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Samstag, 24. Dezember 2022

Rachejagd - Gequält - Stevens & Suchanek


Ein Gewaltverbrechen – der Täter wird verhaftet, vielleicht flüchtet er auch noch, das Opfer überlebt, vielleicht körperlich unversehrt – doch die Psyche dieses Menschen lässt sich nicht einfach wieder auf den Ursprungszustand zurücksetzen. Also zurück auf „0“ – alles verdrängt, vergeben, vergessen – findet mal so gar nicht statt. Viele Menschen erholen sich nicht – trotz aller therapeutischen Behandlungen, mit der man versucht die verletzte Seele zu reparieren. Posttraumatische Störungen können sich immer wieder einstellen – ein Geräusch, ein Geruch, eine situative Ähnlichkeit und schon findet man sich wieder in einer schrecklichen Zeitschleife gefangen, die mitunter eine seelische Qual ist.

Depressionen, Schamgefühl, Hilflosigkeit und vielleicht trägt man sich auch damit sein Leben zu beenden, um endlich dem Schmerz und der Angst zu entfliehen. Ein Überleben kann schrecklicher für das Opfer sein, wie der physische Tod.

Das Autorenduo Stevens & Suchanek greifen diese Themen in ihrer neuen Trilogie auf. Im Heyne Verlag ist nun der erste Band „Rachejagd – Gequält“ veröffentlicht worden.

Vor drei Jahren wurde Journalistin Anna Jones zusammen mit ihrer Freundin Natalie entführt und von ihrem Peiniger Edward Harris auf vielfache Art gequält. Anna konnte fliehen, Natalie starb. Diese Schuld verfolgt Anna bis heute. Als sie einen blutbefleckten Brief erhält, wird schnell klar: Edward Harris ist zurück. Nick Coleman, Annas Jugendliebe und FBI-Agent, nimmt die Ermittlungen auf. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Zane Newton, der Profilerin Lynette McKenzie und Nick versucht Anna herauszufinden, was Harris vorhat. Ein perfides Spiel beginnt, bei dem nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Ein Spiel, das nicht nur für Anna tödlich enden könnte. Ein Spiel, das nur ein Ziel hat: Rache.(Verlagsinfo)

Der erste Band ist eine rasante Jagd nach dem Täter, nach einer Aufarbeitung, nach einem „Warum“, einer Rache und Vergeltung. Doch wofür das alles? Bringt es die Toten zurück? Kann es den Schmerz der Vergangenheit auflösen? „Rachejagd – Gequält“ ist viel Action, viele Irrungen, Wendungen, Überraschungen, denen man begegnet, allerdings ist es manchmal etwas zu übertrieben und Logik und eine vernünftige, nachvollziehbare Strategie sich dieser Bedrohung zu stellen gibt es nicht.

Spannend und unterhaltsam ist dieser Roman – aber weit davon entfernt, realistisch zu sein. Es ist ein wenig wie „Gute Zeiten – schlechten Zeiten“ , wobei die schlechten Zeiten dramatisch überwiegen.

Die Action steht hier als Platzhirsch auf der erzählerischen Bühne. Klassische Ermittlungsarbeit des FBI wird nicht thematisiert. Die Ermittlungsgruppe, eine hochintelligente Profilerin, ein IT-Nerd, ein FBI-Agent zwischen Liebe, Vernunft und Pflicht, und ein ehemaliges Just-in-Time-Opfer, die wirklich anstrengend ist. Dieses Quartett soll also den Fall lösen – ohne weitere Hilfe von Behörden etc.? Schöne Räuberpistole, die sich hier vorstellt. Die Charakterzeichnung der Figuren ist ein großer Kritikpunkt, denn sind nicht mehr als oberflächlich entworfen, mit dem einen oder anderem Klischee kombiniert. Einzig und allein die Profilerin zeigt ein gewisses Profil und scheint auch ein Profi zu sein – allerdings ist dilettantisch in die Story eingebaut.

Die Story wird aus mehreren Perspektiven erzählt, leider viel zu wenig aus Sicht des Täters, das hätte der Spannung und vor allem der Tiefe gutgetan. Es wäre ein Duell auf Augenhöhe – hier ist nur ein actionreicher Schlagabtausch – schnell – hart – und vor allem stark übertrieben und unrealistisch.

Es kommt halt auch immer darauf an, mit welcher Erwartungshaltung man ein Buch aufschlägt. Ein intelligenter Thriller ist „Rachejagd – Gequält“ niemals – Popcornunterhaltung auf Papier. Unterhaltsam, locker und leicht – aber mag einen auch zu packen.

Kommen wir zum letzten und allergrößten Kritikpunkt. Was hat eine „Liebesgeschichte“ in einem derartigen Actionthriller verloren? Die Figuren „Nick“ und „Anna“ , eine Jugendliebe, die sich jetzt auch Jahre später noch nicht erwachsen anfühlt. Unweigerlich denkt man dabei, dass die beiden beim Untergang der Titanic zu dämlich gewesen wären, dass es auch nur einer auf diese Tür im eisigen Meer geschafft hätte. Verliebt sein – ja oder nein – eine Komödie in mehreren Akten – Ausgang ungewiss. Wertung: Absolut überflüssig.  

Die Reihe könnte trotzdem gut werden – weil die Geschichte einer Rache und Vergeltung interessant konzipiert ist. Die Frage nach dem: Warum? Weshalb? Wieso?  - rettet den Roman und motiviert den Leser mindestens auch nach Band 2 zu greifen.

Fazit

Unterhaltsam und spannend und die dunkle Seite ist interessanter und vielseitiger, vor allem nicht so langweilig wie die „Guten“. Hier gibt es viel Luft nach „oben“. Der zweite Band muss hoffentlich logischer und ruhiger sein. Mehr psychologische Raffinessen bitte – als sein oder Nichtsein, oder mache ich das jetzt, oder auch nicht.

Michael Sterzik

Montag, 23. Mai 2022

Der Verdächtige - John Grisham


Der amerikanische Bestsellerautor und Jurist John Grisham wird auch mit seinem neuesten Werk: „Der Verdächtige“ zum Wiederholungstäter. Lacy Stoltz – bekannt aus dem Titel: „Die Bestechung“ hat hier ihren zweiten Auftritt.

Mit einer kriminellen Bestechung hat die vorliegende Story nicht zu tun, denn nun geht es um den Tatbestand „Mord“. Dass Justitia nicht gerecht ist – sondern auch kriminelle Energie entwickeln kann, ist bekannt. Als Symbol für Gerechtigkeit und Rechtspflege torkelt diese manchmal völlig blind durch die Gerichtssäle und Gesetze.

John Grisham hat in seinen Romanen schon viele Themen verwendet, von Selbstjustiz, über das Pro- und Contra von Todesstrafen usw. Nun steht ein Richter als Verdächtiger vor der Gerichtsaufsichtsbehörde. Ist dieser ein Racheengel, der sich Jahrzehnte später noch immer wegen Beleidigungen, Zurückweisungen und ähnlich mehrere Morde begeht. Als Insider im Rechtssystem verfügt er über Informationen und ein gut aufgestelltes Netzwerk, quasi ein Frühwarnsystem, mit der sich sicher fühlt. Gibt es also den perfekten Mord? Und wenn ja – was muss man tun, um jahrelang über Bundesgrenzen hinweg so eiskalt, gewissenhaft und systematisch zu morden?

„Der Verdächtige“ von John Grisham ist ein solider, spannender Justizthriller, der nicht über die Ermittlungen überzeugt, sondern über einen charismatischen, hochintelligenten Serienmörder.

Lacy Stoltz hat als Anwältin bei der Gerichtsaufsichtsbehörde in Florida schon viele Fälle von Korruption erlebt. Seit sie einer Richterin, die Millionen abkassiert hat, das Handwerk legte, ist sie sogar zu gewisser Berühmtheit gelangt. Doch nun wird sie mit einem Fall konfrontiert, der jenseits des Vorstellbaren liegt: Denn der Richter, gegen den sie ermittelt, nimmt anscheinend keine Bestechungsgelder von Leuten. Er nimmt ihnen das Leben. (Verlagsinfo)

Rache ist der Motivator für den „Verdächtigen“ – alte Rechnungen begleichen, bei denen er erniedrigt, beleidigt, betrogen und nicht wertgeschätzt wurde. Diese persönliche unausgewogene Gerechtigkeit kann er nicht vergessen und nutzt neben seinem mörderischen Talent, auch seine rechtlichen Mittel.

Lacy Stoltz tut sich anfangs sehr schwer, der Tochter eines Opfers zu glauben, doch die Indizien und immer wieder die gleiche Tötungsmethode überzeugen sie, zu ermitteln. Jedes Opfer hatte den Richter gekannt – als Jugendlicher, als junger Anwalt, als Privatmann usw. – ein grausamer Zufall, oder Methode?

Wie schon gesagt, die Ermittlungen sind nicht der Fokus der Handlung. „Der Verdächtige“ nimmt so viel erzählerischen Raum ein, dass er auch mit einer morbiden Atmosphäre ausbaut. Ob der Autor das allerdings genauso so wollte, dass seine Hauptfigur der Lacy Stoltz in die zweite Reihe gestellt wird, sei dahingestellt.

Der Roman ist nicht der stärkste Titel des Autors, aber auch weit davon entfernt, schwach zu wirken. Spannend allemal – wenn auch unlogisch. Dass die Bundesbehörden nicht 1 und 1 zusammenzählen können, hier kein Muster erkennen und nicht konzentriert ermitteln, erschließt sich mir nicht. Die gleiche Methode, das gleiche Mordwerkzeug und niemand fällt es auf, dass es sich hier um einen Serienmörder handeln könnte? Kein polizeiliches System, keinen Kriminalbeamten fällt dies auf – nicht mal dem FBI? Das ist unglaubwürdig und wenn dieser Fall nicht unbedingt fiktiv war, dann war das eine gravierende, historische Ermittlungspanne.

Leider geht John Grisham in keinem Nachwort darauf ein, dass er sich ggf. an realen Fällen orientiert hat. Viele seiner Romane haben ebendiesen Bezug zur Realität.

Fazit

„Der Verdächtige“ ist eine Einladung, die Story zu verfilmen. Eine Miniserie, die überzeugen würde. Ein diabolischer Richter – der letztlich doch seinen eigenen Weg geht.

Michael Sterzik

 

Mittwoch, 29. Juli 2020

The Fourth Monkey- Das Haus der bösen Kinder - J.D. Barker


Der vorliegende Thriller: „Das Haus der bösen Kinder – The Fourth Monkey“ von J.D. Barker ist der letzte Band einer dreiteiligen Reihe. Vorab sei schnell zu sagen – es macht keinen Sinn bei Teil 2, oder Teil 3 einzusteigen. Die Charaktere und Beziehungsebenen sind dermaßen kooperativ kombiniert, dass es fast schon Labyrinthisch wirkt. Ein komplexes Zusammenspiel von Gut und Böse ist noch untertrieben – und wer agiert und reagiert auch das ist dämmerig. Rache – Schuld - Sühne sind so arg verschweißt, dass man diese drei Elemente gar nicht auseinander dividieren kann. Keine Möglichkeit.

J.D.Barker lässt seinen „Fourth Monkey Killer“ nicht willkürlich morden. Bei diesem Killer schalten sich nicht alle Sicherungen aus. Eine organisierte Planung – eine fast biblisch orientierte Rache – lassen ihn zu einem Todesengel werden. Ein Marionettenspieler, der sein mörderisches Handwerk versteht. Seine hinterlassenen Botschaften auf den platzierten Toten sind grausam in Szene gesetzt – doch auch hier steckt ein tieferer Sinn hinter. Es ist keine Eleganz des Mordens – kein künstlerischer Akt – glauben Sie das wirklich? Sie werden sich täuschen.

Auch im letzten Band dieser großartigen Reihe lässt der Autor die Story aus ganz verschiedenen Perspektiven erzählen und selbst der „Fourth Monkey“ kommt dazu sich in alten Tagebucheinträgen zu offenbaren. Ja genau – zu Offenbaren – denn diese sind der Schlüssel zu seiner traurigen-dramatischen Vergangenheit.

Selten habe ich einen Thriller gelesen, in der, der Autor es schafft größtmögliche Verwirrung zu stiften. Man findet sich in keinem Spannungstau wieder, oder in einer Geschwindigkeitsbegrenzung – aber man wird das Gefühl nicht los – dass man sich ständig verfährt und dabei noch ständig geblitzt wird – möglichst mit einem Gesichtsausdruck zwischen einem Aha oder einen Oh….oder einen Jetzt-habe-ich-es-verstanden… und Das-kann-doch-nicht-sein – oder-doch!?

Diese Trilogie ist mit einer der originellsten, die ich jemals gelesen habe. Überraschend – sehr intelligent erzählt – methodisch interessant. Und zu guter Letzt bleibt es dem Leser selbst überlassen ein Urteil zu fällen. Perspektivische Selbstjustiz ist halt eine Klasse für sich und hat seine eigenen Gesetze.

Eine Obdachlose findet auf dem Friedhof von Chicago die Leiche einer Frau, deren Augen, Zunge und Ohren entfernt und in kleine weiße Schachteln verpackt wurden. Neben der Toten liegt ein Schild mit der Aufschrift »Vater, vergib mir«. Kurz darauf tauchen weitere, ähnlich zugerichtete Opfer auf. Für die Polizei von Chicago und das FBI ist klar, dass die Morde die Handschrift des immer noch flüchtigen Four Monkey Killers Anson Bishop tragen. Doch Detective Sam Porter glaubt nicht daran – die Tatorte liegen zu weit entfernt voneinander, als dass nur ein Täter infrage kommen könnte. Zudem stimmt auch etwas mit der Haut der Leichen nicht. Als sich Bishop aus heiterem Himmel stellt und beteuert, keines der Verbrechen begangen zu haben, die ihm zur Last gelegt werden, fällt der Verdacht auf Sam Porter selbst – denn er hat kein Alibi, dafür aber ein verheerendes Geheimnis …(Verlagsinfo)

Die eine Eigenschaft dieser Trilogie ist die sagenhafte Spannung – die andere ist der plötzliche Überraschungsmoment.

Gelungen ist auch die konzeptionelle Figurenzeichnung, obwohl diese außer bei Anson Bishop und Familie faktisch untergeordnet ist. Der Schwachpunkt der gesamten Reihe ist allerdings, dass man viel zu wenig von den Protagonisten erfährt. Deren Vergangenheit bleibt schlichtweg ungeklärt. Das wertet die Reihe nicht unbedingt herab, aber ist es dennoch mehr wie kraftlos konzipiert.

Die Dramatik und Tragik ist ebenfalls stark vorhanden. Wie schon in den beiden Bändern vorher auch, entwickelt man für den Killer ein gewisses Verständnis – Sympathie – ist halt verflixt mit der verdammten Selbstjustiz.

Der Fokus liegt halt bei den Faktoren: Spannung und Überraschung. Es wird wahrscheinlich auch keinen vierten Teil dieser Reihe geben, obwohl noch genüg Potenzial in der Familie „Bishop“ steckt. Auch diese hätte Material für eine ganz eigene Reihe.

Fazit

„Das Haus der bösen Kinder – The Fourth Monkey verfügt über eine qualitative Spannung, die man selten in dem Genre Thriller findet. Eine Klasse für sich. Ein mörderisches Monopoly mit vielen, bösen Ereigniskarten. Die Schlossallee ist das Haus der bösen Kinder – und der Preis übersteigt den Einsatz. Pageturner: Eine Reihe – die man unbedingt lesen muss – am besten nacheinander.

Michael Sterzik

Sonntag, 3. Februar 2019

Tannenstein - Linus Geschke


Linus Geschke ist seit den drei Kriminalromanen um den investigativen Journalisten Jan Römer und seiner Kollegin „Mütze“ inzwischen bekannt geworden. Seine Bücher sind feine, sehr durchdachte und komplexe Kriminalgeschichten. Authentische Atmosphäre umgeben die feinfühlige Handlung, die Protagonisten sind ebenfalls realistisch aufgestellt – die Storyline besitzt einen souveränen Spannungsbogen.

Wir gehen als Leser immer davon aus, dass sich die Figuren einer Romanreihe weiterentwickeln, dass muss es auch – alles andere wäre absurd und würde jegliche nachhaltige Atmosphäre in Folgebänden faktisch einäschern. 

Doch wie ergeht es dem Autor? Bleibt er intellektuell in einem Standby-Modus, ein Talent, dass er besitzt, aber es nicht ausschöpft? Sind die späteren Romane inhaltlich thematisch exakt im gleichen Stil erzählt und wie mit einer Schablone gezeichnet? Natürlich kommt dies in der Belletristik in vielen Genres vor – im vorliegenden Roman „Tannenstein“ von Linus Geschke, geht der erfolgreiche Autor nun neue Wege.

„Tannenstein“ ist der erste Band einer neuen Thriller-Reihe, es gibt neue Figuren, neue Handlungen, eine völlig neue Atmosphäre – alles komponiert von Linus Geschke, und um es vorab schon zu sagen, bevor ich enger darauf eingehe – ein brillanter Entwicklungsschritt.

Inhaltsangabe

Wenn der Wanderer kommt, sterben Menschen. Elf in Tannenstein, einem abgelegenen Ort nahe der tschechischen Grenze. Ein Tankwart im Harz, eine Immobilienmaklerin aus dem Allgäu. Der Killer kommt aus dem Nichts, tötet ohne Vorwarnung und verschwindet spurlos.

Der Einzige, der sich ihm in den Weg stellt, ist Alexander Born: ein Ex-Polizist mit besten Kontakten zur Russenmafia. Einst hatte der Wanderer seine Geliebte getötet, jetzt will Born Rache – und wird Teil einer Hetzjagd, die dort endet, wo alles begann: Tannenstein. (Auszug- Verlagsinfo)

Der Prolog von „Tannenstein“ ist schon ein kleines Feuerwerk. Eine derartige starke Atmosphäre die sich hier explosionsartig mit intensiven Wellen durch die gesamte Story bewegt, ist mehr wie eindrucksvoll erzählt. Die Spannung und das ist kristallklar zeichnet sich auch durch eine realistisch erzählte Brutalität aus, nichts für zarte Nerven und Gemüter. Der düstere Ort Tannenstein ist zwar fiktiv, doch insgesamt ist die Handlung realistisch.
Die Figur des „Wanderers“ ist absolut hochklassig, ein Rächer, Killer, Mörder – ein Berufspsychopath!? Er ist vieles – von allem etwas und doch bleibt er mysteriös. Er ist eine Nebenfigur – aber mal ehrlich – er stiehlt allen Protagonisten sämtliche Auftritte und Gagen und seine Präsenz stellt die Hauptfiguren in die zweite Reihe.

Sein Gegenspieler Alexander Born – ehemaliger Kriminalbeamter, der auf dem schmalen Grat einen Schritt zu viel in Richtung Abgrund gegangen ist. Er hat für seine Taten gebüßt, er war in Haft und nun jenseits der Mauern des Gefängnisses giert er nach Rache – der Wanderer hat seine Freundin getötet….

Unterstützt wird er bei seinem Rachefeldzug von einer jungen Kriminalbeamtin. Natürlich entwickelt sich eine Liebesgeschichte usw. Manche traditionellen Elemente muss man einfach spielen. Auch die formale Selbstjustiz ist ein Teil davon.

„Tannenstein“ ist hochspannend – intensive Atmosphäre – Authentische Handlung – gute Charaktere. Alexander Borns Charakterzeichnung ist in einem effektvollen Schwebezustand zwischen Himmel und Hölle angesiedelt und ja, auch die klassischen Klischees werden hier bedient. Alexander Born hat keine weiße Weste, seine kriminelle Vergangenheit, seine Kontakte zur Russenmafia und sein zerstörerischer Glaube an Rache bilden den Dreh- und Angelpunkt. Als Anti-Held gesetzt – erfüllt er seine Stellenbeschreibung recht gut…Probezeit bestanden. Negativ gezeichnet und versehen mit den typischen Merkmalen, kann man den Charakter symphytisch finden, oder auch nicht. Für mich – allzu hervorsehbar – allzu einer Schablone entsprungen und mit und der einzige Schwachpunkt bei diesem Titel.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ein Faible für Nebencharaktere habe. Linus Geschke erzeugt und das ist fantastisch – kein offensives Schwarz/Weiß-Bild – kein in Schubladen gestecktes Klassensystem in „Gut“ und „Böse“ unterteilt. Und kommen wir nun zur der Personalie des „Wanderers“ – absolut TOP –  die Aura eines geheimnisvollen Todesengels – der seinen Job professionell gelernt haben muss. Zack – Trommelwirbel – Der Wanderer kommt und die Spannung erzeugt eine Eruption, die faktisch alles überrollt.

Und es zeigt sich auch, dass „Gut“ und „Böse“ immer wieder aus einer individueller Perspektive aufgehen. Linus Geschke erzählerischer Stil ist weitaus konsequenter und kompromissloser als wie man ihn über die Jan-Römer-Reihe kennengelernt hat.

Mit „Tannenstein“ beweist er, dass sein Talent noch lange nicht ausgeschöpft ist. Beide Reihen kann mich nicht miteinander vergleichen. Linus Geschke hat sich weiterentwickelt – Stil, Ausdruck, Sprache haben einen großen Schritt nach vorne gemacht. Auch in der Beschreibung der Emotionen wirkt der Autor reifer, gesetzter und überhaupt ist „Tannenstein“ strukturierter als alles was ich bisher gelesen habe.

Ich bin gespannt, wie Band 2 sein wird – persönlich empfehle ich, mich von Alexander Born zu trennen und ebenfalls von der helfenden Figur der jungen Kriminalbeamtin. Beide Charaktere sind austauschbar – der „Wanderer“ – eine derartige Figur polarisiert – aber überzeugt um einiges mehr.

„Fazit“

„Tannenstein“ ist ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss, der bei dem Leser mit einer starken Atmosphäre einschlägt. Nachhaltige Spannung –  Action und Authentisch.
Brillante Umsetzung. Prädikat: Pageturner.

Michael Sterzik

Montag, 1. Oktober 2018

Macbeth - Jo Nesbo

Der englische Dramatiker Shakespeare verstand es das Publikum im 15./16. Jahrhundert mit Tragödien zu unterhalten. Und jetzt knappe 500 Jahre später, werden seine Werke noch immer von jeder Generation interpretiert und gerne als Film, Buch, Oper oder Musical adaptiert. Auch der norwegische Autor Job Nesbo hat für ein Projekt – „The Hogarth Press“, dass von Virginia und Leonard Wolf gegründet wurde, um in alter Tradition Shakespeare Werke zeitgenössisch zu interpretieren, dass Werk „Macbeth“ neu erzählt. 

Es ist ein ambitionierter Titel, der wahrscheinlich entweder begeistert, oder über den man sich ärgern mag. Der Autor wird auf ewig mit seiner Figur „Harry Hole“ verbunden sein. Diese literarische Bindung aufzubrechen und sich von einem integren, moralischen Ermittler zu lösen, um dann einen Charakter wie Macbeth zu begegnen ist schwer. In seinem Thriller „Macbeth“ hält sich der Autor grundlegend gut an die Charakterisierung der Figur Shakespeare. Macbeth ist ein Mörder, kein moralischer Mensch, seine haltlose Gier nach Macht ist sein dramatischer Untergang. 

Der Untertitel „Blut wird mit Blut“ bezahlt, zeigt schon sehr genau wo es hingeht. Es wird blutig, der Bodycount summiert sich recht schnell und unschuldig ist sowieso keiner. Wer Shakespeares Stück schon kennt, wird die Handlung und die Figuren sehr schnell wiedererkennen. Den sprichwörtlichen Weg des Schicksals  und der Rahmenhandlung, hat der norwegische Bestsellerautor fast identisch übernommen. 

Die Handlung spielt nicht in unserer Zeit – „Macbeth“ Bühnenshow spielt in den 1970er Jahren in einer Stadt – Capitol, der sehr an Frank Millers „Sin City“ erinnert. Eine immerwährende Dunkelheit, ein Großstadtdschungel dessen Atmosphäre alles   Licht und alles „Gute“ einfängt. Es geht auch nicht um ein Spiel um schottische Throne, die es zu erobern gilt. Der Thron ist hier das Amt des Chief Commisioners, oder später auch das des Bürgermeisters. Beide Ämter sind natürlich besetzt und beide Inhaber, denken gar nicht daran diese aufzugeben. Aber es gibt natürlich brachiale Eroberungsmöglichkeiten und genau darum geht es um. Die Gier nach Macht und Einfluss machen aus den moralischen und netten Menschen Macbeth, der hier Leiter einer polizeilichen Spezialeinheit ist, ein mordendes Monster, dessen moralischer Kompass absolut am Durchdrehen ist. Seine Frau – nennen wir sie ruhig „Lady Macbeth“ ist die Motivationsspritze, eine durchgeknallte drogenabhängige Casinobesitzerin. Derer Spiel wird ein Roulette des Todes sein. 
„Macbeth“ von Jo Nesbo ist eine Sammlung von Massakern, die nicht harmlos in Szene gesetzt wurden. Erschreckend dabei ist es, dass es bei den Charakteren kaum unschuldige gibt. Aus Polizisten die eigentlich Gesetz und Ordnung symbolisieren werden kaltblütige Mörder, die für ihren persönlichen Vorteil morden. Die unschuldigen Menschen, die im Wege stehen, die Liebe und Familie symbolisieren, sind die Bauernopfer, die einbezogenen, kalkulierten Opfer. 
Warum all diese Morde? Es ist die Liebe – die uns umbringt – entweder schnell oder langsam. In „Macbeth“ außerordentlich schnell. Die Täter empfinden eine perverse Liebe. Eine vertrauensvolle Zuneigung für ihre Vorgesetzten, ihre Familie und ihre ehemaligen Freunde. Verrat – ist ein zusätzlicher Motor. Shakespeare hat auch romantische Liebesgeschichten verfasst. „Macbeth“ ist eine „Liebesgeschichte“, allerdings ohne Romantik, dafür viel Tragik und Dramatik. Shakespeare hatte es halt drauf.  

„Macbeth“ von Jo Nesbo ist kein spannender Pageturner. Auch keine Liebesgeschichte wie „Romeo und Julia“, kein „Sommernachtstraum“, oder „Viel Lärm um nichts“, obwohl es an Ecken und Kanten innerhalb der Handlung knallt. 
Der Roman überzeugt durch eine Sinfonie des Todes – keiner ist unschuldig und am Ende interessiert nur noch, wer überlebt dieses Drama. 
Inhaltlich gibt es manche Längen, auf die man sich einstellen muss, aber auch spannende Actionszenen, die den Roman retten. Die Dialoge spiegeln das Gesamtbild wider: Liebe, Macht und was ist man bereit dafür zu tun, und welche Opfer sind nötig!?
„Macbeth“ ist ein abgeschlossenes Buch und somit kann man sich entspannt zurücklehnen bis der 12 Band von „Harry Hole“ kommt. Der Titel: Das Messer.

Fazit
„Macbeth“ von Jo Nesbo ist ein blutiges Stück Shakespeare. Ein kleines, brutales „Game of Thrones“ im Genre Thriller. Empfehlenswert – denn am Ende gilt nur die Frage: Wer überlebt es?!

Michael Sterzik 





Dienstag, 18. September 2018

Oxen - Gefrorene Flammen - von Jens Henrik Jensen

Der skandinavische Autor Jens Henrik Jensen schließt mit dem vorliegenden Band um den Ex-Elitesoldaten Niels Oxen seine Trilogie um die dänische Geheimorganisation Danehof ab. 

Diese Thriller-Reihe überzeugt durch eine sehr intelligent aufgebaute Storyline und herausragenden Charakteren, die konzipiert wurden. Das alte Lied der Verschwörungen wurde neu orchestriert und entstanden ist eine spannende Sinfonie. 

„Gefrorene Flammen“ ist der abschließende Band und der eigentliche Hauptdarsteller Niels Oxen ist nur eine wichtige Nebenfigur in diesem Roman des dänischen Autors. Wir erinnern uns an das Ende des zweiten Teils – Das Imperium schlägt zurück – der Danehof hat sich gerächt und das Leben seiner Kontrahenten systematisch zerstört. Entlassen aus ihren Jobs, oder gezwungen abzudanken sieht die Zukunft eher düster für diese aus. Niels Oxen hat den Mordanschlag allerdings überlebt und wird zum Anlasser einer ausgeklügelten Rache. 

Leitend und federführend ist der Charakter des inzwischen kaltgestellten Geheimdienstchef Axel Mossman. Langsam aber stetig sammelt er Informationen, nutzt sein berufliches Netzwerk, analysiert und positioniert seine ehemaligen Kollegen und nun Opfer dieser elitären Geheimgesellschaft, die sich bereitmachen den „Danehof“ zu zerschlagen. 

„Gefrorene Flammen“ liest sich spannend, ist aber bei weitem nicht so actionlastig wie die beiden Vorgänger. Das Niels Oxen ist den Hintergrund verdrängt worden ist, mindert nicht die Spannung. Interessant ist es, wie die Machtstrukturen der Geheimgesellschaft verflochten sind mit der Justiz, der Wirtschaft und nicht zuletzt der Politik. Verschwörungen hin oder her – es wird der Zeitpunkt kommen, bei der sich der Leser fragen wird: Wie realistisch ist es, dass eine elitäre, im Schatten agierende Gesellschaft der Staat innerhalb eines souveränen Staates ist?! 
Kann die Politik, die Wirtschaft – die legislative, die Judikative und die exekutive Gewalt manipuliert und missbraucht werden, um den Staat in eine gewünschte Richtung zu lenken? Und wenn ja: Warum und wieso? Geht es um demokratische Werte, oder um die simple Motivation sich wirtschaftlich zu bereichern? Es gibt Länder in Europa – z.B. Italien mit einer Loge, die Elemente der Kriminalität schon längst erfolgreich implementiert haben. Die Mafia ist ruhiger geworden, eine neue Generation wächst heran und die Motivation der „Chefs“ verlagert sich allzu deutlich in Richtung der Wirtschaft und der einflussreichen Politik.  

Analysiert und bewertet man die Konzipierung der Charaktere, so überlässt der Autor ebenfalls nichts den Zufall. Es gibt allerdings auch keine neuen Erkenntnisse, oder Überraschungen. Fokussiert erzählt der Autor die Story zu Ende. Stil, Ausdruck und Sprache sind aufeinander abgestimmt. 

Der Autor Jens Henrik Jensen gibt dazu Antworten, ob diese nun befriedigend sind, oder nicht, überlässt der den Leser selbst. Der Abschluss dieser Reihe ist aber sehr gut inszeniert und lässt kaum offene Fragen zurück. 

Wie geht es denn nun weiter, oder geht es überhaupt weiter?! Ja es geht weiter – es geht auch weiter mit Niels Oxen – allerdings nicht mit dem Danehof. 
  
Fazit

„Oxen – Gefrorene Flammen“ von Jens Henrik Jensen ist ein perfekter, sehr intelligenter Thriller. Elementarische Einflüsse aus der Politik, der Wirtschaft, des Geheimdienstes und die gute alte Rache harmonieren hier perfekt. In Summe ein krönender Abschluss. 

Michael Sterzik 


Sonntag, 12. Juli 2015

That Night - Schuldig für immer - Chevy Stevens


Wenn Du Sie nicht getötet hast, wer dann?
Sie haben dich verurteilt. Wegen Mordes an deiner Schwester. Du weißt nicht, was in jener Nacht geschehen ist. Aber du weißt, dass der wahre Mörder irgendwo dort draußen sein muss. Und jetzt kommst du frei.
Als die rebellische Toni achtzehn Jahre alt ist, wird ihre jüngere Schwester Nicole am See ermordet. Man verurteilt Toni und ihren Freund Ryan dafür. Jahre später wird Toni auf Bewährung entlassen. Sie will nur eines: ein neues Leben beginnen. Doch was damals geschehen ist, ist noch lange nicht vorbei …(Verlagsinfo)

Kritik

Der vierte Roman von Chevy Stevens ist mehr als ein Spannungsroman. Die Story beinhaltet ein dramatisches Ensemble voll innerfamiliären Spannungen und den daraus entstehenden Eskalation. Das die junge Toni überfordert durch die ständigen Auseinandersetzungen ist, verschlimmert ihre psychische Situation nur noch. Ebenso multiplizieren sich diese Schwierigkeiten im Freundeskreis und der Schule. Chevy Stevens beschreibt die soziale Härte, Mobbing unter den sich heranwachsenden Schülern. Die Stärke des Romans sind genau diese Momente, die jeder Leser durchaus nachvollziehen kann. Manchmal kann es ein Psychogramm des sozialen Terrors in der Pubertät sein. Das dabei Toni nicht immer ganz unschuldig ist, liegt auf der Hand. Unerfahren und manchmal durch Freunde und Familie im Stich gelassen verschlingt sie eine Spirale der Gewalt und schleudert sie wenig später in die Arme der Justiz. Perfekter einleitender Handlungsablauf.

„That Night“ Schuldig für immer – wird in mehreren Zeitzonen erzählt, aber immer aus der Perspektive Toni. In der Pubertät, im Gefängnisalltag und in dem Versuch nach der Haftstrafe wieder Fuß zu fassen. Die Stärke des Romans ist der pure Realismus und der pragmatische Ansatz der Hauptfigur, wieder ein Leben aufzubauen. Das der Fluch der Vergangenheit immer wieder an die Oberfläche tritt gehört zum Plan des Buches. Dieser Spannungsbogen bleibt konstant erhalten, und auch wenn manchmal zu offensichtlich ist, wer der Mörder sein könnte, ist der Weg zum Ziel, der Mittelpunkt  der ganzen Handlung.

Fazit

„That Night – Schuldig für immer“ ist hochkarätig und garantiert einen spannendes Leseerlebnis.


Michael Sterzik

Sonntag, 21. Dezember 2014

Das Licht der Welt - Daniel Wolf

Das Licht der Welt (Daniel Wolf)

Inhalt

In seiner Heimat tobt ein brutaler Krieg. Er kämpft für Frieden und Wohlstand. Doch er hat einen mächtigen Feind, der alles daransetzt, ihn zu vernichten.

Varennes-Saint-Jacques im Jahre des Herrn 1218: Eine Stadt, drei Menschen, drei Schicksale. Der Buchmaler Rémy Fleury träumt von einer Schule, in der jedermann lesen und schreiben lernen kann. Sein Vater Michel, Bürgermeister von Varennes, will seine Heimat zu Frieden und Wohlstand führen, während in Lothringen Krieg herrscht. Die junge Patrizierin Philippine ist in ihrer Vergangenheit gefangen und trifft eine folgenschwere Entscheidung. Sie alle eint der Wunsch nach einer besseren Zukunft, doch ihre Feinde lassen nichts unversucht, sie aufzuhalten. Besonders der ehrgeizige Ratsherr Anseau Lefèvre hat geschworen, die Familie Fleury zu vernichten. Niemand ahnt, dass Lefèvre selbst ein grausiges Geheimnis hegt ...(Verlagsinfo)

Kritik

Wer den ersten Teil „Das Salz der Erde“ gelesen hat, wird in dem vorliegenden zweiten Teil um den Kaufmann und Bürgermeister der Stadt Varennes, Michael Fleury eine imposante und sehr gelungene Fortsetzung finden. Der Autor lässt in seinen Roman „Das Licht der Welt“ seine Kaufmannsfamilien wieder vieles erleben und erleiden. 

Das dass Mittelalter eine dunkle, gar schwarze Epoche war, in der die Menschen unter dem Einfluss von Herrschern und Kirche lebend eine schwere Zeit hatte, bestätigt und widerlegt der Autor in seinem historischen Roman. Daniel Wolf tritt die Tür auf zu einem dramatischen Ensemble mit vielen historischen wie auch fiktiven Charakteren. Doch die eigentliche Hauptrolle spielen nicht die Protagonisten, sondern die von Adel, Kirche und kaufmännische Konkurrenz gebeutelte mittelgroße Stadt Varennes. Geschützt und geleitet durch einen starken Rat der Stadt, der geschickt Wohlstand und Frieden gewährleistet, lassen die inneren und äußeren Konflikte nicht lange auf sich warten. Es gibt andere Städte, die im Moseltal einen starken Einfluss und nicht wenig Macht ausüben. Voller Angst und Neid beobachten Sie die Entwicklung von Varennes, die zudem noch vom König das Markt- und Messrecht erhalten haben.

Die Privilegien der Stadt und das beeindruckende Geschick des Rates ist aber auch der Kirche ein Dorn im Auge. Religion ist Macht – und als der Sohn von Michel Fleury in Varennes eine öffentliche Schule eröffnen will, reagiert die Kirche wenig tolerant und fortschrittlich. Sie fürchtet zu Recht, dass einfache Menschen aus dem Kreise der einfachen Handwerker ihre religiöse Weltanschauung verlieren und der Einfluss der Kirche immer weniger Raum einnimmt.

Der Autor Daniel Wolf katapultiert den Leser in ein Mittelalter voll Licht und Schatten. Das Licht steht hier für den Fortschritt, für die Unabhängigkeit der Städte, die nicht mehr gewillt sind, sich von Adel und Kirchenfürsten den Alltag aufzwingen zu lassen. Wissen ist Macht und langsam beginnen auch die Kaufmänner globaler zu denken, die ersten Handelsbeziehungen und Städtebünde entstehen, und deren Einfluss und Macht ist nicht zu unterschätzen. Doch für den Fortschritt müssen Opfer gebracht werden und auch Varennes sieht dunklen Zeiten entgegen.

Der Schatten steht stellvertretend für Tradition und das Recht mit Glaube und Schwert seine weltlichen und geistlichen Werte zu vermitteln. Daniel Wolf beschreibt lehrreich, anschaulich und absolut spannend diesen Wechsel zu erzählen.

Sicherlich gibt es auch unter den Hauptpersonen viele kleinere und größere Szenarien, die sich mit Liebe und Leid, Rache und Ehre beschäftigen, doch den eigentlichen roten Faden verliert der Autor niemals aus dem Blick. So geschickt einfach und stilsicher entwickelt er von Seite zu Seite eine spannende Atmosphäre, die auf der ganzen Linie überzeugt.

Selbst die Entwicklung des absoluten, und manchmal recht eindimensionalen Bösewichts Lefere läuft nicht ins Leere. Trotzdem ist dieser Charakter der Schwachpunkt der Handlung. Manchmal überspitzt der Autor die Handlungen dieses Kaufmanns. Es wäre für den Rat der Stadt einfach gewesen, diesen für immer zum Schweigen zu bringen. Egal, auf welchen Weg man sich des personalen Problems hätte entledigen können. Aber gut, stellen wir die Unterhaltung im Vordergrund und lassen die Realität mal kurz außen vor.

Der Großteil des 1151-seitigen Epos ist brillant be- und geschrieben. Nur am Ende des Romans wird es manchmal allzu fantastisch, doch unterhaltsam und spannend ist es trotz der leichten Schwächen immer noch.

Fazit

„Das Licht der Welt“ ist ein heller Punkt in dem fast schon unüberschaubaren Genre des „Historischen Romans“.  Prima recherchiert, lehrreich, spannend und mit viel Liebe fürs Detail wird hier von Fortschritt gesprochen, von festgefahrenen Dogmen abgeschworen und der Spaß an Geschichte nicht mal seitenweise verloren.

Am Ende im Nachwort geht Daniel Wolf großartig auf Fakten und Fiktion ein. Ein Glossar mit den üblichen Begriffen aus dem Mittelalter, runden das Bild in Perfektion ab.

„Das Licht der Welt“ ist ein farbenprächtiger, facettenreicher historischer Roman der absolut überzeugt. Ein literarisches Fest mit den Zutaten Spannung, Dramatik und Realismus. Perfekte Unterhaltung.

Michael Sterzik