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Mittwoch, 25. Januar 2023

Der dunkle Erbe - Tom Melley


Wer sich mit der mittelalterlichen, englischen Geschichte befasst, wird unweigerlich auf berühmte, königliche Persönlichkeiten stoßen. Parallel existieren enorm viele Legenden, trotz oder vielleicht, auch weil es so zahlreiche Quellen und schriftliche Zeitzeugnisse gibt. Diese geben Historikern und Archäologen ein umfassendes Spiegelbild aus dieser Zeit. Es gibt allerdings auch viele überzeichnete Figuren mit vielen Halbwahrheiten, Vermutungen und immer wieder trifft man auf Klischees, die wie die Figur selbst geschichtlich unsterblich geworden sind.

Die Robin Hood Legende beförderte König Richard Löwenherz in ein idealisiertes, romantisierendes Abziehbild eines Bilderbuchritters. Sein verräterischer Bruder John, auch genannt „Ohneland“ wurde absolut negativ und als tyrannischer, machtbesessener und „böser“ Mensch und späterer Nachfolgekönig charakterisiert. Diesen verhängnisvollen „Stempel“ werden die Figuren auch nicht mehr los – zu viel davon wurde medial verarbeitet. Doch wie werden diese beiden Figuren von der aktuellen, gegenwärtigen Forschung interpretiert? Fassen wir uns kurz – Richard Löwenherz, war ein exzentrischer, machtbesessener und wenn man seine Regierung bewertet – ein schlechter König. Ein guter, legendärer, mutiger Kämpfer – ohne Zweifel – aber weit davon entfernt als ein stilisierter, ehrenvoller Ritter und König zu sein. König Johann Ohneland war allen Anschein nach, kein wirklicher Sonnenschein. Er hatte zwar viel Regierungserfahrung und kannte sich im Umfeld des Adels gut aus – aber auf seiner Art war er ebenso exzentrisch. Seine Fehlurteile führten dazu die Normandie zu verlieren, einen Bürgerkrieg zu entfachen, einen Verwandten getötet zu haben usw. Viele uneheliche Kinder, ein Weiberheld, und mit Geld konnte er nicht unbedingt gut umgehen (wie viele seine Vorgänger und Nachfolger ebenfalls nicht).

Das königliche Haus „Plantagenets“ wurde von einem besonderen Mann unterstützt -. Dem Königsmacher, vielleicht dem größten Ritter seiner Zeit: „William Marshal – 1.Earl of Pembroke. Seine Treue, sein Verständnis für Ehre, aber auch sein kämpferischer Mut und Talent mit dem Schwert und der Lanze machten ihm zum größten Ritter seiner Zeit, ohne übertreibend zu klingen. Seine Geschichte ist fast untergegangen, aber nur fast.

Tom Melley hat die beiden Figuren „König Johann ohne Land“ und „William Marshal“ eine literarische Bühne gegeben. In seinem neuesten historischen Roman: „Der Dunkle Erbe“ erzählt der erfolgreiche Autor von geschichtlichen Momentaufnahmen dieser beiden Legenden.

Normandie 1199. Nach dem Tod von Richard Löwenherz verhilft der einflussreiche William Marshal, der berühmteste Ritter aller Zeiten, dessen Bruder John zum englischen Thron.
Doch seine Hoffnung auf Frieden wird jäh enttäuscht, kaum an der Macht, stürzt der neue Herrscher das Land in einen Krieg gegen das mächtige Frankreich.
Vom unberechenbaren John wird Marshals Treue auf harte Proben gestellt, dennoch kämpft er für ihn, um einen Zusammenbruch des Reiches zu verhindern.
Bis der König eine verhängnisvolle Untat begeht, die nicht nur Marshals Schicksal entscheidend verändert …(Verlagsinfo)

„Der Dunkle Erbe“ ist als historischer Roman auch ein Polit-Thriller. Es ist kein Action-Kracher, kein Mantel-und-Schwert-Roman – sondern eine hervorragende Analyse zweier Menschen ihrer Zeit. Ein König und sein Ritter – beide Streben nach Macht und Einfluss in ihren individuellen Räumen und eigenen Gedankenpalästen.

Ihre Beziehung – ein Mit- und Gegeneinander ist der Fokus der Story. William Marschal ist ein Mann von Ehre – aber konzentriert sich auch darauf, seiner Familie und sich selbst so politisch und wirtschaftlich aufzustellen, dass er dabei äußerst gut wegkommt. Risiken geht er wohl ein – aber als ein kluger Stratege und Taktiker hat er immer einen Plan B im Köcher. Berechnend agiert er diplomatisch im Kreise des Adels – sein Netzwerk ist nicht unbedingt groß, aber er weiß, wem er sich anbietet, von wem er sich fürchten sollte und wer erst einmal zu beobachten ist.

König John (Johann ohne Land) wird beschrieben, wie er laut der aktuellen Quelllage wirklich gewesen sein müsste. Aufbrausend, verletzlich, unsicher in seinem Handeln – vielleicht war er auch immer ein Muttersöhnchen. Zeit seines Lebens stand er tief im Schatten seiner Brüder. Seine Bündnisse und Freundschaften brachten ihm nicht viel ein – außer noch mehr Ärger und Komplikationen, denen er ggf. auch lieber, trunken vom Wein tänzelnd auswich.

Der Roman lebt von vielen Dialogen, von politischen und militärischen Entscheidungen, aber auch von der Beschreibung einzelner Kämpfe auf dem Schlachtfeld. Sehr gelungen ist auch die erzählerische Perspektive von König Philip von Frankreich. Diese epochale Erzfeindschaft – der Kampf um die Normandie, ist der Mittelpunkt des Romans. Auf diese Art und Weise ist der Roman auch spannend – es ist ein Duell verschiedener Motive und Motivationen. Tom Melley gibt auch keine eigene Wertung ab – es waren Figuren ihrer Zeit, deren Handlungen wir weder politisch, kulturell, religiös, militärisch und letztlich auch menschlich mit unserem Wissen nicht unbedingt nachvollziehen können.

Mit den Vorgängerromanen ist „Der Dunkle Erbe“ keinesfalls zu vergleichen. Weniger kämpferisch – dafür mehr politisch durchdrungen – doch der Unterhaltungswert ist sehr, sehr hoch. Hervorzuheben ist die konsequente Verarbeitung von Fakten – und sich nicht an Legenden und vielen „Vielleicht“ zu orientieren.

Atmosphärisch sehr gut aufgebaut und feinem Humor gibt es auch zwischendurch. Viele Figuren sind geschichtlich authentisch – viele Schicksale schlüssig und in sich logisch interpretiert erzählt. Wer hier ggf. eine klassische Liebelei erwartet – dürfte enttäuscht werden. Die Liebe zeigt sich in unterschiedlichen Facetten – aber sie ist da. Die Liebe zu dem Land – für Freunde – für eine Ehefrau usw.

Persönlich finde ich es schade – dass das Leben dieser Hauptfiguren zu einem Zeitpunkt erzählt wird – bei der beide schon in der Vergangenheit Angst und Schrecken und weiteren Unfug betrieben haben. Stoff für weitere Romane – sollte also mehr wie genug vorhanden sein. Für John ist der Zeitpunkt des Romans – der Anfang vom Ende. Aus der Perspektive von William Marshal auch – aber als ehemaliger und erfolgreicher Turnierritter – ist er das Gewinnen ja sowieso gewohnt.

Fazit

Politischer Thriller mit viel Menschlichkeit. Spannende Unterhaltung von Menschen, deren Handlungen wir nicht unbedingt verstehen, aber die viel, viel Unterhaltung bieten. Absolut zu empfehlen.

 

Michael Sterzik

 


 

Sonntag, 8. September 2019

Teufelskrone - Rebecca Gable


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1997 erschien von der deutschen Autorin Ingrid Krane-Müschen unter dem Pseudonym Rebecca Gable, der historische Roman: „Das Lächeln der Fortuna“. Dieser wurde zu einem großen Erfolg, und präsentierte den Leser ein großes Stück „Englischer Geschichte“. Spannend aufgebaut, authentisch und mit sehr viel Fachkenntnis über diese Epoche versehen fanden wir uns wieder inmitten der fiktiven Familie Waringham, einem englischen Grafengeschlecht, dass der Willkürlichkeit von Glück und Unglück ausgesetzt wird.

Dieses Epos, und die fünf weiteren Bände, die aus der Waringham-Saga erschienen sind, führte uns in den Englischen Hochadel ein, in das Leben am Hofe mitsamt seinen gefährlichen Intrigen, dass klirren der Schwerter, das Schreien der sterbenden Ritter auf dem Schlachtfeld und der Politik mit besonderen Verweis auf den Erzfeind Frankreich. Natürlich kommt die Liebe nicht zu kurz – aber es dreht sich nicht nur um die höfische, ritterliche romantisierte Liebelein toller Recken und graziösen, holden Burgfräuleins – nein, der Fokus liegt bei den jeweiligen königlichen Majestäten ihrer Zeit.  

Nun erschien im Verlag Lübbe der neueste Roman der erfolgreichen Autorin: „Teufelskrone“. Dieser spielt satte 160 Jahre vor „Das Lächeln der Fortuna“ – also für alle, die die Reihe noch nicht kennen sollten, wäre dies der chronologische Einstieg.

Wir befinden uns also thematisch und zeitlich in der Zeit von: König Richard Löwenherz und seinem brüderlichen Nachfolger König John (Ohneland). Beide historische Persönlichkeiten sind in der Literatur und im Film nahezu unsterblich geworden. Genauso verhält es leider auch mit den klassischen Vorurteilen und einer desaströsen Interpretation deren Handlungen und charakterlichen Eigenschaften.  

Beide Herrscher und ihrer Regentschaft umgeben „Legenden“, fast schon mit einer mystischen Aura. Doch beide waren auch „Kinder“ ihrer Zeit. Ihre Handlungen und Urteile mit unserem jetzigen ethischen und moralischen Kompass sind nicht gerade vereinbar. Beide ambivalent – und König John ist in der Geschichtsschreibung von Chronisten nicht gerade gut weggekommen. Doch wer war dieser Mann eigentlich? In Film und Literatur  wurde dieser nahezu als unbeschreiblich „böse“ dargestellt und sein Bruder Richard genannt „Löwenherz“ als heroischer, gerechter und selbstloser Herrscher gezeigt. Sorry an dieser Stelle – befasst man sich mit der aktuellen Forschung und Quellenlage beides „Falsch“ und doch „Richtig“.
 
Die große absolute Stärke des Romans ist die Charakterisierung der Figuren – ganz vorne natürlich König Richard und später König John. Aber auch die fiktive Figur von Yvain of Waringham und seiner gesamten Familie, sowie historischen Nebenfiguren, wurde viel Raum für eine charakterliche Interpretation gelassen. Fabelhaft und gar nicht langweilig. Im Gegenteil – die beiden Könige die willkürlich über ihr Königreich herrschen begehen kapitale und grausame Fehler, die natürlich dramatisch spannend erzählt werden. Der Hauptpart wird getragen von König John und Yvain of Waringham, der einer seiner treuesten Ritter ist.

Rebecca Gable bedient sich ihrer schon bekannten Schöpfung einer mehrjährigen Ritterlaufbahn. Yvains Knappen- und Ritterjahre sind wie schon bei seinen späteren Nachkommen, nicht wirklich ein Zuckerschlecken. Aber der Unterhaltungswert ist großartig.

Sowieso ist die Spannung souverän und steigend aufgebaut. Die Einleitung mag länger sein – aber ¾ der Story überzeugen durch einen Anstieg der Spannung, die einem förmlich bannen kann.
Rebecca Gable beschreibt die beiden Könige Englands mit einer konsequenten und kompromisslosen, analytischen Charakterstudie, die vielen romantisierten Lesern, die Augen öffnen wird. Beide Herrscher waren egoistische, egozentrische Tyrannen ihrer Zeit – mitunter Muttersöhnchen und in heutiger Zeit willkommene Patienten einer psychologischen Praxis.

Doch die Autorin zeigt nicht nur ein negatives Bild – sie zeigt beide Könige als „Menschen“ ihrer Zeit und selbst König John hatte seine Talente und tendenziell gute Eigenschaften.

Werfen wir einen Blick auf unsere fiktive Hauptfigur: Yvain of Warinham. Ein Bilderbuchritter – loyal, mit einem Gewissen, treuer Anhänger, mutig, galant – allerdings ein hoffnungsloser naiver Charakter, der es einfach nicht lernt und konsequent immer an das „Gute“ glaubt. Ohne der persönlichen Zuwendung. der Göttin Fortuna – wäre seine Laufbahn und seine Lebenserwartung deutlich kürzer gewesen. Der größte und einzige Kritikpunkt ist, dass diesem zu viel Raum gegeben wird. Ein zweiter fiktiver Part – ggf. der seines Bruders wäre hervorragend platziert gewesen. Schade.

Ein Ton dieser historischen Melodie, ist natürlich auch die klassische, traditionelle Erzfeindschaft des Königreichs Frankreich. Hier wird verraten, verkauft, betrogen, integriert und manche Adelige wechseln gerne mal das Lager, die momentan die besten Perspektiven aufzeigen.

Ach ja, ohne es zu vergessen: Robin Hood und seine Gefährten, kommen nicht mal ansatzweise vor, okay?!

„Teufelskrone“ von Rebecca Gable zeigt das wahre Talent und die Bestimmung der Autorin – die englische Geschichte und hier ist sie nicht nur eine großartige Erzählerin die zu fesseln vermag, sondern auch eine unterhaltsame Dozentin – die Geschichte transportieren kann.

Besonders gefällt mir die Charakterstudie von König John. Er war nicht gerade ein Sonnenschein seiner Zeit, aber er war auch nicht nur ein böser Mensch. Die Chronisten waren mit seiner Lebensführung: Alkohol, Frauen und Verschwendung verständlicherweise nicht zufrieden – und ja natürlich gab es neben diesen Eigenschaften noch einen grausamen Jähzorn und eine gefährliche Willkürlichkeit.

Doch lesen Sie selbst – lassen Sie sich einfangen von einem großartigen, historischen Roman, der Sie nicht loslassen wird. Besuchen Sie die politischen Schlachtfelder, nehmen an Belagerungen teil, an Liebeleien, an persönlichen Erzfeindschaften und Aufopferung für Freunde. Rebecca Gable konzipiert eine sehr konzentrierte, detailreiche Handlung, die noch Platz für einen weiteren Roman zulässt um die Lücke bis zu dem Titel „Das Lächeln der Fortuna“ zu schließen.

Fazit

Ein historischer Roman der die Menschlichkeit von Königen zeigt. Ein spannender Titel der aufräumt, mit einer traditioneller, romantisierten Interpretation einer Epoche.

„Teufelskrone“ ist das Licht in dem Genre „Historischer Roman“ – die Lichtbringer sind allerdings nur sündige Könige, die unter dieser Last zu Legenden ihrer Zeit werden. Brillanter Titel – Danke Rebecca Gable.

Michael Sterzik