Sonntag, 3. Februar 2019

Tannenstein - Linus Geschke


Linus Geschke ist seit den drei Kriminalromanen um den investigativen Journalisten Jan Römer und seiner Kollegin „Mütze“ inzwischen bekannt geworden. Seine Bücher sind feine, sehr durchdachte und komplexe Kriminalgeschichten. Authentische Atmosphäre umgeben die feinfühlige Handlung, die Protagonisten sind ebenfalls realistisch aufgestellt – die Storyline besitzt einen souveränen Spannungsbogen.

Wir gehen als Leser immer davon aus, dass sich die Figuren einer Romanreihe weiterentwickeln, dass muss es auch – alles andere wäre absurd und würde jegliche nachhaltige Atmosphäre in Folgebänden faktisch einäschern. 

Doch wie ergeht es dem Autor? Bleibt er intellektuell in einem Standby-Modus, ein Talent, dass er besitzt, aber es nicht ausschöpft? Sind die späteren Romane inhaltlich thematisch exakt im gleichen Stil erzählt und wie mit einer Schablone gezeichnet? Natürlich kommt dies in der Belletristik in vielen Genres vor – im vorliegenden Roman „Tannenstein“ von Linus Geschke, geht der erfolgreiche Autor nun neue Wege.

„Tannenstein“ ist der erste Band einer neuen Thriller-Reihe, es gibt neue Figuren, neue Handlungen, eine völlig neue Atmosphäre – alles komponiert von Linus Geschke, und um es vorab schon zu sagen, bevor ich enger darauf eingehe – ein brillanter Entwicklungsschritt.

Inhaltsangabe

Wenn der Wanderer kommt, sterben Menschen. Elf in Tannenstein, einem abgelegenen Ort nahe der tschechischen Grenze. Ein Tankwart im Harz, eine Immobilienmaklerin aus dem Allgäu. Der Killer kommt aus dem Nichts, tötet ohne Vorwarnung und verschwindet spurlos.

Der Einzige, der sich ihm in den Weg stellt, ist Alexander Born: ein Ex-Polizist mit besten Kontakten zur Russenmafia. Einst hatte der Wanderer seine Geliebte getötet, jetzt will Born Rache – und wird Teil einer Hetzjagd, die dort endet, wo alles begann: Tannenstein. (Auszug- Verlagsinfo)

Der Prolog von „Tannenstein“ ist schon ein kleines Feuerwerk. Eine derartige starke Atmosphäre die sich hier explosionsartig mit intensiven Wellen durch die gesamte Story bewegt, ist mehr wie eindrucksvoll erzählt. Die Spannung und das ist kristallklar zeichnet sich auch durch eine realistisch erzählte Brutalität aus, nichts für zarte Nerven und Gemüter. Der düstere Ort Tannenstein ist zwar fiktiv, doch insgesamt ist die Handlung realistisch.
Die Figur des „Wanderers“ ist absolut hochklassig, ein Rächer, Killer, Mörder – ein Berufspsychopath!? Er ist vieles – von allem etwas und doch bleibt er mysteriös. Er ist eine Nebenfigur – aber mal ehrlich – er stiehlt allen Protagonisten sämtliche Auftritte und Gagen und seine Präsenz stellt die Hauptfiguren in die zweite Reihe.

Sein Gegenspieler Alexander Born – ehemaliger Kriminalbeamter, der auf dem schmalen Grat einen Schritt zu viel in Richtung Abgrund gegangen ist. Er hat für seine Taten gebüßt, er war in Haft und nun jenseits der Mauern des Gefängnisses giert er nach Rache – der Wanderer hat seine Freundin getötet….

Unterstützt wird er bei seinem Rachefeldzug von einer jungen Kriminalbeamtin. Natürlich entwickelt sich eine Liebesgeschichte usw. Manche traditionellen Elemente muss man einfach spielen. Auch die formale Selbstjustiz ist ein Teil davon.

„Tannenstein“ ist hochspannend – intensive Atmosphäre – Authentische Handlung – gute Charaktere. Alexander Borns Charakterzeichnung ist in einem effektvollen Schwebezustand zwischen Himmel und Hölle angesiedelt und ja, auch die klassischen Klischees werden hier bedient. Alexander Born hat keine weiße Weste, seine kriminelle Vergangenheit, seine Kontakte zur Russenmafia und sein zerstörerischer Glaube an Rache bilden den Dreh- und Angelpunkt. Als Anti-Held gesetzt – erfüllt er seine Stellenbeschreibung recht gut…Probezeit bestanden. Negativ gezeichnet und versehen mit den typischen Merkmalen, kann man den Charakter symphytisch finden, oder auch nicht. Für mich – allzu hervorsehbar – allzu einer Schablone entsprungen und mit und der einzige Schwachpunkt bei diesem Titel.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ein Faible für Nebencharaktere habe. Linus Geschke erzeugt und das ist fantastisch – kein offensives Schwarz/Weiß-Bild – kein in Schubladen gestecktes Klassensystem in „Gut“ und „Böse“ unterteilt. Und kommen wir nun zur der Personalie des „Wanderers“ – absolut TOP –  die Aura eines geheimnisvollen Todesengels – der seinen Job professionell gelernt haben muss. Zack – Trommelwirbel – Der Wanderer kommt und die Spannung erzeugt eine Eruption, die faktisch alles überrollt.

Und es zeigt sich auch, dass „Gut“ und „Böse“ immer wieder aus einer individueller Perspektive aufgehen. Linus Geschke erzählerischer Stil ist weitaus konsequenter und kompromissloser als wie man ihn über die Jan-Römer-Reihe kennengelernt hat.

Mit „Tannenstein“ beweist er, dass sein Talent noch lange nicht ausgeschöpft ist. Beide Reihen kann mich nicht miteinander vergleichen. Linus Geschke hat sich weiterentwickelt – Stil, Ausdruck, Sprache haben einen großen Schritt nach vorne gemacht. Auch in der Beschreibung der Emotionen wirkt der Autor reifer, gesetzter und überhaupt ist „Tannenstein“ strukturierter als alles was ich bisher gelesen habe.

Ich bin gespannt, wie Band 2 sein wird – persönlich empfehle ich, mich von Alexander Born zu trennen und ebenfalls von der helfenden Figur der jungen Kriminalbeamtin. Beide Charaktere sind austauschbar – der „Wanderer“ – eine derartige Figur polarisiert – aber überzeugt um einiges mehr.

„Fazit“

„Tannenstein“ ist ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss, der bei dem Leser mit einer starken Atmosphäre einschlägt. Nachhaltige Spannung –  Action und Authentisch.
Brillante Umsetzung. Prädikat: Pageturner.

Michael Sterzik

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