Der vorliegende Band „Zerrissen“ ist der aktuellste der Reihe und der vierte Roman um den Rechtsmediziner für Gewaltdelikte beim BKA – Fred Abel.
Das Subgenre „True Crime“ hat sich schon längst im
übergeordneten Genre Krimi/Thriller durchgesetzt. Die Realität schreibt nun mal
die besten Geschichten, und tragischerweise leider auch mit die brutalsten.
Reden wir über Gewaltdelikte – reden wir darüber was
Menschen sich alles an grausamen Methoden einfallen lassen, um einander zu
töten, oder schwer zu verletzen. Prof.Dr. Michael Tsokos und seine Mitarbeiter
im Institut für Rechtsmedizin an der Charité begegnen den Tod jeden Tag auf dem
Sektionstisch. Seit 2007 ist Michael Tsokos der Leiter dieser Abteilung und
schon längst auch international ein anerkannter Experte auf diesem Fachgebiet
der Medizin.
In der ersten drei Bänden stand als Co-Autor Andreas
Gössling an seiner Seite. Mit dem ehemaligen BILD-Nachrichtenchef Wolf-Ulrich
Schüler, der seit 2019 stellvertretender Chefredakteur in der Zentralredaktion
der Mediengruppe RTL ist dies Nachfolge, der höchstwahrscheinlich auch am
zukünftigen 5.Teil der Reihe mitwirken wird.
Dr. Fred Abel muss vor Gericht in einem besonders
schweren Fall von Misshandlung aussagen. Bei dem Opfer, einem kleinen Mädchen,
handelt es sich ausgerechnet um die Nichte seiner langjährigen Kollegin Sabine
Yao. Das Verhältnis zwischen den beiden Rechtsmedizinern ist dadurch äußerst
angespannt.
Währenddessen findet Privatermittler Lars Moewig, Fred Abels alter Freund, in
seinem Kickboxclub eine grausam zugerichtete Leiche in einem Boxsack. Lars muss
wissen, wer in seinem Club Männer in Sandsäcke einnäht und bittet Abel um
Hilfe. Schon bald führen ihre Nachforschungen sie in die Welt der libanesischen
Drogen-Clans. Eine Schattenwelt, in der es weder Gefangene noch Zeugen geben
darf, seien sie auch noch so jung und unschuldig …(Verlagsinfo)
„Zerrissen“ ist dieser neuester True-Crime-Thriller
hochaktuell. Die deutsche Justiz geht immer mehr gegen sogenannte Clans vor,
die die verbrecherische Unterwelt beherrschen und ähnliche mafiöse Verbindungen
und Strukturen aufweisen, wie die Nachbarn aus Italien. In der Realität gibt es
Clans aus vielen Ländern, die sich hier organisieren – Afrika, Russland, Asien,
Europa und auch aus dem Osten. Das es zu blutigen Revierkämpfen kommt, steht
außer Frage.
In dem vorliegenden Band spielt eine arabische
Großfamilie, die Hauptrolle. Clankriminalität in Berlin? Natürlich – ein hart
umkämpftes Gebiet. Also hier auch keine Fiktion, sondern traurige Realität. Im
Nachwort geht Michael Tsokos auf die verwendeten Verbrechen näher ein.
Insgesamt ist der Titel „Zerrissen“ gut – aber kommt
nicht an die Intensität der anderen Teile heran. Vielleicht liegt es nicht
unbedingt an Michael Tsokos – vielmehr an seinem Co-Autor, der wenig professionelle
Erfahrung vorzuweisen hat – damit erklärt sich dann auch die seichte Oberflächlichkeit.
Leider – denn die Schicksale insbesondere das einer offensichtlichen
Kindesmisshandlung gehen unter die Haut. Trotzdem sind diese ohne viele
Emotionen geschildert und kommen ohne viel Tiefgang daher. Definitiv an
Gewichtung hat der Fachjargon gewonnen – zwar auch sehr, sehr interessante –
könnte aber für den einen oder anderen Leser mehr als Sachbuch, wie als ein
unterhaltsames Buch zu sehen sein. Medizinische Untersuchungsmethoden und
Obduktionsergebnisse gibt es also mehr wie genug.
Das Tempo ist mehr wie hoch und wirkt manchmal etwas
gehetzt. Das gilt für die Hauptstory, wie auch für die Nebengeschichten, die
eigentlich bis auf einem Part keine ist. Das die beiden Autoren, die
organisierte Kriminalität durch einen Clan thematisieren ist neben der
Aktualität gemessen gut – aber auch hier spielt der Faktor „Oberflächlichkeit “
eine tragende Rolle. Leider nehmen sich die beiden Autoren nicht die Zeit,
deren Aufbau, deren Struktur und Motivation in den Vordergrund zu stellen.
Stattdessen zeigt man deren brutale Durchsetzungskraft und stellt eine Rache in
die erste Reihe. Schade.
Kommen wir zurück zu den Nebengeschichten, die allzu
stark konstruiert wirken und sich unrealistisch zeigen. Kommissar Zufall spielt
hier auch nebenbei mit und ist völlig fehl am Platze.
Ich bin ja ein wirklicher Freund von Nebengeschichten,
denn diese tragen ja im Grunde die gesamte Haupthandlung, doch die
Lebensgefährtin von Dr. Abel einzubauen war absolut überflüssig. Es passt
einfach nicht in das Gesamtbild.
Trotzdem war der Roman sehr spannend und vor allem
unterhaltsam – also im Grunde Ziel erreicht. Thematisch überzeugt es eben auch
dadurch, dass wir hier über True Crime sprechen. Der Anspruch ist erfüllt und
ich freue mich auf einen weiteren Band mit Dr. Fred Abel.
Fazit
„Zerrissen“ ist ein unterhaltsamer, spannender
True-Crime-Thriller mit einer geschilderten Brutalität, die unter die Haut
geht. Es gibt hinlängliche Schwachpunkte – aber trotzdem, auch wenn er mit
Abstand der schwächste aus dieser hervorragenden Reihe ist – absolut zu
empfehlen.
Michael Sterzik
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