeschichte“ in einem derartigen Actionthriller verloren? Die Figuren „Nick“ und „Anna“ , eine Jugendliebe, die sich jetzt auch Jahre später noch nicht erwachsen anfühlt. Unweigerlich denkt man dabei, dass die beiden beim Untergang der Titanic zu dämlich gewesen wären, dass es auch nur einer auf diese Tür im eisigen Meer geschafft hätte. Verliebt sein – ja oder nein – eine Komödie in mehreren Akten – Ausgang ungewiss. Wertung: Absolut überflüssig.  

Die Reihe könnte trotzdem gut werden – weil die Geschichte einer Rache und Vergeltung interessant konzipiert ist. Die Frage nach dem: Warum? Weshalb? Wieso?  - rettet den Roman und motiviert den Leser mindestens auch nach Band 2 zu greifen.

Fazit

Unterhaltsam und spannend und die dunkle Seite ist interessanter und vielseitiger, vor allem nicht so langweilig wie die „Guten“. Hier gibt es viel Luft nach „oben“. Der zweite Band muss hoffentlich logischer und ruhiger sein. Mehr psychologische Raffinessen bitte – als sein oder Nichtsein, oder mache ich das jetzt, oder auch nicht.

Michael Sterzik

Montag, 1. Oktober 2018

Macbeth - Jo Nesbo

Der englische Dramatiker Shakespeare verstand es das Publikum im 15./16. Jahrhundert mit Tragödien zu unterhalten. Und jetzt knappe 500 Jahre später, werden seine Werke noch immer von jeder Generation interpretiert und gerne als Film, Buch, Oper oder Musical adaptiert. Auch der norwegische Autor Job Nesbo hat für ein Projekt – „The Hogarth Press“, dass von Virginia und Leonard Wolf gegründet wurde, um in alter Tradition Shakespeare Werke zeitgenössisch zu interpretieren, dass Werk „Macbeth“ neu erzählt. 

Es ist ein ambitionierter Titel, der wahrscheinlich entweder begeistert, oder über den man sich ärgern mag. Der Autor wird auf ewig mit seiner Figur „Harry Hole“ verbunden sein. Diese literarische Bindung aufzubrechen und sich von einem integren, moralischen Ermittler zu lösen, um dann einen Charakter wie Macbeth zu begegnen ist schwer. In seinem Thriller „Macbeth“ hält sich der Autor grundlegend gut an die Charakterisierung der Figur Shakespeare. Macbeth ist ein Mörder, kein moralischer Mensch, seine haltlose Gier nach Macht ist sein dramatischer Untergang. 

Der Untertitel „Blut wird mit Blut“ bezahlt, zeigt schon sehr genau wo es hingeht. Es wird blutig, der Bodycount summiert sich recht schnell und unschuldig ist sowieso keiner. Wer Shakespeares Stück schon kennt, wird die Handlung und die Figuren sehr schnell wiedererkennen. Den sprichwörtlichen Weg des Schicksals  und der Rahmenhandlung, hat der norwegische Bestsellerautor fast identisch übernommen. 

Die Handlung spielt nicht in unserer Zeit – „Macbeth“ Bühnenshow spielt in den 1970er Jahren in einer Stadt – Capitol, der sehr an Frank Millers „Sin City“ erinnert. Eine immerwährende Dunkelheit, ein Großstadtdschungel dessen Atmosphäre alles   Licht und alles „Gute“ einfängt. Es geht auch nicht um ein Spiel um schottische Throne, die es zu erobern gilt. Der Thron ist hier das Amt des Chief Commisioners, oder später auch das des Bürgermeisters. Beide Ämter sind natürlich besetzt und beide Inhaber, denken gar nicht daran diese aufzugeben. Aber es gibt natürlich brachiale Eroberungsmöglichkeiten und genau darum geht es um. Die Gier nach Macht und Einfluss machen aus den moralischen und netten Menschen Macbeth, der hier Leiter einer polizeilichen Spezialeinheit ist, ein mordendes Monster, dessen moralischer Kompass absolut am Durchdrehen ist. Seine Frau – nennen wir sie ruhig „Lady Macbeth“ ist die Motivationsspritze, eine durchgeknallte drogenabhängige Casinobesitzerin. Derer Spiel wird ein Roulette des Todes sein. 
„Macbeth“ von Jo Nesbo ist eine Sammlung von Massakern, die nicht harmlos in Szene gesetzt wurden. Erschreckend dabei ist es, dass es bei den Charakteren kaum unschuldige gibt. Aus Polizisten die eigentlich Gesetz und Ordnung symbolisieren werden kaltblütige Mörder, die für ihren persönlichen Vorteil morden. Die unschuldigen Menschen, die im Wege stehen, die Liebe und Familie symbolisieren, sind die Bauernopfer, die einbezogenen, kalkulierten Opfer. 
Warum all diese Morde? Es ist die Liebe – die uns umbringt – entweder schnell oder langsam. In „Macbeth“ außerordentlich schnell. Die Täter empfinden eine perverse Liebe. Eine vertrauensvolle Zuneigung für ihre Vorgesetzten, ihre Familie und ihre ehemaligen Freunde. Verrat – ist ein zusätzlicher Motor. Shakespeare hat auch romantische Liebesgeschichten verfasst. „Macbeth“ ist eine „Liebesgeschichte“, allerdings ohne Romantik, dafür viel Tragik und Dramatik. Shakespeare hatte es halt drauf.  

„Macbeth“ von Jo Nesbo ist kein spannender Pageturner. Auch keine Liebesgeschichte wie „Romeo und Julia“, kein „Sommernachtstraum“, oder „Viel Lärm um nichts“, obwohl es an Ecken und Kanten innerhalb der Handlung knallt. 
Der Roman überzeugt durch eine Sinfonie des Todes – keiner ist unschuldig und am Ende interessiert nur noch, wer überlebt dieses Drama. 
Inhaltlich gibt es manche Längen, auf die man sich einstellen muss, aber auch spannende Actionszenen, die den Roman retten. Die Dialoge spiegeln das Gesamtbild wider: Liebe, Macht und was ist man bereit dafür zu tun, und welche Opfer sind nötig!?
„Macbeth“ ist ein abgeschlossenes Buch und somit kann man sich entspannt zurücklehnen bis der 12 Band von „Harry Hole“ kommt. Der Titel: Das Messer.

Fazit
„Macbeth“ von Jo Nesbo ist ein blutiges Stück Shakespeare. Ein kleines, brutales „Game of Thrones“ im Genre Thriller. Empfehlenswert – denn am Ende gilt nur die Frage: Wer überlebt es?!

Michael Sterzik 





Montag, 4. November 2013

Todesengel - Andreas Eschbach

Todesengel –Andreas Eschbach

Ein strahlend weißer Racheengel geht um in der Stadt, heißt es, der überall dort auftaucht, wo Unschuldige in Gefahr sind, und diejenigen, die ihnen Gewalt antun, brutal bestraft: Ist das wirklich nur die Schutzbehauptung eines alten Mannes, der Selbstjustiz geübt hat?
Ein Journalist deckt auf: Es gibt diese Gestalt tatsächlich – er kann es beweisen.
Und damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf …(Verlagsinfo)

Kritik

Das Thema „Selbstjustiz“ ist in dem Roman „Todesengel“ von Andreas Eschbach das tragende Thema.  Der Autor kombiniert aber sehr geschickt weitere aktuelle und brisante Fragen, die uns immer wieder begegnen.

„Auge um Auge – Zahn um Zahn“....ist dieses alte biblische Zitat aus der Tora Israels wirklich die ausschlaggebende Entschuldigung, für Blutrache, Fehde und Selbstjustiz? Wo hört oder fängt das Grundrecht des Einzelnen an oder wann eskaliert die Spirale der Gewalt in Form von Verlust und Angst mit potenziellen  Unschuldigen als Kollateralschaden?

Die Grenze ist entschieden zu dünn und doch ist das Opfer eher bereit sich zu rächen, als zu vergeben und zu vergessen, verdrängen. Welche elementare und primäre Rolle spielt der Staat mit seinen Gesetzen, seiner Polizei und seiner Staatsanwaltschaft? Ist er dieser Gewalt gewachsen und respektiert er die Rechte der Opfer und auch der Täter? In welcher Situation legalisiert sich vor dem Gesetz das Recht auf Notwehr wenn Leib und leben oder das von Angehörigen in Gefahr ist. Greift man dann zu legalen Methoden und Waffen und macht man sich strafbar, wenn der Täter sich auf einmal als Opfer sieht und selbst Anklage erhebt?

Mit all diesen Fragen und auch Antworten setzt sich der Autor in „Todesangel“ auseinander.

Die Protagonisten des Romans teilen sich auf in Opfer und Täter, und löblich und für die Story förderlich ist es, dass es der Autor damit schafft, sich auf einem schmalen Grat sicher zu bewegen. Hier wird die Selbstjustiz nicht verherrlicht, sondern durchaus kritisch gesehen. Doch ebenso kritisch setzt sich der Autor mit der Deutschen Gesetzgebung auseinander und spart nicht mit authentischen Beispielen die den Leser dazu ermutigen sich Gedanken über diese prekären Situationen zu machen.

Nicht nur die Tat hinterlässt offensichtliche und zumeist körperliche Schäden. An welchen schweren Traumata die Opfer innerlich zerbrechen und welche psychischen und kaum heilbaren Schäden sie davontragen, auch davon ist in dem vorliegenden Buch die Rede.

Die Unmächtigkeit der Justiz und das Versagen von Ethik und Moral gehören mit zu den stärksten Botschaften des Autors in seinem Roman „Todesengel“. Das dabei die Macht der medialen Unterhaltung, die noch mehr Öl ins Feuer gießt und es nicht schafft eine objektive Berichtserstattung zu gewährleisten, ist allzu offensichtlich.

Der Autor Andreas Eschbach ist ein wahrer Fingerpointer  und nutzt den Roman dazu sich in der Gesellschaft und vielleicht auch in den Medien Gehör zu verschaffen. Die Kernaussage vertritt der Autor allerdings sehr transparent: Selbstjustiz ist inakzeptabel – zu groß ist hier die Gefahr Unschuldige zu verletzen.

Fazit

Mit „Todesengel“ wirkt Andreas Eschbach derart überzeugend, dass man diesen Roman lesen muss. Aktualität und dazu schierer Realismus der Story wirken lange nach.

Spannend und unterhaltsam ist „Todesengel“ in jedem Fall, doch vielmehr überzeugt die Story durch die Passagen, in der das Gesetz gebrochen, überdehnt und individuell ausgelebt und interpretiert wird.

Die Verantwortung gegenüber dem Schutz der Bevölkerung trägt der Staat und manchmal versagt dieser grundlegend. Vielleicht, dient der Roman auch als Anstoß über Opferschutz nachzudenken und nicht über die Rechte von Straftätern zu debattieren.

„Todesengel“ ist einer der Thriller, die man schwerlich vergisst, zu bewegend und geradezu offensiv setzt man sich dann unweigerlich mit diesen Fragen auseinander. Damit gehört „Todesengel“ zu den stärksten und nachhaltigsten Thrillern in diesem Jahr. Großartig Herr Eschbasch.

Michael Sterzik