Samstag, 17. April 2021

Tief in der Erde - Christa von Bernuth


Der vorliegende Titel: „Tief in der Erde“,  erschienen im Goldmann Verlag, basiert auf einer tatsächlichen Entführung mit anschließendem Tod der zehnjährigen Ursula Herrmann. Das kleine Mädchen konnte nur tot geborgen werden, vergraben in einer Holzkiste, erstickt tief in der Erde – in einem Waldstück zwischen Schondorf und Eching am Ammersee. In einem Indizienprozess wurde fast 30 Jahre später ein Mann aus der Nachbarschaft zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt

1981, ein Dorf in Oberbayern. Die zehnjährige Annika Schön ist mit dem Fahrrad auf dem Heimweg von einer Freundin, doch sie kommt nie zu Hause an. Tage des qualvollen Wartens verstreichen, bis die Polizei einen erschütternden Fund macht – eine Kiste, vergraben im Wald, darin die Leiche des Mädchens, das dort erstickt ist. Eine mögliche Spur in das nahe gelegene Internat wird nur halbherzig verfolgt. Jahre später verurteilt man einen Verdächtigen, doch es bestehen Zweifel an seiner Täterschaft. Basierend auf dieser wahren Geschichte und ihren eigenen Recherchen hat Christa von Bernuth, selbst ehemalige Internatsschülerin, einen Roman geschrieben, der den alten Fall neu aufrollt – auf der Suche nach der Wahrheit, was damals wirklich geschah. (Verlagsinfo)

Die Autorin Christa von Bernuth hat diesen True Crime Thriller, den o.g. Kriminalfall eine Seele gegeben. Die hoch qualitative Spannung wirkt überzeugend, doch es gibt noch mehr was diesen Roman neben einer natürlichen, authentischen Atmosphäre auszeichnet. Man fühlt und spürt die Emotionen der Eltern, die Verzweiflung, die Ängste und auch die Hoffnung, dass die Tochter lebt. Christa von Bernuth schreibt mit einen brillanten, emotionalen Hammer – mit Schwung und einer fulminanten Durchschlagskraft überträgt sie genau diese Emotionen auf die Leser.

Es ist vom Vorteil, wenn man sich ggf. vor dem Leser, mit dem historischen Kriminalfall beschäftigt. Es gibt genug Quellen im Internet, die Dokumente, Berichte und auch Fotos liefern. Es geht nicht nur tief unter die Erde, es geht auch tief unter die Haut.

Auch dort wird man lesen, dass der Verurteilte, auch ein Justizopfer sein könnte. Indizien – sind keine Beweise und folgt man den historischen Fakten stellt sich heraus, dass Pleiten, Pech und Pannen dafür verantwortlich sind – neben dem persönlichen Versagen einzelner Ermittlungsbeamten  - dass man diesen grausamen Kriminalfall nicht eher aufgeklärt hat. Zeugen sind verstorben – Dokumente nicht mehr auffindbar – Erinnerungen ausgelöscht, oder Menschen, die nichts mehr erzählen wollen.

Auch das wird von Christ von Bernuth im Roman verwendet. „Tief in der Erde“ hebt sich ein wenig von den gängigen True Crime Thrillern ab, nicht durch die Spannung sondern über eine sehr gefühlsbetonte erzählerische Qualität. Ihr Stil in diesem Roman ist ganz, ganz stark ausgeprägt.

Doch nicht nur die Eltern, und einer der Brüder finden sich auf der Bühne der Handlung wieder, auch die Beamten lassen sich etwas in die Seele blicken. Im Nachhinein wird sich der Leser erschrecken, dass die Polizei fast schon dilettantisch die Ermittlungen führte. Wurden sie von anderen gedeckt, gesteuert, manipuliert? Man wird diese letztlich nicht mehr aufklären können.  

Die Vergangenheit hat hier deutlich mehr dazu beigetragen eine Spannung zu entwickeln und die Atmosphäre aufzubauen. Die Gegenwart befasst sich mit dem Indizienprozess und ist fast schon nebensächlich zu betrachten.

Doch es gibt auch Schwachpunkte. Die Zeit danach – nach dem Auffinden der Leiche des Mädchens, die Emotionen der Angehörigen wie auch die der Ermittlungsbeamten werden kaum erzählt. Unweigerlich schade.

Das Ende des Romans ist schwach – die Fragen, die Pleiten und Pannen, die hier offenbart wurden -. Schwingen erschöpfend mit.

Fazit

„Tief in der Erde“ von Christa von Bernuth geht „tief unter die Haut. Ein nachhaltiges Echo, dass das noch 30 Jahre später ein Grauen erzeugt. Die Autorin sollte man sich gut merken – Stil, Ausdruck und Sprache hochklassig. Ich hoffe, dass wir weitere True Crime Thriller von ihr lesen können.

Michael Sterzik

Sonntag, 11. April 2021

Blutnebel - Thomas Enger und Jorn Lier Horst


Beide Autoren sind jeder für sich schon sehr erfolgreich. „Blutnebel“ ist der zweite Roman um das Ermittlerduo Alexander Blix und Emma Ramms. Die Handlung spielt in Norwegen – in der Hauptstadt Oslo explodiert am Hafen eine Explosion und kostet mehren Menschenleben das Leben. Alleine schon dieser Knalleffekt – ist ein gut durchdachter Startschuss und katapultiert den Leser sofort in eine recht spannende Handlung. Die beiden Autoren gehen wie in ihrem ersten Roman einen verhältnismäßigen Weg – so scheint es jedenfalls, doch zielgerichtet führen sie den Kommissar und die Journalistin zu einem alten, noch nicht abgeschlossenen Cold Case Fall.

Nachdem eine Explosion den Osloer Hafen erschüttert hat, herrscht Terroralarm in Norwegen. Viele Menschen wurden getötet oder verletzt. Ein Opfer kommt knapp mit dem Leben davon: Ruth-Kristine Smeplass. Diese ist keine Unbekannte für Kriminalkommissar Alexander Blix, denn sie war die Mutter der zweijährigen Patricia, die vor zehn Jahren gekidnappt wurde. Blix ermittelte in diesem Fall, erfolglos. Als sich der Rauch in Oslo legt, ist die Zeit reif, sowohl das Mysterium der Vergangenheit als auch das der Gegenwart zu lösen. Zusammen mit der Journalistin Emma Ramm entdeckt Blix ein unverzeihliches Verbrechen.(Verlagsinfo)

Ganz stark ist die Konzeption der beiden Hauptakteure gelungen, wobei diesmal die Priorität deutlich bei Emma Ramms liegt. Man muss nicht unbedingt den ersten Roman „Blutzahl“ gelesen haben, doch empfehle ich es unbedingt. Das Zusammenspiel der beiden, und ihre emotionale Beziehung sind nicht unwichtig, aber haben mit der Hauptstory in letzter Konsequenz in „Blutnebel“ wenig zu tun.

Spannend ist das Buch – kommt aber nicht bei weitem an seinen Vorgänger dran. Morde sind meistens „Beziehungsdaten“, und dieser Gewaltakt formt sich aus einer ganzen Sammlung von Emotionen, u.a. Rache, Hass, Neid. u.a – auch diese Sünden findet sich in „Blutnebel“ wieder. So nebulös der Titel klingt, so ist leider auch die Handlung aufgebaut. Zwischendurch erhält man den Eindruck, dass sich beide Autoren nicht unbedingt einig waren – wie die Storyline vom Aufbau und Entwicklung werden sollte.

Lobenswert in jedem Fall ist der erzählerische Stil der beiden. Gekonnte Dramatik – aufbauender Spannungsbogen – toll eingebaute Dialoge und das Tempo angemessen und auf dem Punkt gebracht. Stellenweise fehlte mir die Tiefe und Konzentration in den ohnehin wenigen Nebengeschichten.

Betrachten wir die Hauptstory mit einer authentischen Perspektive – nun gut, augenzwinkernd spielt Kommissar Zufall auch eine tragende Nebenrolle.

Fazit

„Blutnebel“ ist ein spannender zweiter Band. Solider Aufbau, guter Unterhaltungswert und man freut sich schon jetzt auf ein Wiedersehen mit den beiden Ermittlern.

Michael Sterzik

 

 

Samstag, 10. April 2021

Hexenjäger - Max Seeck

 


Die Hexenverfolgung im Mittelalter war epochaler Schrecken. Besonders schlimm hat die Inquisition in Deutschland hauptsächlich Frauen, aber auch einige Männer – als Jünger des Teufels, als das personifizierte Böse in Menschengestalt auf die Scheiterhaufen gebracht. Das reinigende Verbrennen als Todesstrafe – grausam und nicht wenige Opfer wurden willkürlich, oder auch gezielt durch Verleumdung denunziert, gefoltert und schließlich umgebracht.

Der vorliegende Thriller des finnischen Autors Max Seeck spielt allerdings in der Gegenwart – spricht aber mystische Elemente in seinem Buch: „Hexenjäger“ an.

Der Mörder geht nach einem perfiden Plan vor: Detailgetreu stellt er die Morde einer Bestseller-Trilogie nach. Und die sind äußerst brutal und erinnern an mittelalterliche Foltermethoden. Die Opfer – allesamt Frauen. Ist ein Fan der Trilogie durchgedreht? Kommissarin Jessica Niemi und ihr Team ermitteln unter Hochdruck, doch der Mörder ist ihnen immer einen Schritt voraus. Die Ermittler tappen im Dunkeln, bis ihnen klar wird, dass die Opfer Jessica Niemi erschreckend ähnlich sehen ...(Verlagsinfo)

Max Seecks Thriller ist hochspannend, und erzeugt eine sehr gute Unterhaltung und das nicht durch Verwendung von außerordentlich brutal geschilderten Morden. Der sympathische Autor erschafft psychologisch gesehen, eine ungemein dichte, nüchterne, aber auch frostige Atmosphäre, dass meine ich aber im positiven Sinne.

In einer Lesung sagte der Autor, der würde über Dinge, Situation schreiben, die ihm selbst Angst bereiten würden. In der Tat ist die Atmosphäre grauenhaft gut, und das spürt der Leser in jedem Kapitel – denn der Spannungsbogen verläuft linear aufsteigend. Das winterlich, frostig geschilderte Helsinki verstärkt noch die ohnehin spannende Atmosphäre.

Fast schon spannender ist die analytische Aufarbeitung der Hauptfigur „Jessisa Niemis“ – die als Mordermittlerin eine grandiose Tiefe ihres Charakters offenbart. Was für eine verdammt originelle und spannende Nebengeschichte, die hier Max Seeck auf die Bühne lässt. Ihre Erlebnisse als junge Frau in Venedig, dazu noch ein Familiengeheimnis und nicht zuletzt ihr gegenwärtiges Privatleben profilieren sie als einen ungemein tiefgründigen Charakter – wo die Betonung hier auch „Abgründig“ sein dürfte.   

Als absolute Hauptfigur, wird sich flankiert von ihrem älteren Kollegen Erne Miskon und ihrem Ermittlerteam. Mikson spielt auch in der Vergangenheit von Jessica Niemis eine ernstzunehmende Rolle. Ihrer beider Zusammenspiel endet aber im Band „Hexenjäger“.

Es ist sicherlich schwer im Genre Thriller/Krimi eine Handlung zu konzipieren, die „Neu“ ist. Irgendwie hat man ja schon vieles kennen- und schätzen gelernt. Auch in „Hexenjäger“ treten bekannte Muster auf, aber trotzdem geht Max Seeck selbstbewusst seinen eigenen Weg. Die Mischung macht es auch aus. Neben der traditionellen Ermittlungsarbeit haben wir hier noch mystische, okkulte Ansätze, die gerade im letzten Teil des Romans auftauchen. Das ist mitunter leider auch der einzige Schwachpunkt, denn die Auflösung ist übertrieben und ggf. etwas unrealistisch. Es wirkt sich aber wenig negativ auf den Gesamteindruck aus.

Max Seeck verwendet in seinem Roman „Hexenjäger“ auch keine aktuellen Themen, aus dem kulturellen, religiösen, politischen oder sozialen Umfeld. Seine Figuren bewegen sich frei und ungezwungen inmitten von Tatorten, Verdächtigen Personen und ihrer selbst und begegnen wenig anderen Themen.

Es gibt nordische Krimis und Thriller und dann gibt es noch Max Seeck – der als nordischer Autor mal ganz nebenbei, doch neue Wege geht und mit seiner Ermittlerin Jessica Niemes – eine originelle Person in das Genre wirft, die sich außerordentlich gut von anderen literarischen Hauptakteuren abgrenzt.

Fazit

„Hexenjäger“ ist ein Pageturner, dessen Handlung nicht neu – aber positiv anders gestaltet ist. Eine Ermittlerin – deren persönliche Geschichte den Leser einfängt und ein erzählerischer Stil, der fulminant perfekt wirkt. Einer der Thriller in 2021 den man unbedingt lesen sollte und Max Seeck – sollte man sich gut merken. Es geht weiter – im Herbst 2021. Ich freue mich sehr auf den zweiten Band.

Michael Sterzik

Montag, 5. April 2021

Der Verteidiger Roms - Douglas Jackson


Der Mythos „Nero“ – Kaiser von Rom ist unsterblich. Ein dekadenter, grausamer Despot, der sich auch für einen der größten, musischen Künstler seiner Zeit hielt. Die historischen Quellen stellen den „Gottkaiser“ für den er sich selbst hielt, als ausnahmslos psychopathisch dar. Die Zerstörung Roms durch ein Feuer, dass der Tyrann selbst gelegt haben soll, war der Startzeitpunkt für die grausame Christenverfolgung.

„Der Verteidiger Roms“ von Douglas Jackson ist der zweite Roman der Reihe um den jungen Gaius Valerius Verrens. Der junge Offizier, der im erfolgreichen Feldzug gegen Boudicca in Britannien teilgenommen hat, ist ein Held Roms. Ausgezeichnet von Nero – aber auch am Körper und Geist für immer gezeichnet versucht er irgendwo und irgendwie einen Platz und eine Aufgabe zu übernehmen.


Nach dem erfolgreichen Feldzug gegen Boudicca in Britannien kehrt der Tribun Gaius Valerius Verrens zurück nach Rom. Doch ebenso wie Valerius nicht mehr der ist, der er einst war, so hat sich auch Rom verändert: Kaiser Nero leidet zusehends unter wahnhaften Vorstellungen und hört auf Männer, die ihm düstere Dinge zuflüstern. So besagt eins dieser Gerüchte, dass eine neue Sekte - Anhänger des Christus - Neros Göttlichkeit leugnet und die Menschen im Reich aufwiegelt. Der Kaiser ist beunruhigt. Er beauftragt Valerius damit, die Sekte aufzuspüren und den Anführer festzunehmen. Versagt der Tribun, droht ihm der Tod. Valerius bleibt keine Wahl. Er begibt sich auf die gefährliche Suche. Eine Suche, die ihn bis an die Grenzen des Reichs führt.(Verlagsinfo)

Der zweite vorliegende Band von Douglas Jackson ist hochspannend, sehr unterhaltsam und vor allem wird auch an blutigen, brachialen Actionszenen nicht gespart. Roms Politik unter Nero war eine sehr persönliche. Willkürliche Grausamkeit unterwarf nicht nur das Volk, sondern auch den Adel und die Bürger im Imperium. Kritik wurde in diesem Regime nicht geduldet, ein (Über)Leben oftmals von einer Laune Neros abhängig. Seine Prätorianer Garde war unter Nero bekannt und berüchtigt, ein verlängerter Arm seiner Brutalität zu sein.

Neben Nero gibt es dann noch eine interessante Nebenfigur – Seneca. Ein Philosoph, Schriftsteller, aber auch ein korrupter Politiker und Geschäftsmann. Zudem war er auch für die Erziehung des jungen Neros verantwortlich, und später fungierte er als Berater am Kaiserhof, bis er von Nero in den Selbstmord getrieben wurde.

Valerius soll die Christen in Rom finden, die inmitten des Personenkults Nero eine Gefahr für ihn darstellen. Rom duldet zwar Götter neben sich, aber einen Gott, der über alle stehen soll – würde gesellschaftliche Unruhen mit sich führen. Die Apostel Petrus und Paulus sind auch Nebenfiguren in „Der Verteidiger Roms“ – und beide sind vom Autor Douglas Jackson sehr frei inmitten der Handlung platziert worden.

Neben einer Spannung verwendet der Autor auch viel Emotionale Themen ein. Valerius Verhältnis zu seinem Vater, zu seiner Geliebten und zu sich selbst, bilden die Nebengeschichten, die sehr sensibel erzählt werden.

Besonders nachhaltig erzählt Douglas Jackson sehr detailreich, ein öffentliches Massaker, bei denen Christen von Löwen und Panthern zerrissen werden – darunter Frauen und ein junges Baby. Das Nero menschliche Fackeln als eine Art nächtliches Schauspiel inszenierte wird hier auch thematisiert. Es sind Szenen die unter die Haut gehen und die leider nicht fiktiv sind.

Die Figur Valerius ist genial und überzeugend authentisch dargestellt. Kein „Held“ Roms im klassischen Stil. Kein unbesiegbarer, glorifizierter Militarist – aber auch kein Antiheld. Er ist zu Taten gezwungen -  und es wird interessant sein, wie sein Weg im dritten Teil aussehen mag.

Historisch interpretiert ist der Titel eher sehr fiktiv anzusehen. Der Aufenthalt von Petrus und Paulus in Roms und die Kreuzigung von Petrus zweifeln Historiker an. Sehr gut erzählt Douglas Jackson von einem ersten, organisierten Aufflammen des Christentums. Wer hier noch den Brand von Rom erwartet – dieser findet zu einem späteren Zeitpunkt, könnte enttäuscht sein. Vielleicht im nächsten Band – noch herrscht Nero – aber auch die fiktive Figur des Valerius brennt ggf. für seine Rache an Nero. Es könnte zum Thema des dritten Bandes werden.

Spannend ist „Der Verteidiger Roms“ – es gibt bis auf eine erzählerische Länge nichts Negatives auszusetzen. Um den Roman einzuordnen, muss man noch wissen, dass die Actionelemente gewichtiger sind, als die Beschreibung von Intrigen und Machtkämpfen einzelner Berater und Würdenträger, aber auch letzteres findet hier seinen Platz.

Fazit

„Der Verteidiger Roms“ ist ein historischer Actionroman. Spannende Unterhaltung und sensible Emotionen, die hier passgenau in die Handlung eingebaut wurden. Eine Reihe – die ich sehr empfehlen kann. Gute Unterhaltung wünsche ich .

 

Michael Sterzik

Freitag, 2. April 2021

Cold Case - Das verschwundene Mädchen - Tina Frennstedt


Wir können es in Worten nicht beschreiben, was ein Vater, eine Mutter empfinden muss, wenn ihrem Kind etwas zustößt, wenn es vielleicht als vermisst gilt und alles darauf hinweist, dass ein Verbrechen stattgefunden hat und das Kind eines der Opfer sein mag. Dies mag schlimmer sein als den lieben Menschen tot zu wissen, eine Ungewissheit in der auch immer ein Stück Hoffnung übrigbleibt.

In den Landes- und Bundeskriminalämtern der Staaten liegen viele „Cold Case Fälle“ – Verbrechen die nicht aufgeklärt wurden – Opfer die nicht gefunden wurden, Täter die man nicht überführen könnte und Angehörige, die die Vergangenheit niemals abschließen werden können. Und nicht weniger oft, verzweifeln auch die Kriminalbeamten an diesen ungelösten Fällen, und stellen sich wahrscheinlich immer wieder die Frage, ob etwas übersehen worden ist, oder der Kriminalbeamte die richtigen Schlüsse gezogen und alles unternommen hat?!

Die schwedische Autorin Tina Frennstadt, die auch als langjährige Kriminalreporterin beim Fernsehen tätig ist, hat im Verlag „Lübbe“ den Titel: „Cold Case – Das verschwundene Mädchen veröffentlicht“. Der vorliegende Titel reiht sich nicht unbedingt in den Bereich „True Crime“ ein, aber die Autorin wurde durch tatsächliche Kriminalfälle inspiriert. So kann schon jetzt sagen, die Autorin weiß wovon und was sie schreibt.

Morde und Vermisstenfälle, die nicht aufgeklärt werden, lassen Angehörige voll quälender Fragen zurück. Irgendwann wird die Akte geschlossen – doch die Qual bleibt. Als an einem Tatort Spuren auftauchen, die auf ein seit Jahrzehnten verschwundenes Mädchen hinweisen, übernimmt Tess Hjalmarsson, Expertin für COLD CASES, die Ermittlungen. Kann das spurlose Verschwinden der 19-jährige Annika nun aufgeklärt werden? Tess ermittelt unter Hochdruck, offenbar ist der Mörder von damals wieder aktiv (Verlagsinfo)

Der Titel „Cold Case – das verschwundene Mädchen“ ist der Auftakt einer neuen Reihe und ist sehr, sehr vielversprechend. Tina Frenndstedt versteht es Spannung und Dramatik immer leicht steigend zu entwickeln. Dabei ist es recht originell, ein aktuelles Verbrechen mit einem anderen zu verbinden, das fast 20 Jahre in der Vergangenheit liegt. Das mag ggf. nicht realistisch anmuten, aber das ist es keineswegs. Die Autorin versteht es so authentisch zu schreiben, dass es hier wenig Unlogik gibt, oder überzeichnet aussehen mag.

Tina Frennstedt legt viele mögliche Wege offen, mehre Abzweigungen, die auch manchmal eine Sackgasse sind. Geschickt erzählt, aber stilistisch kann und muss da noch viel passieren. Die Rückblenden sind perfekt eingebaut, und sind emotional aus der Sicht des verschwundenen Mädchens erzählt. Die parallele aktuelle Geschichte  steht in puncto Spannung in nichts nach. Nach und nach komplementiert sich das Bild, wenn auch die endliche Auflösung einerseits die gute, alte Ermittlungsarbeit wiedergibt und letztlich im Finale  nicht überraschend ist.

Interessant und facettenreich ist auch die Figur der Tess konzipiert. Eine introvertierte, vorsichtige Frau – die zugleich aber auch selbstbewusst ist und einen praktischen Aktionismus zeigt. Ihr Privatleben wird auch thematisiert, manchmal etwas zu ausufernd, denn wirklich noch analytischer kann man eine Figur nicht auseinandernehmen.

Die Atmosphäre der Handlung ist toll, die Stimmung vollumfänglich sehr, sehr spannend. Tina Frennstedt muss allerdings manchmal das Tempo linear ansteigend einsteuern, es gibt Längen, aber die sind zum Glück auch letztlich recht kurz.

Fazit

„Cold Case – Das verschwundene Mädchen“ von Tina Frennstedt ist ein sehr starker Auftakt. Die Autorin sollte man sich gut merken. Als Kriminalreporterin versteht sie es Fakten mit einer spannenden Fiktion zu verbinden kann. Sehr zu empfehlen und ich freue mich auf weitere Titel aus dieser Reihe.

Michael Sterzik

Samstag, 27. März 2021

Der Fall des Präsidenten - Marc Elsberg


Der Autor Marc Elsberg ist bekannt dafür, dass er in seinem Roman gewisse, realistische wissenschaftliche Themen und Tatsachen verwendet. Ein bisschen Fiktion eingepackt von einer authentischen Idee.

Machtmissbrauch im Amt – ein alter Hut und nicht wirklich eine fesselnde, originelle Idee und seien wir ehrlich – Macht korrumpiert – das gab es schon in alten Rom und sowie schon in früheren Epochen. Präsidenten, Könige, Kaiser, Minister, Politiker….usw. die Liste lässt sich beliebig erweitern.

Marc Elsberg lässt in seinen neuesten Roman: „Der Fall des Präsidenten“ den ehemaligen Präsidenten der USA durch den Internationalen Gerichtshof verhaften. Ja – kann man machen – ist aber realistisch gesehen ein nettes Märchen. Wollen wir uns wirklich und ernsthaft darüber unterhalten, welche amtierenden Staatsoberhäupter Fehler im Amt und Würden machen? Wollen wir wirklich, allen Ernstes eine Diskussion vom Zaun brechen und über Machtmissbrauch, oder Verbrechen sprechen zu wollen? Die Realität ist deutlich schrecklicher als die Fiktion von Marc Elsberg.

Aber ich kann die Motivation des Autors schon verstehen – springen wir bei voller Fahrt auf den Mainstreamzug. Die Verbrechen eines Ex-Präsidenten? Ich glaube, dass der Internationale Gerichtshof ganz andere Themen von anderen hochrangigen Staatsoberhäuptern auf den Schreibtisch und in verstaubten Archiven haben. Stellt sich die Frage warum widmet sich der Autor Marc Elsberg nicht die Verbrechen, die vom Kreml geduldet und ggf. auch eingesteuert worden sind? Merkwürdige Morde an Dissidenten, Kremlkritikern, Geschäftsleuten und Journalisten – seit Jahren schon!

Was ist mit Saudi-Arabien, die einen Journalisten getötet haben, der die Hoheiten des Staates offen kritisierte! Ja – klar gibt es entrüstete Stimmen, die mit Konsequenzen drohen, nur das wenig später nicht wirklich etwas Nachhaltiges passiert? Was unternimmt der Internationale Gerichtshof?

Nie hätte die Juristin Dana Marin geglaubt, diesen Tag wirklich zu erleben: Bei einem Besuch in Athen nimmt die griechische Polizei den Ex-Präsidenten der USA im Auftrag des Internationalen Strafgerichtshofs fest. Sofort bricht diplomatische Hektik aus. Der amtierende US-Präsident steht im Wahlkampf und kann sich keinen Skandal leisten. Das Weiße Haus stößt Drohungen gegen den Internationalen Gerichtshof und gegen alle Staaten der Europäischen Union aus. Und für Dana Marin beginnt ein Kampf gegen übermächtige Gegner. So wie für ihren wichtigsten Zeugen, dessen Aussage den einst mächtigsten Mann der Welt endgültig zu Fall bringen kann. Die US-Geheimdienste sind dem Whistleblower bereits dicht auf den Fersen. Währenddessen bereitet ein Einsatzteam die gewaltsame Befreiung des Ex-Präsidenten vor, um dessen Überstellung nach Den Haag mit allen Mitteln zu verhindern ...(Verlagsinfo)

„Der Fall des Präsidenten“ ist nicht nur absolut unrealistisch und mit Klischees durchsetzt. Er ist nicht spannend – die Figuren sind übertrieben dargestellt. Eine junge Juristin – die sich mit der Weltmacht USA anlegt und dann förmlich ihren Mann steht und als politische Einzelkämpferin auf einen Kreuzzug geht? Schon klar….!

Stilistisch interpretiert – handlungsarm – überzeichnet – sehr langatmig und nicht unterhaltsam.

Fazit

„Der Fall des Präsidenten“ ist durchgefallen. Das ist nicht nur voller Mängel – sondern schlichtweg ungenügend. Für mich bisher das schlechteste Buch des Autors und insgesamt eines der schlechtesten Bücher das ich jemals gelesen habe. Prädikat: Lost Time.

Michael Sterzik

 

Sonntag, 21. März 2021

Die Napoleon-Saga - Kampf und Tod - Simon Scarrow


Der vierte und letzte Band der Napoleon-Saga behandelt die letzten Jahre der Herrschaft des „kleinen“ Korsen und Kaisers Napoleon Bonaparte. Der Autor Simon Scarrow lässt wieder abwechselnd den englischen Herzog und General Wellington und den französischen Kaiser Napoleon zu Wort kommen.

Diese beiden Männer sind militärische Oberbefehlshaber ihrer Zeit. Wellington eingesetzt von der britischen Regierung, vertreibt und besiegt auf spanischen Boden Napoleons Marschälle und reduziert dabei die personelle Mannschaftsstärke der französischen Armee. Napoleon Bonaparte konzentriert sich auf seinen Feldzug gegen den russischen Zar Alexander und muss sich mit immer mehr Kritik von seinen Stabschefs und Offizieren beschäftigen.

Simon Scarrow erzählt prägnant und sehr unterhaltsam von diesen beiden Männern, dessen Karrieren zwar unterschiedlich verlaufen sind, aber auf ihrer ganz eigenen Weise erfolgreich waren. Napoleons tyrannische Herrschaft endete mit der verlorenen Schlacht im belgischen Waterloo  – der Blutzoll der letzten Jahrzehnte war erschreckend hoch. Französische Soldaten, aber natürlich auch Soldaten vieler Europäischen Länder, sowie die Zivilbevölkerungen, kämpften, litten und starben, weil der kleine Kaiser unter allen Umständen und mit allen militärischen und diplomatischen Mittel eine Dynastie aufbauen wollte. Galt sein Ego dem Wohle Frankreichs, oder mehr seinen eigenen? Rückblickend gesehen letzteres.

Der Autor beschreibt gekonnt, das egozentrische Verhalten und Entscheidungen Napoleons. Das Vertrauen, dass ihm anfänglich von seinen Offizieren und auch von der französischen Bevölkerung entgegengebracht wurde, schwindet. Frankreich ist kriegsmüde – der Feldzug gegen Russland wird stark kritisiert, sein innerer Kreis der Macht bekommt Ecken und Kanten, die ihn körperlich wie auch seelisch erkranken lassen.

1809: Viscount Wellington und Kaiser Napoleon sind beide mächtige Feldherren - und erbitterte Feinde. Beide halten ihre Armeen für stark genug, um jeden Feind zu besiegen. Doch im Krieg gibt es keine Gewissheiten.

Während Wellington in Spanien Siege erringt, scheint sich Napoleons Schicksal gewendet zu haben. Doch selbst nach der verheerenden Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig weigert sich der Franzosenkaiser, die Waffen zu strecken. Seine Armee ist noch immer gewaltig. Bei Waterloo stehen sich die beiden Erzfeinde zur letzten Entscheidungsschlacht gegenüber.(Verlagsinfo) 

Der letzte Band ist insgesamt gut – die Reihe großartig. „Kampf und Tod“ erzählt leider aber auch die letzten Jahre etwas lückenhaft. Die Völkerschlacht bei Leipzig wird kurz erwähnt, der Feldzug gegen Russland und der Showdown bei Waterloo sind die konzentrischen Schauplätze dieses Romans. Diese Verteilung der Ereignisse ist leider nachlässig. Wellingtons Feldzüge in Spanien, wirken dagegen ausufernd interpretiert.

Die Schilderung der Schlachten an den jeweiligen Orten, werden nicht minutiös – aber auch nicht oberflächlich erzählt. Spannend ist die richtige Beschreibung und immer fragt man sich, was ging in diesen einfachen Soldaten vor, die wie die Lämmer für ihr Land, oder für verschiedene Ideale, geopfert wurden!? Die Perspektive der Offiziere an der Seite der beiden Männer wird mehr erzählerischen Raum gegeben. Gerade die französischen Marschälle sind nicht mehr die stillen Befürworter dieses Mannes – der Frankreich am Rande des Abgrunds bringt und Schuld an unzähligen Opfern ist. Diese Dialoge sind großartig emotional wiedergegeben.

Napoleons erste Abdanken, seine Verbannung auf Elba, und schließlich sein Ende, werden unterhaltsam, aber auch zu schnell erzählt. Nichtsdestotrotz überzeugt der vorliegende Roman, bzw. die ganze Buchreihe über eine authentische Atmosphäre, die keinerlei Längen aufweist. Dem Geschichtsinteressierten zeigt sich ein sehr spannendes Spiegelbild dieser Epoche – dessen Auswirkungen nicht nur historische Geschichte geschrieben hat, sondern auch Europa und seine Menschen prägten.

Fazit

„Die Napoleon-Saga – „Kampf und Tod“ erzählt mit einer nachhaltigen Spannung, die Entscheidungen zweier Politiker mit Herrscher. Eine sehr gute Persönlichkeitsanalyse Wellingtons und Napoleons. Die Reihe ist ein nachhaltiges Echos der Napoleonischen Zeit. Eine authentische Aufarbeitung historischer Ereignisse die man lesen sollte. Prädikat hochklassig.

Michael Sterzik