Montag, 5. Februar 2018

Wolfswut - Andreas Gößling

Wir Menschen tragen die Gewalt wie ein Gepäckstück durch die Jahrhunderte. Nicht alltäglich, aber selbst in unserer hoch technisierten und fortschrittlichen Zivilisation gibt es sie in den Nachrichten, in Filmen, Büchern, natürlich im Internet und manchmal auch bei uns zu Hause selbst. Auch eine Seele kann mich brutal misshandeln und verkrüppeln. 

Das „Böse“, mit all seinen Schattierungen wirkt faszinierend auf uns – sie sollte uns abschrecken, aber unser morbides Interesse verhindert es. Es ist ein Teil unserer Persönlichkeit, ein dunkler Zwilling, den wir beherrschen können und bei den meisten von uns, ist diese unter Kontrolle und wir können uns beherrschen, dieses Gebot: Du sollst nicht töten“ zu erfüllen.

„True Crime“ ein Sub Genre des Thrillers. Sind die spannenden, blutigen Geschichten, die Autoren sich ausdenken nur Fiktion und wenn ja – ist diese grausamer als die Wirklichkeit, die Wahrheit? Einfach zu beantworten – die Realität ist um ein Vielfaches grausamer.

Im vorliegenden Roman: „Wolfswut“ von Andreas Gößling orientiert sich der Autor an den authentischen Kriminalfall des Manfred Seel. Im September 2014 fand die Tochter des Kleinunternehmers Manfred Seel in der Garage mehrere Behälter mit Leichenteilen. Ihr Vater ist kurz zuvor an einer Krebserkrankung verstorben. Die Tochter sichtete den Nachlass um den elterlichen Haushalt und das Entrümplungsunternehmen ihres Vaters. Der Fund löste eine ganze Reihe von polizei- und staatsanwaltlichen Ermittlungen aus, die auch noch immer nicht völlig abgeschlossen sind. Die Akte Manfred Seel ist noch nicht bereit geschlossen zu werden. Das hessische LKA ist immer noch dabei Serienmorde aufzuklären.

Die Opfer waren Straßenprostituierte, drogenabhängig ohne soziale, feste Bindungen. Unter den bisherigen zehn Morden gab es auch einen männlichen Teenager und zwei Altenpflegerinnen. Die Grausamkeit des Täters ist schockierend – man kann davon ausgehen, dass die Opfer gefoltert wurden, die Amputationen und Organentnahmen bei vollem Bewusstsein erlebten. Spuren weisen daraufhin, dass Manfred Seel diese nicht alleine begangen haben konnte, doch wer war der Mittäter und mordet dieser noch immer. Einige der gefundenen Organe lassen darauf schließen, dass Kannibalismus ebenfalls stattfand.

Der Autor Andreas Gößling, der auch schon zusammen mit Prof. Dr. Michael Tsokos eine ganze Reihe von erfolgreichen true crime Thrillern geschrieben hat, schreibt nun solo weiter. Wenngleich die Story natürlich authentisch ist, so sind es die Ermittler natürlich nicht. Die beiden Kriminalbeamten Kira Hallstein und Max Lohmeyer ergänzen sich und weisen die typischen Merkmale auf. Eigenständig, rebellisch, querdenkend, innovativ und doch professionell. Schauplatz ist nicht Hessen, sondern die Megametropole Berlin.

Auch wenn hier die Fakten mit Elementen der Fiktion kombiniert werden, so ist die Story fast gänzlich realistisch. Sie ist aber nicht das klare Spiegelbild, der ermittelten Erkenntnisse, die von den realen Kriminalbeamten des LKA gefunden wurden. Es gibt noch eine Vielzahl von ungelösten Fragen, eine Menge von Antworten, sind noch ausstehend, vielleicht werden diese niemals abschließend geklärt werden.

„Wolfswut“ ist ein wirklich wütender Thriller. Spannung und Brutalität sind die zweieiigen erzählerischen Grundelemente. Das einige Morde durch die Augen, bzw. die Dokumentation, der oder des Täters geschildert wird, vertieft das Grauen. Die erzählerische Perspektive aus der Wahrnehmung Kira Hallsteins sind temporeich, fast gehetzt wirken sie auf uns und verstärken dadurch nur die düstere Atmosphäre.

Brutalität hin, oder her, sie ist nicht überdimensioniert, zwar nahe dran, aber das Grauen hat noch andere Facetten. Der Autor nimmt sich die Zeit, den Leser unsere Schattenwelt zu präsentieren. Wir wissen von dieser, wir wissen von diesen Menschen, die jegliche Hoffnung fast aufgegeben haben, die aus fernen Ländern gekommen sind mit den Träumen von Frieden, Wohlstand, Familie im Gepäck.

Doch diese Träume werden. Zerbrochen - Zersetzt - Zerschunden. Die Prostitution, der Drogenmissbrauch katapultiert diese jungen Frauen und Männer in Vorhöllen unserer Gesellschaft. Ausgenutzt verkaufen Sie sich als Ware an Männer, die ihre Gewaltbereitschaft an ihren Körper und Seelen ausleben, ihren Hass kanalisieren und mit Gewalt fokussieren. Straßenstrich, Bordelle, Privatwohnungen und das Darknet, - all diese Schauplätze finden sich in „Wolfswut“ wieder.

Der Leser wird also grauenhaft mit einer Realität konfrontiert, vor die er gerne die Augen schließt, wenn er diese Straßen und Häuser in der Gegenwart sieht. Vielleicht war es nicht vom Autor beabsichtigt, aber vielleicht sehen wir diese Menschen, dann mit einer anderen Wahrnehmung. Vielleicht helfen wir auch ein wenig vor unserer eigenen Haustür.

Die Protagonisten der Handlung manchmal ziemlich eindimensional gezeichnet. An der einen, oder anderen Stelle gelingt es dem Autor, dass Grauen, dass die Beamten sehen und erleben, nachzuempfinden. Es gibt einige Szenen und Erlebnisse, die wie ein Echo nachklingen beim lesen von „Wolfswut“ – und dieser Korridor ist dunkel, kalt und einsam.

Es gibt nicht viel zu kritisieren. Das Ende des Romans ist zwar in sich schlüssig, aber darstellerisch nicht nachvollziehbar. Aber lesen sie selbst.

Ein weiterer Band ist in Vorbereitung. Ich bin gespannt – welcher Vorlage sich der Autor aneignen wird.

Fazit

„Wolfswut“ ist das Echo unserer Furcht, ein grausamer anhaltender Schrei, der sich breitmacht. Brutale Spannung und doch noch leise genug, um gehört zu werden.

Michael Sterzik





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