Der vorliegende Band „Die Gabe des Himmels“ von Daniel Wolf ist der vierte Band der Fleury-Saga. Der in Speyer lebende Autor Christoph Lode hat unter seinem o.g. Pseudonym, eine herausragende und vielseitig, spannende historische Reihe geschaffen.
Seit dem ersten Band um die Patrizierfamilie Fleury hat diese fiktive Familie für die kleine Stadt Varennes-Saint-Jacques viel erreichen können.
„Das Salz der Erde“ spielte im historischen Zeitraum 1173 – 1206, der zweite Band „Das Licht der Welt“ umfasste die Jahre 1214-1248 und die Handlung von „Das Gold des Meeres“ spielt zwischen den Jahren 1256 – 1261.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 1346. Die Stadt ist gewachsen, der Wohlstand seiner Bürger ebenfalls, Handwerker haben sich in Zünfte organisiert, der nationale und internationale Handel floriert – doch es gibt es auch viele Probleme. Der Unmut der Bevölkerung wächst, der Rat der Stadt kann nicht jedem Berufszweig gerecht werden, eine gewisse soziale Unruhe breitet sich in den Straßen und Häusern von Varennes aus. Der Neid auf die „erfolgreichen“ Juden, die wie in vielen anderen Städten auch, in ihrem eigenen Viertel leben, entfaltet sich zu einem riskantem Hass.
Auch die Familie Fleury hat ihre Probleme: Josseline Fleury, ein angesehener Kaufmann und Ratsmitglied verschenkt, große Teile seines Besitzes an die Kirche um seine Sünden reinzuwaschen. Sein Sohn Cesar, der ebenfalls Kaufmann ist, bekommt damit erhebliche wirtschaftliche Probleme und sieht berechtigterweise, die Existenz seiner Familie gefährdet. Adriannus, auch genannt Adrien Fleury studiert Medizin an der Fakultät Montpellier. Mit seinem wachem Geist, und seinem querdenkendem, aber wissenschaftlichem Fokus, gerät er in einem Konflikt mit der traditionellen Schulmedizin und wird kurz vor der Abschlussprüfung rausgeschmissen. Seine erworbenen, medizinischen Kenntnisse und seine tatkräftige Hilfe bei einem ansässigen Wundarzt bereiten ihn allerdings auf eine epochale Katastrophe vor, die Europa heimsuchen wird – der Pest.
Spielte die Handlung des dritten Teils „Das Gold des Meeres“ größtenteils, wie der Titel schon preisgibt auf den Meeren, konzentriert sich der Autor mit nun auf die Stadt Varennes. Fast alle Haupt- und Nebenhandlungen komprimieren sich innerhalb dieser Stadtgrenzen und mit ihnen alle Probleme. Das Thema Medizin im Mittelalter, ist uns spätestens seit Noah Gordons „Der Medicius“ wohlbekannt. Auch Daniel Wolf befasst sich zu einem großen Anteil mit diesem sehr interessanten und vielfältigen Beruf. Das ist auch gut so, denn wenn sich schon die ersten drei Bände fast ausschließlich mit kaufmännischen Herausforderungen befassen, warum nicht mal einen anderen Weg einschlagen. Doch es bleibt nicht nur bei der Medizin; auch Themen wie der aufkeimende und dann später eskalierende Antisemitismus gegenüber der jüdischen Bevölkerung, und der Unmut der Handwerkszünfte wird von Daniel Wolf hervorragend in die Handlungen eingepasst. Natürlich darf die Religion in einem mittelalterlichen Epos nicht fehlen, und so finden auch die Flagellanten und Geisler Einzug in die Handlung.
Daniel Wolf baut diese einzelnen Parts gewitzt und gekonnt auf, um diese dann innerhalb der Handlung zu einem Handlungsstrang zu verweben. Großartig gemacht – da sich der Spannungsbogen auf über 900 Seiten nicht abwärts bewegt. Im Gegenteil – die Erzählkunst des Autors ist ein verdammt imposantes Panorama, dem sich der Leser nicht entziehen kann. Größere und kleine Konflikte nicht nur der Hauptpersonen werden bestens in Szene gesetzt, ohne sich dabei in Langwierigkeiten zu verlieren.
Die Haupthandlung neben der Medizin und dem „Schwarzen Tod – das große Sterben“ ist die Situation der Juden. Massive Einschränkungen und Übergriffe und spätere hasserfüllte Gewaltorgien werden thematisiert. Aber nicht nur diese Übergriffe, sondern werden vom Autor vielmehr auch die Gründe und Vorurteile auf dem literarischen Tisch gebracht.
Auch die soziale Spaltung der Bevölkerung findet seine Gewichtung. Der Zwist zwischen den Patriziern und den Zünften mündet in einem gewalttätigen Aufstand, der auch die jüdische Bevölkerung angreift.
„Die Gabe des Himmels“ ist ein großartiges Epos. Fakten und Fiktion feinsinnig miteinander kombiniert. Die Figuren mitunter und größtenteils nicht nur klassisch eindimensional, sondern facettenreich spielend aufgestellt. Die Spannung ist immer vorstellig – im gesamten Roman gibt es keine Passagen, die Langweile aufkommen lassen. Analysiert man die Verteilung der Themen, so hätte ich mir allerdings gewünscht, dass der Anteil der religiösen Massenhysterie weniger ausgebaut gewesen wäre, und der Handlungsstrang mit dem Pestausbruch deutlich mehr Beachtung gefunden hätte.
Fazit
„Die Gabe des Himmels“ ist einer der stärksten, historischen Romane und nach „Das Salz der Erde“ wohl mit der interessanteste und spannendste dieser Reihe. Er ist nicht vergleichbar mit „Der Medicus“, auch wenn es natürlich wenige Parallelen gibt. Jedem Leser empfehle ich allerdings, die Reihe chronologisch zu lesen – es geht auch ohne, doch die Eigenarten und der Einfluss der Familie Fleury versteht man dann doch deutlich besser.
„Die Gabe des Himmels“ von Daniel Wolf ist ein historisches Panorama, dass Spannung garantiert und die dunklen Kapitel des Mittelalters etwas heller beleuchtet.
Pageturner und ein must-read-titel im historischen Genre.
Michael Sterzik
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