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Samstag, 3. Juni 2023

Liar - Seve Cavanagh


Es gibt Justizthriller, deren Story sich nicht auf die Tat konzentriert, sondern auf den Schlagabtausch im Gerichtssaal. Verteidigung gegen den Staatsanwalt – die Geschworenen sind das Schlüsselelement und entscheiden oftmals auch zwischen Leben und Tod. Das amerikanische Rechtssystem im Gerichtssaal inkludiert auch viel Theater, viel Dramatik und die Knöpfe der Emotionalität, die man bei den Geschworenen oftmals aktiviert, entscheiden zwischen Schuld und Unschuld.

Was ist Lüge und was ist Wahrheit? Nicht immer einfach – und es gibt ein sattes Minenfeld an Halbwahrheiten, perspektivischen Grauzonen und schmerzhaften Tatsachen, denen man sich nicht stellen möchte – aber ausweichen ist auch keine Option.

Hier wird manipuliert und Verteidigung und Staatsanwalt bauen sich lange vor Prozessbeginn eine Strategie auf – ein fast schon minutiöses Drehbuch. Das größte Risiko ist die Unwissenheit – die versteckten Lügen der Zeugen, die Wahrheiten, die sich ggf. vor den polizeilichen Behörden noch nicht offenbart hatten, die aber jetzt auftauchen könnten. Ein Rotstift – der das Drehbuch einäschern könnte.

Der Autor des vorliegenden Titels: „Liar“ – Steve Cavanagh ist Jurist. Seine Schwerpunkte Strafrecht und Prozessführung machten ihn zu einem erfolgreichen Bürgerrechtsanwalt. Er weiß also sehr genau, wovon er schreibt.

Leonard Howells durchlebt einen Albtraum: Seine Tochter Caroline wurde entführt und dabei lebensgefährlich verletzt. Nur einem Mann traut Howell zu, sie zu retten: Eddie Flynn. Eddie weiß, wie es ist, eine Tochter zu verlieren. Und als ehemaliger Betrüger und jetziger Spitzenanwalt kennt er alle Tricks, um seine Gegner hinters Licht zu führen. Doch als die Lösegeldübergabe scheitert und Leonard Howells selbst unter Verdacht gerät, sind plötzlich zwei Leben in Gefahr. Irgendjemand zieht im Hintergrund die Fäden in einem Spiel, das vor vielen Jahren begann. Und in dem Eddie bald nicht mehr weiß, wer die Wahrheit sagt, und wer lügt ...(Verlagsinfo)

Inzwischen gibt es 7 Bände um den ehemaligen Trickbetrüger und jetzigen New Yorker Anwalt Eddie Flynn. „Liar“ ist der dritte Band – die Titel kann unabhängig voneinander lesen.

Kommen wir also zurück zum Thema „Justizthriller“. Seve Cavanagh beweist als Autor ein hohes Talent. Seine unkonventionelle Art eine nachhaltige Spannung zu erzeugen, ist brillant. Seine Trickkiste, die er bei seiner Figur Eddie Flynn öffnet, ist ebenfalls eine kleine Schatztruhe. Eddie Flynn ist und bleibt ein Trickbetrüger, aber ein ehrlicher, der vor Ort alle seine Tricks sehr gezielt einzusetzen vermag: theatralische Überzeugungskraft, Ablenkung und Irritation und zum Schluss weiß selbst der Zeuge, der Angeklagte, der Richter und der Staatsanwalt nicht mehr, was hier eigentlich passiert. Eddie Flynn zieht seine persönliche Show durch.

Sei es drum – er hat ein starkes Verständnis für die Wahrheit, verfügt über einen genialen Verstand und er ist und bleibt ein talentierter Trickser.

Das Tempo der Handlung ist ausgewogen. Der Fall ist recht kompliziert und jede Partei verstrickt sich selbst in diesem Netz voller falschen Verdächtigungen, voller schauspielerischer Manipulation und letztlich auch Überraschungen die plötzlich da sind.

Es zieht sich ein wenig hin, bevor man Eddie Flynn in den Gerichtssaal  begleitet. Da die Story sehr, sehr komplex ist, muss man sich stark konzentrieren und sehr aufmerksam lesen, um auch nur zu erahnen, wie das Verbrechen wirklich stattgefunden hat. Trotzdem ist man am Ende sehr, sehr positiv überrascht über das Konstrukt, dass sich Steve Cavanagh ausgedacht hat. Gerade vor Gericht zeigt sich die Klasse der Protagonisten und der komplexen Handlung.

Auch die anderen Figuren brillieren in Ihrer Darstellung und manchmal auch in ihrer Verwandlung. Special Agent Harper ist wieder mit von der Partie und auch Eddie Flynns Freund und Mentor Richter Harry Ford hat eine wichtige Nebenrolle. Starke Figuren, die viel dazu beitragen, der Story eine Tiefe zu geben. Auch die Ermittlungsarbeit, die wie ein Puzzle aufgebaut ist, wirkt sich stark auf die Intensität aus. Es folgen immer wieder neue Elemente, die alles wieder gekonnt auf einen neuen Ausgangspunkt setzen.

Der Trick des Erfolges ist der Trick eine Atmosphäre zu schaffen, der das „Böse“ vielfältig zeigt, aber den Wahrheiten ebenfalls viel Perspektive gibt.

Fazit

Das Gesicht der Lüge und der Wahrheit – so spannend erzählt, dass sich wünscht im Gericht zu sein. Perfekte Unterhaltung dank toller und vielseitiger Figuren.

Michael Sterzik

Freitag, 20. März 2020

Die Wächter - John Grisham


Das amerikanische Justizsystem – viel gelobt und auch stark kritisiert. Wenn Menschen urteilen, können ihnen Fehler unterlaufen. Aber genau diese Fehler können sich auf den Verurteilten dramatisch auswirken, gar den Tod bedeuten, oder noch schlimmer – das lange, quälende Warten auf die Todesspritze, oder einen Aufschub der Hinrichtung. Ist ein verurteilter von Rechts wegen immer schuld?!

In den USA sitzen mehr als 1600 Häftlinge in den Todeszellen und warten manchmal 10 Jahre, oder mehr auf ihre Hinrichtung. Statistisch gesehen könnten davon ca. 4% unschuldig sein. Belegt ist jedenfalls seit 1973 wurden mindestens 340 Menschen hingerichtet, die nachgewiesen unschuldig waren. Erschreckend.

John Grisham ist selbst Anwalt und seit Jahrzehnten ein erfolgreicher Anwalt. In seinen Romanen thematisierte er ganz unterschiedliche, rechtliche Gebiete und verpackte diese spannend und informativ. John Grisham befasst sich in seinem neuesten Titel: „Die Wächter“ mit der Todesstrafe, bzw. potentiellen Justizopfern, die ihre Unschuld beteuern.
In Seabrook, Florida wird der junge Anwalt Keith Russo erschossen. Der Mörder hinterlässt keine Spuren. Es gibt keine Zeugen, keine Verdächtigen, kein Motiv. Trotzdem wird Quincy Miller verhaftet, ein junger Afroamerikaner, der früher zu den Klienten des Anwalts zählte. Miller wird zum Tode verurteilt und sitzt 22 Jahre im Gefängnis. Dann schreibt er einen Brief an die Guardian Ministries, einen Zusammenschluss von Anwälten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, unschuldig Verurteilte zu rehabilitieren. Cullen Post übernimmt seinen Fall. Er ahnt nicht, dass er sich damit in Lebensgefahr begibt. (Verlagsinfo)

Auch wenn dieser Roman mit seiner Handlung, seinen Protagonisten fiktiv ist, so befasst sich John Grisham mit vielen kontrovers diskutierten Themen, die polarisieren. Neben der Frage: „Schuldig oder Unschuldig“ geht es auch um politische Themen, es geht um Rassismus, um einen konservativen, moralischen  Kompass, und um die Manipulation und dem Versagen dieses Rechtssystems.

Erzählt wird die Handlung aus der Sicht des ehemaligen Priesters und jetzigen Anwalts Cullen Post. Ein idealistisch handelnder Mensch der Mitarbeiter der kleinen Kanzlei „The Guardians“ ist.

John Grisham schleudert den Leser mitunter in den Todestrakt, lässt ihn mit Cullen Post Beweise suchen und nimmt an spannenden Dialogen teil, z.B. wenn sich jemand nach Jahrzehnten für seine Falschaussage im Gericht entschuldigt. Wir erfahren viel von den dunklen, trüben Gewässern einer Schuld oder Unschuld.

Als des „Teufels Advokat“ kann man Cullen nicht bezeichnen, aber auch er interpretiert die Suche nach Beweisen für die Unschuld seiner Mandanten sehr grenzwertig. Nichtsdestotrotz ist ein Kampf auf Leben und Tod – und manchmal wird es halt auch sehr zeitkritisch. In „Die Wächter“ können wir ebenfalls einen intensiven Blick auf die Prozesslandschaft werfen: Zuständigkeiten, die Argumentation von Staatsanwälten und ehemaligen Verteidigern, Berufungen um ein Wiederaufnahmeverfahren einzusteuern und vieles mehr.

Cullen Post ist vielleicht das einzige Element in der Handlung, dass man etwas kritisieren kann. Zu typisch aufgesetzt – zu idealistisch dargestellt – aber im Grunde auch nicht unglaubwürdig. Er hat ein wenig von dem Ritter in einer traurigen Gestalt. Das macht ihn weder sympathisch, noch abstoßend – er ist da ….ja und!?

Vielmehr faszinierend aufgezeigt und das sehr spannend, sind die Schwach- und Sollbruchstellen im Justizsystem der Vereinigten Staaten. Und Fakt ist – der Fehler in diesem System ist der Mensch – der nun mal fehlbar ist. Sehr emotional wird auch geschildert, was der mutmaßliche Täter erdulden musste, sei es vor Gericht der Willkür von korrupten Polizeibeamten standzuhalten, oder von der eigenen Familie verraten und verkauft worden zu sein. Spannend – traurig und lässt einen oft nachdenken über ein Pro- und Contra dieses Justizsystems. Selbst am Ende des Romans – mag ich mir hier kein Urteil bilden wollen.

Die Handlung ist atmosphärisch fesselnd und insgesamt sehr, sehr spannend. John Grisham ist bekannt dafür, dass die Bühne für seine Handlung, auch wenn sie fiktiv sein mag, sehr realistisch überzeugt.

Die Hauptrolle in dem Roman spielen nicht die menschlichen Protagonisten, sondern Justitia – eine spröde, manchmal langweilige, aber letztlich endliche Göttin des Rechts. Aber auch „Götter“ werden von Menschen gelenkt und manipuliert.

Fazit

„Die Wächter“ ist einer der spannendsten und stärksten Bände von John Grisham. Fragen aufwerfend – Ergreifend inszeniert – mit guten und vielschichtigen Dialogen und einer Aura, die überzeugt. Ganz starker Titel. Unbedingt lesen.

Michael Sterzik