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Freitag, 20. März 2020

Die Wächter - John Grisham


Das amerikanische Justizsystem – viel gelobt und auch stark kritisiert. Wenn Menschen urteilen, können ihnen Fehler unterlaufen. Aber genau diese Fehler können sich auf den Verurteilten dramatisch auswirken, gar den Tod bedeuten, oder noch schlimmer – das lange, quälende Warten auf die Todesspritze, oder einen Aufschub der Hinrichtung. Ist ein verurteilter von Rechts wegen immer schuld?!

In den USA sitzen mehr als 1600 Häftlinge in den Todeszellen und warten manchmal 10 Jahre, oder mehr auf ihre Hinrichtung. Statistisch gesehen könnten davon ca. 4% unschuldig sein. Belegt ist jedenfalls seit 1973 wurden mindestens 340 Menschen hingerichtet, die nachgewiesen unschuldig waren. Erschreckend.

John Grisham ist selbst Anwalt und seit Jahrzehnten ein erfolgreicher Anwalt. In seinen Romanen thematisierte er ganz unterschiedliche, rechtliche Gebiete und verpackte diese spannend und informativ. John Grisham befasst sich in seinem neuesten Titel: „Die Wächter“ mit der Todesstrafe, bzw. potentiellen Justizopfern, die ihre Unschuld beteuern.
In Seabrook, Florida wird der junge Anwalt Keith Russo erschossen. Der Mörder hinterlässt keine Spuren. Es gibt keine Zeugen, keine Verdächtigen, kein Motiv. Trotzdem wird Quincy Miller verhaftet, ein junger Afroamerikaner, der früher zu den Klienten des Anwalts zählte. Miller wird zum Tode verurteilt und sitzt 22 Jahre im Gefängnis. Dann schreibt er einen Brief an die Guardian Ministries, einen Zusammenschluss von Anwälten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, unschuldig Verurteilte zu rehabilitieren. Cullen Post übernimmt seinen Fall. Er ahnt nicht, dass er sich damit in Lebensgefahr begibt. (Verlagsinfo)

Auch wenn dieser Roman mit seiner Handlung, seinen Protagonisten fiktiv ist, so befasst sich John Grisham mit vielen kontrovers diskutierten Themen, die polarisieren. Neben der Frage: „Schuldig oder Unschuldig“ geht es auch um politische Themen, es geht um Rassismus, um einen konservativen, moralischen  Kompass, und um die Manipulation und dem Versagen dieses Rechtssystems.

Erzählt wird die Handlung aus der Sicht des ehemaligen Priesters und jetzigen Anwalts Cullen Post. Ein idealistisch handelnder Mensch der Mitarbeiter der kleinen Kanzlei „The Guardians“ ist.

John Grisham schleudert den Leser mitunter in den Todestrakt, lässt ihn mit Cullen Post Beweise suchen und nimmt an spannenden Dialogen teil, z.B. wenn sich jemand nach Jahrzehnten für seine Falschaussage im Gericht entschuldigt. Wir erfahren viel von den dunklen, trüben Gewässern einer Schuld oder Unschuld.

Als des „Teufels Advokat“ kann man Cullen nicht bezeichnen, aber auch er interpretiert die Suche nach Beweisen für die Unschuld seiner Mandanten sehr grenzwertig. Nichtsdestotrotz ist ein Kampf auf Leben und Tod – und manchmal wird es halt auch sehr zeitkritisch. In „Die Wächter“ können wir ebenfalls einen intensiven Blick auf die Prozesslandschaft werfen: Zuständigkeiten, die Argumentation von Staatsanwälten und ehemaligen Verteidigern, Berufungen um ein Wiederaufnahmeverfahren einzusteuern und vieles mehr.

Cullen Post ist vielleicht das einzige Element in der Handlung, dass man etwas kritisieren kann. Zu typisch aufgesetzt – zu idealistisch dargestellt – aber im Grunde auch nicht unglaubwürdig. Er hat ein wenig von dem Ritter in einer traurigen Gestalt. Das macht ihn weder sympathisch, noch abstoßend – er ist da ….ja und!?

Vielmehr faszinierend aufgezeigt und das sehr spannend, sind die Schwach- und Sollbruchstellen im Justizsystem der Vereinigten Staaten. Und Fakt ist – der Fehler in diesem System ist der Mensch – der nun mal fehlbar ist. Sehr emotional wird auch geschildert, was der mutmaßliche Täter erdulden musste, sei es vor Gericht der Willkür von korrupten Polizeibeamten standzuhalten, oder von der eigenen Familie verraten und verkauft worden zu sein. Spannend – traurig und lässt einen oft nachdenken über ein Pro- und Contra dieses Justizsystems. Selbst am Ende des Romans – mag ich mir hier kein Urteil bilden wollen.

Die Handlung ist atmosphärisch fesselnd und insgesamt sehr, sehr spannend. John Grisham ist bekannt dafür, dass die Bühne für seine Handlung, auch wenn sie fiktiv sein mag, sehr realistisch überzeugt.

Die Hauptrolle in dem Roman spielen nicht die menschlichen Protagonisten, sondern Justitia – eine spröde, manchmal langweilige, aber letztlich endliche Göttin des Rechts. Aber auch „Götter“ werden von Menschen gelenkt und manipuliert.

Fazit

„Die Wächter“ ist einer der spannendsten und stärksten Bände von John Grisham. Fragen aufwerfend – Ergreifend inszeniert – mit guten und vielschichtigen Dialogen und einer Aura, die überzeugt. Ganz starker Titel. Unbedingt lesen.

Michael Sterzik

Samstag, 27. Juli 2019

Opfer - Bo Svernström


Skandinavische Thriller faszinieren uns schon seit langem. Schweden – Norwegen – Dänemark – Finnland u.a. sind für die Einwohner dieser Staaten gemessen an der Lebensqualität hervorragend. Bildungssystem beispielhaft gut, Gesundheitsmanagement ausgezeichnet, die Einwohner glücklich und zufrieden. Also eigentlich alles in bester Ordnung in den nordischen Ländern, oder! Doch es gibt noch eine andere Seite – das Böse ist meist nur ein Steinwurf weit entfernt. Im Norden Europas wird anscheinend gerne gemordet und gerne literarisch verarbeitet!?

Die Krimi-/Thriller Autoren aus diesen Ländern schreiben keine oberflächigen Romane, keine Storys die zumeist viel inhaltlichen „splatter/trash“ Szenen ausweisen und sich auf die „Brutalität“ konzentrieren. Ja klar, auch die großen Autoren bedienen sich aus diesem Kapital, doch deren erzählerischer Stil und literarischer Anspruch spielen in einer ganz anderen, eher hochklassigen Liga.

Im Verlag Rowohlt ist nun ein neuer Thriller erschienen – „Opfer“ von Bo Svernström. Dieser Debütroman des promovierten Journalisten, der für die Zeitung „Aftonbladet“ jahrelang gearbeitet, ist absolut empfehlenswert.

Täter oder Opfer?
Nördlich von Stockholm findet ein Bauer einen Mann in seiner Scheune, nackt und brutal gefoltert. Als Kommissar Carl Edson von der Reichsmordkommission mit seinem Team eintrifft, stellen sie schockiert fest, dass der Mann noch lebt. Noch bevor Edson tiefer in die Ermittlungen einsteigen kann, berichtet Reporterin Alexandra Bengtsson über den Fall. Das Opfer, Marco Holst, ist ein Krimineller, er hatte viele Feinde. Persönliche Rache? Ein blutiger Krieg in der Unterwelt? Doch bevor Holst eine Aussage machen kann, stirbt er im Krankenhaus. Als scheinbar wahllos weitere Morde an Kriminellen begangen werden, sucht die Reichsmordkommission fieberhaft nach einem Muster. Bis eine Spur Carl Edson und Alexandra Bengtsson in die Vergangenheit führt, zu äußerst düsteren, gewalttätigen Ereignissen. (Verlagsinfo)

„Opfer“ ist Buch für das man gute Nerven benötigt und einen soliden Magen. Die erzählten Morde, sind ausgefeilt, der Mörder muss sadistisch sein, in jedem Fall psychologisch gestört, aber wie so oft auch hochintelligent. Dafür spricht die abgebrühte kompromisslose und konsequente Durchführung der Folterungen mit Todesfolge.

Bo Svernström erzählerischer Stil ist nicht neu, aber originell. Die Atmosphärische ansteigende Spannung im ersten Teil des Buches intensiviert sich Schritt für Schritt. Der zweite und dritte Teil konzentriert sich auf die Perspektive des Killers und seiner Motive. Es gibt auch immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit, diese sind aber nicht primär als Verhaltenspsychologie zu deuten.

Wieder einmal stellt sich die Frage: Ist Selbstjustiz zu akzeptieren – Auge um Auge – Zahn für Zahn, so steht es schon in der Bibel, aber ist dies noch zu vertreten mit unserer Grundauffassung von wir von Moral und Ethik, in Kombination einer zu erwartenden Gerechtigkeit sprechen wollen?! Es wird dem Leser überlassen, darüber für sich selbst ein abschließendes Urteil zu finden.

Auch wenn der Leser es relativ früh erfährt, wer sich hinter der Maskerade des Killers verbirgt, so entsteht die Spannung doch allein über die Frage, wie dieses personifizierte Katastrophengebiet enden wird. Auch hier entsteht einer Eskalation der Gewalt, die eine oder andere Wendung. Manchmal vorhersehbar, doch es entstehen auch Situationen, die man ggf. in dieser Ausprägung nicht so erwartet haben mag.

„Opfer“ ist weit davon entfernt als Psychoanalyse interpretiert zu werden, es gibt auch keine Täter-Opfer-Ermittlungsbeziehungskiste. Auch der Ermittler, als solches ist kein innerlich zerstörter Mensch, mit einem Alkohol- oder Drogenproblem, selbst ein gewisser berufsbedingter Burnout, stellt sich nicht ein.

Fazit

Als Debütroman ist „Opfer“ von Bo Svernström absolut gelungen. Ein spannend konstruierter Roman, bei dem alles passt. Was mir allerdings gefehlt hat, waren Nebengeschichten und Figuren, die den Roman noch etwas spannender gestaltet hätten. Auch einige Fragen die sich aus der Vergangenheit des Opfers und des Täters ergeben, werden letztlich nicht vollständig aufgelöst. Das kann man auch verschmerzen – denn die eigentliche Haupthandlung überzeugt Vollendens.

Opfer und Täter – ein who is who – und sind wir eigentlich nicht alle immer beides?
Die Psyche ist ein eigenes Universum, und es gibt noch immer Welten, die wir noch lange nicht entdeckt haben.....Energie – Bo Svernström. Die Jungfernfahrt im Genre Thriller ist gelungen.

Michael Sterzik