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Donnerstag, 1. Juni 2023

Die Verborgenen - Linus Geschke

Was wissen wir über die Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung? Kennen wir all ihre Geheimnisse, all ihre Sünden? Was wissen wir über die Wünsche, die Sehnsüchte und Hoffnungen unserer Lieblingsmenschen? Diese „Verborgenen“ Emotionen sind ein Teil eines jeden Menschen. Wir alle haben Empfindungen, die man gleichwohl auch als besagte „Leichen im Keller“ bezeichnen könnte. 

 

Wie be- und verurteilen wir die Menschen, die wir meinen, so gut zu kennen? Sind wir so tolerant wie man es erwartet, wie wir es selbst von uns erwarten? Wir sind alle Schauspieler und wir übernehmen die Regie für unser eigenes Leben. Wir manipulieren, verbiegen, verbergen Wahrheiten und Lügen vor uns selbst und vor anderen. Niemand kennt uns so gut, wie wir selbst. 

 

Das führt selbstverständlich zu Konflikten in Freund- und Partnerschaften, wenn vielleicht nur ein Bruchteil dessen, was wir verschleiern wollen, an die Oberfläche treibt. Diese persönlichen Offenbarungseide können alles zerstören und diese leidenschaftlichen Tsunamis können auch viele andere Menschen mitreißen.

 

Selbst in unseren Wohnungen und in unseren Häusern verstecken wir Teile unserer Vergangenheit und Gegenwart. Das kann vieles sein; Gegenstände, Tagebücher, Urkunden, Schmuck, Erinnerungen usw. – es gibt kein Haus und keine Wohnung, in denen nichts vor den Augen anderer versteckt wird. 

 

Stellen wir uns nun vor, dass, wenn wir schlafen, jemand im Schatten, in der Dunkelheit stehend uns beobachtet. Wir sind schutzlos ausgeliefert und ahnen nichts von einer Gefahr in unmittelbarer Nähe. Stellen wir uns vor, wir verlassen unsere Wohnung und jemand schleicht durchs Haus und sucht systematisch unsere materiellen Schwächen. Vielleicht bedient sich die Person an unserem Essen, duscht und kleidet sich mit unseren Sachen ein? Ein unvorstellbarer Gedanke – aber leider auch Realität. 

 

Es gibt diese Menschen, die in Häusern in verstaubten Dachböden und dunklen Kellern hausen und nur darauf warten, dass die Räumlichkeiten und Bewohner schlafen, oder diese das Haus verlassen. Diese Eindringlinge werden als „Phrogs“ bezeichnet, abgeleitet von englischen „frog“ (Frosch). Sie bleiben nicht lange an einem Ort, sie ziehen bald weiter, vielleicht wenn es langweilig wird, sie alles entdeckt haben, oder die Bewohner ahnen, dass sie ggf. nicht mehr alleine sind. 

 

Linus Geschke hat all diesen Themen eine Bühne in dem vorliegenden Roman: „Die Verborgenen“ gegeben.

 

Sven und Franziska Hoffmann haben alles, wovon sie einst träumten: eine wunderbare Tochter und ein traumhaftes Haus an der Küste. Alles könnte perfekt sein. Doch dann dringt jemand heimlich in ihr Haus ein. Der ungebetene Gast bedient sich an ihrem Essen, stöbert in ihren Schränken und steht neben ihren Betten, wenn sie schlafen. Als dann noch Gegenstände verschwinden und fremde Fußspuren im Keller auftauchen, bezichtigen sich die Eheleute gegenseitig. Je merkwürdiger die Vorgänge in ihrem Haus werden, desto mehr bröckelt die makellose Fassade der perfekten Familie. Und genau das ist es, was der Eindringling will …(Verlagsinfo)

 

Linus Geschke beweist mal wieder sein vielseitiges Talent. „Die Verborgenen“ ist kein Actionkracher, es ist ein eindrucksvoller und hoch unterhaltsamer Psycho-Thriller. Die Spannung liegt erst verborgen in diesem Haus der Familie, liegt versteckt hinter der Fassade jedes einzelnen Bewohners. Und genau hier fängt die atmosphärische Raffinesse an. Sven, Franziska und ihre Tochter Tabea lassen tief in ihr innerstes Selbst blicken. Sie alle nehmen eine erzählerische Perspektive ein, wie auch „Die Verborgenen“ selbst. Lügen, Wahrheiten, gespielte Emotionen und kriminelle Entgleisungen, Hass, Wut und auch die Liebe – all diese idealisierten Gefühle spielen über die Personen ausgedrückt die wesentliche Rolle. 

 

Tiefer und tiefer tauchen wir in die Psyche dieser Menschen ein und diese präsentieren uns viele verschiedene Abstufungen ihrer perspektivischen Wahrheit. 

Wir fangen unbewusst damit an, diese Menschen zu ver- und zu beurteilen, wir empfinden Sympathie und Antipathie, nur um wenig später festzustellen, dass alles verborgen ist – auch unser empfundenes Bild dieser Figuren. Auch in die Psyche der „Verborgenen“ dringen wir ein – aber langsamer. 

 

Die Spannung schleicht sich langsam, aber stetig in unsere Köpfe. In den einzelnen Kapiteln kommen immer mehr und mehr Wahrheiten auf den Flur der „Wahrheiten“. Diese sammeln sich in einem Kessel voll von brodelnden Gefühlen, der bald mit einer zerstörerischen Wucht explodieren wird. 

 

Lüge und Wahrheit – sind zwei Geschwister in diesem Roman. Sie zanken sich in jedem Kapitel, doch einen strahlenden Finalisten wird es nicht geben. Selbst ein Happy End –  ist nicht frei von Schuld. 

 

„Die Verborgenen“ ist komplex und komplett psychologisch aufgebaut. Linus Geschke beschreibt diesen Roman, als sein „Herzstück“ – ist es auch – ein Roman mit Verstand und Gefühl konzipiert. 

 

Es gibt nicht viel Kritik. Das Ende wird mit Überschallgeschwindigkeit erzählt, und leider bleiben hier die Charaktere der Familie etwas im „Abseits“ sehen. Einen insgesamt vollendeten Abschluss in Hinblick auf eine kleine Aussicht dieser Figuren auf die Zukunft wäre der Story dienlich gewesen. 

 

„Die Verborgenen“ ist eine abgeschlossene Geschichte. Einen weiteren Teil wird es nicht geben. Ich hoffe allerdings, dass Linus Geschke – den Psycho-Thriller für sich entdeckt hat. Intelligent und facettenreich – mit viel Gefühl, das manchmal lauter ist als der Schuss einer Waffe und auch vernichtender sein kann. 

 

Fazit

 

Eine intelligente Offenbarung von Wahrheit und Lüge, hinter der Fassade von Menschen. Perfektes Spiel, bei dem jeder gewinnt und verliert. Unbedingt lesen. 

 

Michael Sterzik



  

Mittwoch, 27. Januar 2021

Engelsgrund - Linus Geschke


Der vorliegende Titel „Engelsgrund“ von dem Autor Linus Geschke, ist der dritte und abschließende Band um dessen Hauptfigur Alexander Born. Nach „Tannenstein“ und dem zweiten Band „Finsterthal“ erleben wir ein furioses und brillantes Ende, dieser Trilogie mit der sich Linus Geschke auch schriftstellerisch enorm weiter entwickelt hat. 

Seine Krimireihe um den investigativen Journalisten Jan Römer und seiner Kollegin „Mütze“ ist schon bezeichnend mehr wie gut. Diese beiden Reihen kann man aber miteinander überhaupt nicht vergleichen. Die Trilogie um Alexander Born kategorisiert sich mühelos in das Genre „Harter Thriller“ ein. Die gesamte Storyline dieser fulminanten Thriller-Reihe ist konsequent und kompromisslos sehr hart. Sie ist keineswegs unrealistisch, verfängt sich nicht in ein Netz voller bekannter Klischees, und die Action bewegt sich nicht in einem Raster überspitzter, erzählter Brutalität.

Eine friedliche Gemeinschaft in der Abgeschiedenheit der Ardennen. Zwei tote junge Frauen, brutal ermordet. Eine dritte junge Frau in höchster Gefahr. Eine unheilvolle Allianz zwischen Jäger und Gejagtem.

Höchst alarmiert wendet sich Carla Diaz, Alexander Borns frühere Kollegin bei der Sitte, an den Ex-Polizisten. Zwei junge Frauen, Mitglieder der Sekte ›Cernunnos‹, der auch Carlas Tochter Malin angehört, wurden ermordet aufgefunden. Nun fürchtet Carla um Malins Leben, dringt aber nicht zu ihr durch. Auch Borns Mission scheitert – an Sektenführer Lampert und an Malin selbst. Da schaltet Born seinen alten Gegenspieler Andrej Wolkow ein, der ihm noch einen Gefallen schuldet. Tatsächlich schickt der Russe einen jungen Killer, dem es schnell gelingt, sich bei ›Cernunnos‹ einzuschleichen. Doch Wolkow treibt ein doppeltes Spiel.(Verlagsinfo)

„Engelsgrund“ überzeugt durch eine enorm spannende Atmosphäre, aus gut platzierten Charakteren und noch wichtiger – und fokussiert sich auf den Ansatz zu zeigen, dass das „Böse“ und das „Gute“ nicht nur verwandt, sondern im Grunde auch voneinander abhängig sind. Die Kernbotschaft ist: Um das „Böse“ zu bekämpfen muss man selbst diesen Methoden bedienen?!  Die Figur des Alexander Borns ist nicht der Typus des klassischen Antihelden. Sein Schöpfer Linus Geschke konzipiert ihn als einen Mann, der alles verloren hat, der sich undiszipliniert verhält, seinen eigenen Ethischen und moralischen Kompass kalibriert und stark dabei wirkt. Analysiert man mit etwas Tiefgang diese Figur, offenbart sich eine Verletzlichkeit, eine Verlorenheit im Schatten seiner Vergangenheit und absolut am Rande der Gesellschaft positioniert. Doch und das ist das besondere und exemplarische an dieser Reihe ist, dass die übrigen Charaktere unabhängig ob Haupt- oder Nebenfigur ebenfalls eine brillante, tiefgehende Ausprägung haben.

Es ist auch ein mehr wie würdiger Abschluss, die Story ist dramatisch, dass Tempo hoch, und überraschende Situationen und Konflikte stellen „Engelsgrund“ als einen spannenden, gefährlichen Eisberg in ein kaltes Gewässer dar, dass gefährliche Tiefen zeigt.

Die Idee, eine Sekte schwerpunktmäßig als manipulativ und als verkanntes Paradies darzustellen ist nichts Neues. Doch darum geht es auch gar nicht. Engelsgrund weißt hochgradige, komplexe Beziehungsebenen aus – doch auch hier mit Perspektive auf die Basis – sieht man „Gut“ und „Böse“ bedienen sich mit einer  Motivation der Individualität seiner Figuren. Im Grunde verfolgen alle das gleiche Ziel, aber es gibt extrem viele kleinere und größere Grauzonen.

„Engelsgrund“ ist auch keine Gute-Nacht-Geschichte, kein „Happy End“, der eine heile Welt offenbart. Linus Geschke „lebt“ und „liebt“ sein Storytelling – und auch hier zeigt sich nur eine verschwommene Karikatur von Gut und Böse in der jeder alles sein kann.

Es gibt nicht viel an Kritik. Ich hätte es spannend und innovativ gefunden, wenn es Ableger geben könnte – ohne Born, aber vielleicht mit Carla Diaz – vielleicht mit einer anderen Figur aus dieser Reihe? Potenzial ist allemal vorhanden.

Mit „Engelsgrund“ schließt sich der Kreis um Alexander Born. Ein Ende mit dem jeder leben kann, ein Ende für diesen Charakter und dieser außergewöhnlichen Reihe, die viele Melodien hat – eine davon ist ganz sicher: „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Linus Geschke hat wie schon beschrieben sich mit dieser Trilogie, sehr positiv weiterentwickelt. Enthusiastisch verfolgt er seinen Weg – eine Reihe zu schreiben, die sich von vielen anderen abhebt. Der Erfolg gibt ihm Recht. Mutig sich nicht einen Trend zu bedienen, sondern ggf. diesen gleich selbst zu bauen. Prima Entscheidung.

Damit kommen wir zu den zukünftigen Projekten. Lieber Linus Geschke – die Erwartungshaltung ist soeben gestiegen.

Fazit

„Engelsgrund“ ist im Grunde eine spannende Twilight Zone im Genre „Thriller“. Tonangebend – exemplarisch – und verdammt gut wie gut, dass Böse dargestellt wird. Eine der „Besten Thriller-Reihen“ – die man unbedingt lesen muss. Punkt.

 

Michael Sterzik

Samstag, 22. Februar 2020

Finsterthal - Linus Geschke


Ein Jahr nach dem großen Erfolg des Thrillers „Tannenstein“ von Linus Geschke, ist nun der zweite Teil um den Ex-Polizisten Alexander Born – „Finsterthal“ im Verlag dtv veröffentlicht worden.

In den vielen Genre innerhalb der Belletristik gibt es wie in einem klassischen Kriminalroman, als auch in einem spannenden Thriller zumeist einen soliden, souveränen Abklatsch der Charakterzeichnung. Die Rollenverteilung ist zumeist ein Klischee – hier die Helden – dort die Bösewichter. Einfach, oder?! Zu einfach – was zählt ist die individuelle Perspektive der Protagonisten, deren Vergangenheit, deren Umfeld, deren Motivation und schon ist das „Leben“ alles andere als bloß Schwarz/Weiß. Die Abstufungen und Grauzonen dieser persönlichen Einstellungen lassen es dann zu, dass man als Leser eine emotionale Bindung eingeht, ob nun positiv oder gar negativ ist dann auch egal – aber man kann sich wenig davor nicht einfangen lassen.

Schon in Roman „Tannenstein“ lässt der Kölner Autor Linus Geschke seinen Figuren erheblich viel Raum um sich zu entfalten. Immer wieder Rückblicke, immer wieder erklärt sich in genau diesen Zeitfenstern, die Psychologie der Figur und sein Antrieb. Und siehe da: Es ist kompliziert.

In dem vorliegenden Band „Finsterthal“ ist es noch immer kompliziert. Im Punkto Spannung liegt er mit seinem Vorgänger gleichauf. Allerdings und jetzt wird es interessant – gehen die Figuren über ihre eigenen Grenzen. Rache, Leid, Verrat, Täuschung, Manipulation – wie weit darf man die Hölle betreten, bis der Teufel einem dem Ausweg verbaut und man sowieso die Hitze bevorzugt und der moralische Kompass durchdreht? Kommen wir zu den Wahrheiten und Lügen – jeder hat seine ganz persönliche Wahrheit und Perspektive und entweder belügt er sich am Ende oder die anderen, vielleicht auch gleich alle – sich selbst eingeschlossen!

„Finsterthal“ besitzt eine ganz eigene Atmosphäre. Nicht nur realistisch, sondern zieht die Figuren in eine Eskalationsspirale – am Ende „alles oder nichts“ mit dem Einsatz „All in“. Doch man kann in diesem spannenden Pokerspiel nicht einfach aussteigen. Der Einsatz ist mörderisch – der Preis hoch und mit Geld nicht zu bezahlen.

Wenn der Dunkle kommt, verschwinden Mädchen. Eins in Berlin, eins in Bayern und eins im hessischen Königstein. Nicht alle werden lebend zu ihren Vätern zurückkehren, die durch ein dunkles Geheimnis verbunden sind.
Nur widerwillig nimmt der kriminell gewordene Ex-Polizist Alexander Born die Spur eines Mannes auf, der sich Der Dunkle nennt. Anfangs geht er noch von ganz gewöhnlichen Entführungsfällen aus. Ein Täter, drei Opfer. Doch in diesem Fall ist nichts, wie es scheint, und hinter jeder Wahrheit verbirgt sich eine weitere. (Verlagsinfo)
Die Kunst des spannenden Erzählens hat Linus Geschke für sich in dieser Reihe perfektioniert. Konsequent und Kompromisslos lässt er seine Figuren leben, leiden und sterben. Es werden Opfer gebracht und später ist nichts mehr wie es vorher war. Die Seele ist vielleicht unsterblich – aber nicht unverletzbar – auch das wird Alexander Born zu spüren bekommen.
Einige Figuren aus „Tannenstein“ begegnet man wieder und diese positionieren sich schon für den dritten Teil, der 2021 erscheinen wird. Linus Geschke ist ein Trickser – und jemand der einen komplexen Plan verfolgt und damit stellt er schon jetzt die Weichen für die Fortsetzung. An diesem Punkt muss mal allerdings auch betonen – dass es wenig Sinn macht „Finsterthal“ unabhängig von „Tannenstein“ zu lesen. Zu vielschichtig sind die Beziehungskisten der Charaktere gegliedert.
In „Tannenstein“ war es der „Wanderer“ – in „Finsterthal“ der „Dunkle“. Linus Geschke besticht durch einfache, aber prägnante Namen – in denen eine atmosphärische Dunkelheit agiert und Duelle auf Augenhöhe geschehen.
Fazit
„Finsterthal“ ist ähnlich wie ein Scharfschütze – Tödlich – Passgenau - einschüchternd – ein endlicher Gegner, der Angst bereitet – kein finaler Rettungsschuss im Genre Thriller. Ein hemmungslos, entfesselter Thriller, der zeigt wie vielschichtig und spannend man seine Figuren entwerfen kann. Willkommen auf der dunklen Seite der Macht.
Prädikat: Ein Thriller – eine Reihe der Extraklasse – der sich zielführend bewegt und deren Ideen in naher Zukunft ein Vorbild werden kann. Unbedingt lesen.

Michael Sterzik


Mittwoch, 14. August 2019

Im Wald der Wölfe - Linus Geschke


Gab es Verbrechen in der ehemaligen DDR? Natürlich – es gab ja auch Menschen dort einerseits, andererseits ließ es die Führung nicht zu, dass Verbrechen – Morde, Vergewaltigungen, Drogendelikte in der „treuen“ Bevölkerung publik gemacht wurde. Das „Böse“ gab es nur hinter der Mauer – im kapitalistischen verseuchten Westen.

Insbesondere verfügte das Staatsministerium für Sicherheit (Stasi) über eine enorme fast „gottgleiche“ Macht, und auch das gezielt über ein systematischen denunzieren, an der Bevölkerung nicht unschuldig war. Macht korrumpiert – unabhängig von Berufsgruppen, sozialen Ständen, Politik und Wirtschaft.

Nach dem Fall der Mauer, präsentieren sich der Justiz und dem Bundeskriminalamt, sicherlich eine ganze Reihe von „Cold-Case“-Kriminalfällen. Diese ungelösten Fälle sind aller Wahrscheinlichkeit noch immer ohne abschließendes Ergebnis.

Der Kölner Autor Linus Geschke hat vor kurzem im Ullstein Verlag seinen neuesten Kriminalroman „Im Wald der Wölfe“ veröffentlicht. Es ist der vierte, und wahrscheinlich abschließende Titel der  erfolgreichen „Jan Römer Reihe“.

Mitten in der Nacht steht eine blutüberströmte Frau vor der Tür von Jan Römers Waldhütte, und schlagartig ist es mit seinem Erholungsurlaub vorbei. Die Frau, Hannah Wozniak, wirkt verängstigt, behauptet aber, nur beim Joggen gestolpert zu sein. Jan Römer lässt sich von ihr überzeugen, horcht aber auf, als sie ihm vom "Wald der Wölfe" erzählt, ein nahe gelegenes Waldstück, in dem schon früher Morde geschehen sind. Alle Opfer trugen Brandzeichen, einen Wolfskopf. Am nächsten Morgen ist Hannah verschwunden, und Jan Römer beginnt zu recherchieren. Schnell zeigt sich, dass die Morde in einem Zusammenhang stehen, der bis tief in die deutsche Vergangenheit hineinreicht. Und als Jan Römer selbst in die Schusslinie gerät, wird ihm klar, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist. (Verlagsinfo)

Linus Geschke bewegt seine Hauptfiguren auf bekannten Wegen. Jan Römer, seine Kollegin „Mütze“ und sein türkischer Freund und sportlicher Sparringspartner Arslan spielen in „Im Wald der Wölfe“ eine tragende Rolle. An seiner Seite ermitteln sie auf Augenhöhe mit dem investigativen Journalisten.

Man merkt schon nach wenigen Kapiteln, dass man sich mit den Figuren auf ein „Ende“ zubewegt. Nicht schnell – aber konsequent. Jan Römer überdenkt sein Leben, seine berufliche Orientierung als Journalist, sein Verhältnis zu seiner Kollegin Mütze. Eine emotionale Achterbahn von Verstand und Gefühl.

Der vorliegende Roman ist spannend, allerdings insgesamt der schwächste dieser Reihe. Das liegt nicht an dem schriftstellerischen Talent des Autors Linus Geschke. Wie auch seine Figur „Jan Römer“ überdenkt er sicherlich seine kommenden Literaturprojekte. Heißt es nicht, eine Tür geht zu – damit sich eine andere öffnen kann!?  Wir dürfen also gespannt sein, was uns der Kölner Jung so in naher Zukunft präsentieren mag.

Inhaltlich schwächer ist er, da man sehr wohl merkt, dass man zum „Schluss“ kommen muss. Sehr gestört haben mich an diesem Band die arg langen und vielen Rückblenden in die Vergangenheit. Dagegen ist der Sprung zurück in die Gegenwart, oder Zukunft alles andere als langweilig erzählt.

Die Basis von „Im Wald der Wölfe“ bilden Morde, die auch nach Jahren noch immer als ungelöst gelten. Nur durch Zufall wird Jan Römer involviert – aber diesmal wird die Vergangenheit zur gegenwärtigen Lebensgefahr.

Linus Geschke nimmt genau diese „Lebensgefahr“ für seinen Protagonisten um dessen Leben auf die sogenannte Goldwaage zu legen und um damit den logischen, aber kompromissbereiten Exit-Korridor zu betreten.

Die Reihe endet hochdramatisch – überschlägt sich einem actionreichen Tempo, dass emotional und spannend ist. Bei diesen Kapiteln merkt man auch sehr, dass sich der Autor Linus Geschke erzählerisch weiterentwickelt hat. Das meine ich deutlich positiv – gerade die dramatischen, actionreichen Elemente – jongliert er inzwischen ohne Netz und doppelten Boden. Absolut souverän – stilistisch einwandfrei.

Die Beziehungsebenen der drei Freunde werden durch sie selbst analysiert und auch diese finden einen „Abschluss“. Was ich sehr lobenswert bewerte ist, dass Linus Geschke den Nebenfiguren ein intensives Leben gibt, eine Vergangenheit, eine Zukunft die plausibel und interessant sind. Sie sind keine Figuren – die Jan Römer als Statisten zur Verfügung stehen. Ohne „Mütze“ und dem Boxer Arslan –wäre die Reihe nicht so erfolgreich gewesen.  

Ein Ende mit Schrecken – aber auch die Möglichkeit vielleicht in späteren Jahren, die Figuren zu reanimieren. Ein Comeback mag ich nicht ausschließen.

Fazit

„Im Wald der Wölfe“ von Linus Geschke geht es tödlich zu. Es wird eng bis zum Exit. Eine spannende Atmosphäre und um es mit dem Worten von James Bond auszudrücken „Sag niemals Nie“. Ein toller (Ab)Schluss der Reihe – Tolle Entwicklung. Let`s go.

Michael Sterzik  



Sonntag, 3. Februar 2019

Tannenstein - Linus Geschke


Linus Geschke ist seit den drei Kriminalromanen um den investigativen Journalisten Jan Römer und seiner Kollegin „Mütze“ inzwischen bekannt geworden. Seine Bücher sind feine, sehr durchdachte und komplexe Kriminalgeschichten. Authentische Atmosphäre umgeben die feinfühlige Handlung, die Protagonisten sind ebenfalls realistisch aufgestellt – die Storyline besitzt einen souveränen Spannungsbogen.

Wir gehen als Leser immer davon aus, dass sich die Figuren einer Romanreihe weiterentwickeln, dass muss es auch – alles andere wäre absurd und würde jegliche nachhaltige Atmosphäre in Folgebänden faktisch einäschern. 

Doch wie ergeht es dem Autor? Bleibt er intellektuell in einem Standby-Modus, ein Talent, dass er besitzt, aber es nicht ausschöpft? Sind die späteren Romane inhaltlich thematisch exakt im gleichen Stil erzählt und wie mit einer Schablone gezeichnet? Natürlich kommt dies in der Belletristik in vielen Genres vor – im vorliegenden Roman „Tannenstein“ von Linus Geschke, geht der erfolgreiche Autor nun neue Wege.

„Tannenstein“ ist der erste Band einer neuen Thriller-Reihe, es gibt neue Figuren, neue Handlungen, eine völlig neue Atmosphäre – alles komponiert von Linus Geschke, und um es vorab schon zu sagen, bevor ich enger darauf eingehe – ein brillanter Entwicklungsschritt.

Inhaltsangabe

Wenn der Wanderer kommt, sterben Menschen. Elf in Tannenstein, einem abgelegenen Ort nahe der tschechischen Grenze. Ein Tankwart im Harz, eine Immobilienmaklerin aus dem Allgäu. Der Killer kommt aus dem Nichts, tötet ohne Vorwarnung und verschwindet spurlos.

Der Einzige, der sich ihm in den Weg stellt, ist Alexander Born: ein Ex-Polizist mit besten Kontakten zur Russenmafia. Einst hatte der Wanderer seine Geliebte getötet, jetzt will Born Rache – und wird Teil einer Hetzjagd, die dort endet, wo alles begann: Tannenstein. (Auszug- Verlagsinfo)

Der Prolog von „Tannenstein“ ist schon ein kleines Feuerwerk. Eine derartige starke Atmosphäre die sich hier explosionsartig mit intensiven Wellen durch die gesamte Story bewegt, ist mehr wie eindrucksvoll erzählt. Die Spannung und das ist kristallklar zeichnet sich auch durch eine realistisch erzählte Brutalität aus, nichts für zarte Nerven und Gemüter. Der düstere Ort Tannenstein ist zwar fiktiv, doch insgesamt ist die Handlung realistisch.
Die Figur des „Wanderers“ ist absolut hochklassig, ein Rächer, Killer, Mörder – ein Berufspsychopath!? Er ist vieles – von allem etwas und doch bleibt er mysteriös. Er ist eine Nebenfigur – aber mal ehrlich – er stiehlt allen Protagonisten sämtliche Auftritte und Gagen und seine Präsenz stellt die Hauptfiguren in die zweite Reihe.

Sein Gegenspieler Alexander Born – ehemaliger Kriminalbeamter, der auf dem schmalen Grat einen Schritt zu viel in Richtung Abgrund gegangen ist. Er hat für seine Taten gebüßt, er war in Haft und nun jenseits der Mauern des Gefängnisses giert er nach Rache – der Wanderer hat seine Freundin getötet….

Unterstützt wird er bei seinem Rachefeldzug von einer jungen Kriminalbeamtin. Natürlich entwickelt sich eine Liebesgeschichte usw. Manche traditionellen Elemente muss man einfach spielen. Auch die formale Selbstjustiz ist ein Teil davon.

„Tannenstein“ ist hochspannend – intensive Atmosphäre – Authentische Handlung – gute Charaktere. Alexander Borns Charakterzeichnung ist in einem effektvollen Schwebezustand zwischen Himmel und Hölle angesiedelt und ja, auch die klassischen Klischees werden hier bedient. Alexander Born hat keine weiße Weste, seine kriminelle Vergangenheit, seine Kontakte zur Russenmafia und sein zerstörerischer Glaube an Rache bilden den Dreh- und Angelpunkt. Als Anti-Held gesetzt – erfüllt er seine Stellenbeschreibung recht gut…Probezeit bestanden. Negativ gezeichnet und versehen mit den typischen Merkmalen, kann man den Charakter symphytisch finden, oder auch nicht. Für mich – allzu hervorsehbar – allzu einer Schablone entsprungen und mit und der einzige Schwachpunkt bei diesem Titel.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ein Faible für Nebencharaktere habe. Linus Geschke erzeugt und das ist fantastisch – kein offensives Schwarz/Weiß-Bild – kein in Schubladen gestecktes Klassensystem in „Gut“ und „Böse“ unterteilt. Und kommen wir nun zur der Personalie des „Wanderers“ – absolut TOP –  die Aura eines geheimnisvollen Todesengels – der seinen Job professionell gelernt haben muss. Zack – Trommelwirbel – Der Wanderer kommt und die Spannung erzeugt eine Eruption, die faktisch alles überrollt.

Und es zeigt sich auch, dass „Gut“ und „Böse“ immer wieder aus einer individueller Perspektive aufgehen. Linus Geschke erzählerischer Stil ist weitaus konsequenter und kompromissloser als wie man ihn über die Jan-Römer-Reihe kennengelernt hat.

Mit „Tannenstein“ beweist er, dass sein Talent noch lange nicht ausgeschöpft ist. Beide Reihen kann mich nicht miteinander vergleichen. Linus Geschke hat sich weiterentwickelt – Stil, Ausdruck, Sprache haben einen großen Schritt nach vorne gemacht. Auch in der Beschreibung der Emotionen wirkt der Autor reifer, gesetzter und überhaupt ist „Tannenstein“ strukturierter als alles was ich bisher gelesen habe.

Ich bin gespannt, wie Band 2 sein wird – persönlich empfehle ich, mich von Alexander Born zu trennen und ebenfalls von der helfenden Figur der jungen Kriminalbeamtin. Beide Charaktere sind austauschbar – der „Wanderer“ – eine derartige Figur polarisiert – aber überzeugt um einiges mehr.

„Fazit“

„Tannenstein“ ist ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss, der bei dem Leser mit einer starken Atmosphäre einschlägt. Nachhaltige Spannung –  Action und Authentisch.
Brillante Umsetzung. Prädikat: Pageturner.

Michael Sterzik